laut.de-Kritik
Zwischen Drecksau-Gitarren und Chanson.
Review von Hannes WesselkämperMit Vocoder, trashigen Synthie-Sounds und mörderischen Riffs sind Ghinzu bestens ausgestattet, um ein weiteres No-Wave Feuerwerk zu zünden. Querverweise auf alle möglichen Genres haben sie ebenfalls im Gepäck - von Stoner-Rock bis Klavierballade wurde kaum etwas ausgelassen. Solch eine bunte Mischung birgt aber auch das Risiko des Verwässerns des eigenen Sounds.
Die Belgier präsentieren mit "Mirror Mirror" erst ihr Drittwerk, nach zehn Jahren Bandgeschichte ist das nicht gerade Massenproduktion. Aber was hat man als ordentliche Post-Wasauchimmer-Band schon mit den Massen zu tun? Nüscht! Die Wartezeit konnten sich Fans ja immerhin mit den Soundtracks zu den Filmen "Irina Palm", "96 Hours" oder der musikalischen Untermalung des Gewaltzenits in Koen Mortiers "Ex Drummer" vertreiben.
"You lose your gloss between the sheets / a bitch is born she's now my queen", der Opener "Cold Love" gibt textlich bereits die Richtung des Albums vor. Den aufmerksamen Hörer beglücken die Belgier mit allerlei nicht-jugendfreien Texten. In "Dream Maker" gibt sich Sänger John Stargasm beispielsweise als verführerischer Teufel, der gegen eine Unterschrift seines diabolischen Vertrags eine wunderbare Welt verspricht: "Sign the paper, life is bright / get your dirty credit, I'm your guide".
Musikalisch oszilliert der Longplayer zwischen artsy Post-Core und überraschend kohärenten Indie-Liedchen. Der Titelsong "Mirror Mirror" verkörpert diesen Dualismus am deutlichsten: Während eine über-epische Gitarrenflut den Zuhörer in feinster Desert Rock-Manier ungespitzt in den Boden hämmert, fällt der Song beim Refrain zusammen wie ein Soufflé.
Übrig bleibt nur Hi-Hat-Getapse. John Stargasm mutiert zu einer Schande für seinen so spacigen Namen, indem er das allgegenwärtige Genöle anglophoner "The"-Bands annimmt. Nicht sehr attraktiv! "Let me in, let me out / swallow me slowly" – äh, nein danke!
Auch "Take It Easy" klingt in Folge des Knallers zum Auftakt "Cold Love" zu langweilig, zu sehr frühe Arcade Fire statt Health. Zuschreibungen, die mit Post-, Psych- oder Prog- beginnen, stehen Ghinzu wesentlich besser. Deshalb entlässt man den Zuhörer auch gebührend mit den letzten fünf Songs des Albums.
Treibende Bass/Schlagzeug-Rhythmen sowie dröhnende Synthesizer und Drecksau-Gitarren stehen zum Ende des Albums Spalier. "Je T'Attendrai", das einzige französisch gesungene Stück, bietet eine ambivalente Mischung aus Monster Magnet und Chanson. Das Ganze dann durch den Vocoder gepresst und fertig ist das Ding.
Nach "Kill The Surfers", das klingt als hätte man QOTSA nach Belgien verfrachtet, schließt "Interstellar Orgy" die CD. Jegliche Beschreibung dieses epischen Stückes steckt bereits im Titel. Sechs Minuten lang changieren Ghinzu zwischen Neuer Musik und Ambient-Drone.
Doch auch diese Audiodroge kann nicht über Schwachstellen des Albums hinwegtäuschen. Allzu oft zeigen sich die Belgier zahnlos, was im Vergleich zu den durchaus vorhandenen Highlights eine enorme Fallhöhe ergibt.
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