laut.de-Kritik

Cringe-Gefühle und Verfolgungswahn.

Review von

Musikalisch machen Genetikk ja schon seit einiger Zeit keine Schlagzeilen mehr. Trotz recht beständigem Output wollte seit dem zweiten Teil von "D.N.A." kaum noch was landen. Vielleicht haben sich Sikk und Kappa deshalb in letzter Zeit eher in NFTs, Vitamintabletten und Twitter-Eskapaden versucht.

"Outta This World Radio Show Vol. 2" mutet allerdings nicht wie eine Radiosendung an. Außer einer Frauenstimme, die die Hörenden nach fast jedem Song darauf hinweist, dass es sich hier um die "Outta This World Radio Show Volume Two, Bitches" handelt (und die einem bereits nach dem dritten Mal gehörig auf den Senkel geht), erinnert nichts, aber auch gar nichts ans Radio. Doch das ist nicht das einzige Problem des Albums. Ähnlich wie bei Deutschrap-Nahrungsergänzungsmitteln, stellt sich die dringende Frage: Braucht es das wirklich?

Zwar spielt Sikk auf produktionstechnischer Ebene immer noch ein verdammt gutes Spiel. Die Beats sind unheimlich atmosphärisch, düster und bedrohlich. Sie bieten den klassischen Genetikk-Sound, mit dem sich die beiden Saarländer vor über zehn Jahren einen Namen gemacht haben: Staubtrockene Drums, bizarr hallige Loops, verspult leiernde Samples. All das kennen und schätzen die Liebhaber. Bleibt nur die Frage, ob davon eine neunte Auskopplung nötig war. Zumal man sich mit früheren Werken auch auf inhaltlicher Ebene leichter tun könnte.

Hier muss vorweg genommen werden: Mit Schwurbel-Fantasien hält sich Kappa diesmal nicht wirklich auf. Zwar gibt es hier und da ein paar Lines, die auf das Drama der vergangenen Jahre abzielen, aber die sind so vereinzelt und manchmal auch so vage, dass man sie getrost ignorieren kann. Stattdessen geht es auf "Outta This World 2" vor allem um eines: Gras.

Klar, die Ich-gegen-die-Welt-Attitüde ist immer noch vorhanden und sorgt hier und da für ein paar ganz nette Bilder. "Ich habe Blut an meinen Händen, deshalb kleben die Scheine" wäre so eins. Auch seine Stimme weiß Kappa noch hervorragend einzusetzen. Ansonsten bekommt man auf "Outta This World 2" eher Cypress Hill-Vibes. Denn sind wir mal ehrlich: Wenn erwachsene Männer ihre Zeit damit verbringen, Lobgesänge auf Marihuana abzuhalten und in ein Mikrofon zu brüllen, wie viel Weed sie den ganzen Tag wegballern - und sich auch noch dafür feiern - löst das in den meisten Fällen eher Cringe-Gefühle aus. "Schrank voll Drugs, das ist Landwirtschaft / meine Sucht kostet mehr Grünzeug als ein Valentinstag." ist da noch eine der besseren Lines, die Kappas Gras-Verbrauch betreffen.

Dazu kommt, dass der Rapper sich zur gleichen Zeit als fürsorglicher Vater zu inszenieren versucht. "Daddy Crazy" richtet sich sogar so halb an seine beiden Töchter und entwirft ein bizarres Bild von einem Vater im Verfolgungswahn, der seinen Kindern vor allem Feindseligkeit indoktriniert: "Wenn sie euch erzählen euer Daddy sei crazy dann sagt ihnen 'Fickt euch, ihr wisst nicht was ihr redet'" - "Mit der Scharfen unterm Kissen zähl' ich mit euch die Schäfchen" - "Nur hab ich ein Problem mit andern Kindern die euch drangsalieren / denen kann ich kein Leid antun - dafür könnt ihr."

Diese Kombination ergibt leider kein wunderbar atmosphärisches Album, das bizarre, aber unterhaltsame Geschichten erzählt - wofür Genetikk einmal bekannt waren. Stattdessen gibt "Outta This World 2" das Gebrabbel eines hängengebliebenen, ein wenig paranoiden Mannes wieder, der sich offensichtlich schwer tut, seinen Platz zwischen Rap-Alter-Ego und realer Vaterfigur zu finden.

Wie groß die Verwirrung und Überblendung zwischen den beiden Rollen ist, zeigen die Verse in "Stickstoff": "Baby, let's cosplay, ich bin das Monster tief drin in dei'm Loch Ness / Mickey die Ratte belagert Versailles / L'état, c'est moi / Paris spielt für den Scheich / Die Nam'n meiner Töchter: Marie und Johanna / Läute dein Ende ein mit zwei großen Glocks - Notre Dam - Kappa."

Mal abgesehen davon, dass dem Bild, das er hier versucht zu zeichnen, an sich schon schwierig zu folgen ist, verwirrt das Namedropping nur noch mehr. Was haben zwei Kinder im Kleinkindalter (ja, auch das erfahren wir auf diesem Album), mit Cosplay, Diktator-Fantasien, einem Fußballclub und Killer-Szenarien zu tun? Vermutlich genauso viel wie Bill Gates mit der Weltverschwörung. Wir können uns allerdings sicher sein, dass Kappa es uns auf der nächsten Fortsetzung eines früheren Albums erklären wird.

Trackliste

  1. 1. Wazzup Earthlings (Intro)
  2. 2. Erster F*kk
  3. 3. Kappa Vs. Fabio
  4. 4. Hoes Floes Moneytos Dope
  5. 5. Ultraviolett
  6. 6. Paffi Paff
  7. 7. Kappa Alpha Ruff
  8. 8. Stickstoff (Feat. Gringo)
  9. 9. Lass Brennen (Feat. Mortel)
  10. 10. Wieviele
  11. 11. Spiel Diese Musik
  12. 12. Nah Dran
  13. 13. Megaman
  14. 14. Daddy Crazy

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6 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Also ich versteh die Kritik ja, Kappa labert ja echt viel Blödsinn und in erster Linie auch einfach nur langweiliges Zeug. Aber bei einem Album was mit die besten Beats die es in Deutschland so gibt hat, und ausnahmslos gut gerappt ist sollten doch 3/5 drin sein. Ich mein mit 2/5 ist das Album hier auf einer Stufe mit dem neuen KMN Ding, das schon frech

  • Vor einem Jahr

    Musik für Django, Chris und den lautuser. 1/5

  • Vor einem Jahr

    Zu wenig Anerkennung für Genetikk. :o Nur weil die zu viel durchziehen. :/

  • Vor einem Jahr

    Für mich 3/5. Ist halt durchschnitt wie alle Genetikk Alben der letzten Jahre. Muss aber sagen dass ich nicht unbedingt der Meinung bin das Genetikk beat-technisch einen krass eigenen Sound haben. Für deutsche Verhältnisse ist dass zwar sehr experimentell und die Beats sind durchweg sehr gut. Dennoch finde ich dass man das meiste schon mal so ähnlich bei beliebigen Ami Rappern gehört hat. Da finde ich Kappa's Art zu rappen mehr einzigartig.

    • Vor einem Jahr

      Ich muss leider auch gestehen, dass ich dieses "Sikk-macht-die-krassesten-Beats"-Ding irgendwann für ein Meme gehalten habe, weil als soooo bahnbrechend habe ich die nie empfunden, auch nicht im Hinblick auf das Mixing. Da ist schon viel sehr gutes dabei, aber nie in dem Sinn originell, dass ich ihn auf ein Podest im Verhältnis zu anderen stellen würde. Da erscheinen mir Drunken Masters, Dexter und The Krauts z. B. eigenständiger, obwohl mir von besagten auch nicht immer alles gefällt.

  • Vor einem Jahr

    Wenn die alles, was die an geilen Tracks in den letzen 10 Jahren veröffentlich haben bündeln würden, wärs ein richtig geiles Banger Album, aber leider haben sie es halt auf gefühlt 10 Alben verwässert. Unabhängig von ihrer Psychose schade, dass die bei den Anlagen so im Mittelmaß versinken, weil Karuza bei der geilen Stimme nichts zu erzählen hat.

  • Vor einem Jahr

    "Hoes Flows Moneytos Dope" ist ein Knüllertrack, die sollen mal ein Album voll sowas machen. Aber wie sonst auch ist mir auf Albumlänge viel zu viel dabei, was mir garnicht gefällt.