laut.de-Kritik

Grantelnd und giftig: Volksmusik mal anders.

Review von

Grantler ist ein schönes bayerisches Wort für einen Menschen, der mürrisch den aktuellen Weltzustand kritisiert. Gutmensch ist ein hässliches deutsches Wort für einen Menschen, den man dafür verspottet, gute Dinge gegen den aktuellen Weltzustand zu tun. Hans Söllner ist wohl irgendwie beides, denn im Grantel-Modus gibt er auf seinem letzten Album "Genug" auch viele angebliche und vermeintlich naive Gutmenschen-Gedanken zum Besten. Und es soll wirklich sein allerletztes sein, wie der Liedermacher ankündigt.

Altersmilde hat den 62-Jährigen aber nicht ergriffen, er ist vielmehr wütend, für ihn ist es "genug". Und er poltert mit reichlichen bayerischen, irgendwie barock anmutenden Schimpfwörtern garniert, gegen die rechten Umtriebe im Land.

So singt er beispielsweise im Lied "Rassist": "Du Scheißrassist, schau, dass di schleichst, des is mei Heimat und ned dei Reich". Und er rät den Rechten im Altersheim recht drastisch "einer deutschen alten Frau ihren deutschen alten Arsch zu waschen", ansonsten sollte dieser besser die "Fotzn" halten.

Die Musik auf "Genug" ist klassisches Protest-Liedermacher-Gut: Roh und reduziert singt Söllner mal verzweifelt, mal verletzlich, aber meistens stinksauer seine Zeilen in Begleitung seiner Akustikgitarre oder seiner Mundharmonika. Die Melodien sind einfach gestrickter Volkslied-Punk, die Texte hemdsärmelig im Volkssänger-Stil gehalten – alles handgemacht und heimatverbunden eben.

1983 begann Söllner seinen Kampf gegen den bayerischen Staat, er ist prozesserprobt und er ist der kiffende Reggae-Bayer – ein Widerständler, der mittlerweile genauso zur bayerischen Folklore gehört wie Franz Josef Strauß. Vielleicht will Söllner diese Rolle deshalb nicht weiterspielen, er will nicht zu Gaudi-Zwecken missbraucht werden – auch deshalb ist "Genug" ein ziemlich ernstes Album geworden.

Die Lieder zu Themen wie Geflüchtete, Rechtsradikale, Krieg und Armut eignen sich nicht zum Schunkeln im Bierzelt. Die Mass bleibt im Hals stecken, wenn Söllner singt: "Eure Dummheit ist Euer Grab" und "I kann Euch nicht mehr helfen und I red a nur gescheid daher".

Trackliste

  1. 1. Rassist
  2. 2. Flucht
  3. 3. Im Schatten
  4. 4. Biff Baff
  5. 5. Lotta
  6. 6. Genug
  7. 7. Macht euch schön
  8. 8. McMörfi
  9. 9. Straßenmädchen
  10. 10. 21. Dezember
  11. 11. Untersberg II
  12. 12. A kloans Herz
  13. 13. Rassist (Live auf dem Afrika-Karibik-Festival in Wassertrüdingen)

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