laut.de-Kritik
Glorreicher Gammler-Rap.
Review von Anastasia HartleibWenn ein Rap-Album mit einem Western-Sample beginnt und mit einem Punk-Song aufhört, kann es eigentlich nur wild werden. Und wenn wild nicht nach Gossenboss mit Zett klingt - was sonst??
"No Future" startet verdammt gut. Besagtes Western-Sample des Openers und Titeltracks wirkt frisch und setzt genau den richtigen Einstiegston: Gosse gegen den Rest der Welt, oder zumindest gegen den Rest Rapdeutschlands, im Friss-oder-Stirb-Duell. Zu dem ziemlich gelungenen Beat gesellt sich der sympathische Humor des Dresdners, der über das Album hinweg für den einen oder anderen Schmunzler sorgt: "Zu sagen, ich liefer' die Hits, wäre gar nicht mal so klug / aber sich zu reflektier'n hat mit Hip Hop nix zu tun."
Genauso munter geht es weiter. "Fünf Minuten" glänzt mit einem Saxophon-lastigen Sample, das aus einer schwarz-weißen Liebesschnulze der 20er stammen könnte, sich dann hervorragend in einen rohen, rotzigen Beat einfügt und immer noch genügend Platz für Gosses beißende Selbstironie lässt. "Ey, wer hätte das gedacht, jetzt bin ich alt und vernünftig / doch sogar Tupac wäre jetzt schon fast 50 / nur hat der nicht so viel Scheißmukke gemacht und völlig übermotiviert jeden Schmutz rausgebracht."
Thematisch bleibt "No Future" eher klassisch. Neben der notorischen Selbst- und Szenenzerpflückung bietet das Album mit "Angst" den obligatorischen Anti-Wutbürger-Song, behandelt den übermotivierten Spießbürger "Karl Heinz" und macht sich über all die Möchtegerns lustig, die vom "Fernsehturm" faseln, aber in Merseburg wohnen. Dass sich Gosse inhaltlich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnt, macht erst einmal nichts, denn: Er ist dabei verdammt unterhaltsam. Seine Reime und Witze machen einfach Spaß, genauso wie seine Delivery. Die Beats erklingen vielfältig und harmonisch. Auch die Features erweisen sich als die perfekten Gäste, Kollege Hartmann, Milli Dance und Danger Dan fügen sich hervorragend in den Flow des Albums ein, ohne unangenehm aufzufallen.
Auf den zweiten Blick entpuppt sich diese Harmonie allerdings doch noch als etwas trügerisch. Denn so kohärent Sound und Inhalt wirken, so schnell hat man sich auch durchgehört. Gossenboss hat mit seinem glorifizierenden Gammler-Rap definitiv seine Sparte gefunden, doch die Sparte gibt eben relativ wenig Raum für Bandbreite. Je öfter man das Album hört, desto schneller verliert es seine Energie, die der Rapper zu Beginn so motiviert in den Raum wirft. Ähnlich bei den Beats: Diese sind alle durchweg hörbar und ergeben ein sehr stimmiges Bild, allerdings bleibt die Varietät auch hier auf einer bestimmten Schiene - mal abgesehen vom Punk-Song am Schluss.
Nichtsdestotrotz merkt man "No Future" an, dass Gosse ziemlich viel Spaß am Rappen hat - was dazu führt, dass man beim Zuhören mindestens genauso viel Spaß hat. "Was ich schreibe, kannst du deinen Schwiegereltern nicht zeigen, denn ich rappe für Trottel, die wie ich den ganzen Tag nix reißen." Wer hiernach sucht, wird mit "No Future" definitiv mehr als zufrieden sein.
1 Kommentar
Alter, dieser deutsche Flowkonformismus...Biten ist ja gar kein Thema mehr, aber ne Spur eigenständig und dope sollte ich doch schon für mich selbst klingen wollen