laut.de-Biographie
Harry Belafonte
Sein Name bleibt für immer mit karibischer Leichtigkeit und groovy Calypsorhythmen verbunden. Chart-Topper wie "Day-O (The Banana Boat Song)", "Mathilda" oder "Island In The Sun" gehören auch heute noch zum kulturellen Allgemeingut, mit dem jedes Kind früher oder später einmal in Berührung kommt. Dabei beschränken sich die Talente des Harold George Belafonte Jr. längst nicht nur auf die Musik. Der "King of Calypso" versucht sich erfolgreich als Clubbetreiber und gelangt als schwarzer Schauspieler zu Weltruhm, was vor dem Civil Rights Movement eher die Ausnahme, denn die Regel ist. Respekt verdient Belafonte aber vor allem für sein beständiges soziales Engagement. Ohne Rücksicht auf seine Karriere setzt er sich immer wieder für die Belange der Afro-Amerikaner ein, nutzt seine Popularität, um für eine gerechtere Welt zu streiten. Unbeirrt geht er seinen Weg. Gegner, die ihm Vorwerfen Jazz, Calypso und Folkmusic zu einem chart-kompatiblen Brei zu verkochen lädt der streitbare Entertainer gerne zum Schlagabtausch: "Anyone who tries to stop me with nonsense about what is or isn't commercial is in for a fight."
Kämpfen muss Belafonte, der am 1. März 1927 im New Yorker Stadtteil Harlem als Sohn karibischer Eltern zur Welt kommt, beinahe von Geburt an. Der Vater verlässt die Familie nach wenigen Jahren, so dass Belafontes Mutter beschließt mit ihrem neunjährigen Sohn nach Jamaika zu gehen, wo sie für einige Jahre bleiben. Noch nicht volljährig kehrt Belafonte zurück nach New York, heiratet kurze Zeit später und versucht sich fortan in der Rolle des Entertainers; keine leichte Aufgabe im Amerika der Rassentrennung. In einem Club im Greenwich Village, wo sich um 1950 allerlei Künstler, Drogensüchtige und Gestrandete tummeln, begeistert Belafonte zu später Stunde das Publikum mit der ihm eigenen stilistischen Vielfalt und seinen Entertainerqualitäten, was ihm ein Engagement im berühmten Jazz Club Village Vanguard einbringt. Die ersten Sprossen der Karriereleiter sind gemeistert. 1954 etabliert Belafonte sich als Filmstar und Musiker. Er bekommt eine Rolle in dem Streifen "The Bright Road" und schafft ein Jahr darauf mit der Hauptrolle in "Carmen Jones" den Durchbruch. Die Single "Mathilda" debütiert auf Anhieb in den Charts.
Es dauert jedoch noch zwei Jahre bis Belafonte 1956 mit seinem Album "Calypso" Popgeschichte schreibt. Die karibischen Rhythmen treffen bei seinen Zeitgenossen auf offene Ohren lösen einen wahren Calypso-Boom aus. Belafonte, fortan der "King of Calypso", wird mit "Day-O (The Banana Boat Song" bereits in jungen Jahren zur unsterblichen Ikone, auch wenn er dem plötzlichen Ruhm mit kritischer Distanz begegnet. So nutzt er seine Popularität, um den Film "Island In The Sun" zu drehen; ein Liebesgeschichte zwischen einem schwarzen Mann und einer weißen Frau. Gleichzeitig wird sein Album "Belafonte At Carnegie Hall" zum Dauerbrenner in den Charts. Volle drei Jahre steht es hoch in der Käufergunst und Harry Belafonte steigt bis zu Beginn der 60er Jahre zu einem der berühmtesten afro-amerikanischen Künstler auf. Auf dem Album "The Midnight Special" gibt der unbekannte Bob Dylan sein Debüt. Belafonte nutzt seine Popularität und kämpft aktiv gegen die Diskriminierung Schwarzer, steht der Kennedy Administration als Berater zur Verfügung und nimmt an der Seite von Martin Luther King mit Hundertausenden Bürgerrechtlern am historischen "Marsch auf Washington" teil.
Musikalisch lässt Belafonte den Calypso hinter sich, probiert Neues aus. Er nimmt ein Gospel-Album auf, versucht sich als Pop-Entertainer und frönt weiterhin seiner Liebe für Folkmusic, auch wenn die Spitzenpositionen der Charts inzwischen von den Beatles und den Rolling Stones dominiert werden. So konzentriert sich Belafonte vor allem auf die Schauspielerei und stellt sich immer wieder in den Dienst des Civil Rights Movement.
Zu Beginn der 80er Jahre kehrt Belafonte ins Rampenlicht zurück, einmal mehr in der Rolle des sozial engagierten Musikers. Belafonte erzählt seinen Freunden Michael Jackson, Quincy Jones und Lionel Richie von der Idee eine Benefizsingle für die hungernde Bevölkerung in Afrika auszunehmen. Die drei sind von "USA for Africa" begeistert und machen sich gleich ans Werk. So entsteht in einer Session "We Are The World", das sich millionenfach verkauft und dem unpolitischen Image der Popmusik ein für alle Mal eine Absage erteilt. Kein Wunder, dass Nelson Mandela sich bei seinem Besuch in den USA gerne an der Seite von Harry Belafonte zeigt, der in der Rolle des Gastgebers aufgeht.
1988 nimmt Belafonte, nach Jahren der Abstinenz, mit "Paradise In Gazankulu" endlich wieder ein neues Album auf, tourt in der Folge wieder regelmäßig und beglückt seine Fans auch weiterhin auf der Leinwand. In den 90ern erleben Harry Belafonte und seine Musik eine Renaissance. Die junge Generation entdeckt den "King of Calypso" für sich. So werden die Konzerte Belafontes zum generationenübergreifenden Erlebnis, was den zweimaligen Großvater mit besonderem Stolz erfüllt. In der Rolle des UNICEF-Botschafters wird im international Anerkennung für sein jahrelanges soziales Engagement gezollt, das bei Belafonte nie im Widerspruch zu seiner Karriere als Musiker und Schauspieler steht.
Im Streit um die so genannten "weapons of mass destruction" im zweiten Irak-Krieg 2002/03 fetzt sich der Pop-Promi mit der Bush-Regierung. Er wirft Außenminister Colin Powell und Condoleezza Rice vor, die Interessen der afroamerikanischen Bevölkerung zu verraten und sich neo-kolonialistisch aufzuspielen. Die 'Sicherheitsberaterin' und spätere Außenministerin entgegnet im Bush-hörigen TV-Sender Fox News, "ich brauche keinen Harry Belafonte, der mir erzählt, was es bedeutet schwarz zu sein."
Parallel tritt sein großes Projekt "The Long Road To Freedom: An Anthology of Black Music" etwas in den Schatten der 9/11-Dramatik. Dabei hatte er wahnsinnig viel Zeit und Mühe in das monumentale Unterfangen geschickt. Die 5-CD-plus-DVD-Box entstand gedanklich und auf Magnetband bereits zwischen Ende der Fünfziger und Anfang der Siebziger. Dann aber wurde die Größe des Projekts ihm zum Verhängnis, weil die Plattenfirmen keine Erfahrung im Vermarkten solcher Musikgeschichts-Pakete hatten. Erst 2001 traut sich ein Mitarbeiter der BMG an das Vorhaben ran.
Der Inhalt soll den Ursprung und die Entwicklung afroamerikanischer Gesänge nachzeichnen, und zwar möglichst vielschichtig: "Von Anfang an – als wir noch in Afrika waren bis zur Jahrhundertwende um 1900", so Harry im Booklet. Planmäßige Veröffentlichung: 11.09.2001, ausgerechnet ... Ein zweiter Anlauf bringt ihm immerhin eine Grammy-Nominierung ein, offiziell fürs 'historische Album', eigentlich für gutes Edutainment. "Alle Lieder, die von dieser Geschichte kündeten: von der Sklaverei, der Arbeit auf den Plantagen, den Bedingungen des Sklavenlebens unter den Frauen und Kindern" seien vertreten, so Belafonte als Kurator der Mega-Compilation. "Die Arbeiterlieder, die Musik, die von der Auflehnung gegen die Sklaverei erzählt. Und schließlich die Musik des Bürgerkriegs und die Lieder aus der Zeit danach, als die Schwarzen die Plantagen des Südens verließen und in den industrialisierten Norden zogen. Und dort die einzige amerikanische Kunstform kreierten: den Jazz."
Im Oktober 2003 tritt Belafonte mit 75 von der Bühne ab. Später, nachdem er im langjährigen Streit mit der Bush-Administration hartnäckig dabei bleibt, dass Streit und Meinungsverschiedenheiten Kern einer Demokratie seien und George W. Bush Kriterien eines 'Terroristen' erfülle, fragt man den Musiker noch mal zu seiner Sicht auf Afrika. Im Dokumentarfilm "Motherland" kommt Harry ausführlich zu Wort. Das Medium liegt ihm, der selbst einmal einen Film über den frühen New Yorker Hip Hop gedreht hatte.
In seinem 85. Lebensjahr ehrt die Kino-Doku "Sing Your Song" sein Schaffen und das, was er gesellschaftlich erreicht hat. Im Gespräch mit dem San Francisco Chronicle merkt Belafonte zum Zustand der Welt an: "Es geht mir nicht nur darum, dass Männer mit einem kranken Willen raffgierig gehandelt haben, sondern ich sehe auch einen weiteren Umstand: Leute, die ihre Position genießen, versuchen sie um jeden Preis zu behalten. Sie wollen das System so lassen, wie es ist. Und dafür müssen sie die Welt ihrem System anpassen, statt ihr System an die Welt. Wenn ich mir aber anschaue, was im Nahen Osten geschieht, Bevölkerungen, die gegen unterdrückerische Regimes aufbegehren, ist das ein sehr viel versprechendes Zeichen, dass Leute in Bewegung sind."
2016 erlebt die US-Öffentlichkeit Belafonte noch mal in einer wichtigen Rolle, als Fürsprecher und Wahlkämpfer des verhinderten Präsidentschafts-Kandidaten Bernie Sanders. Mit der tatsächlich antretenden Hillary Clinton hatte Harry es sich lang zuvor schon wegen seiner straighten Art verscherzt. 2018 werden er und seine Gesangskollegin Odetta im Spielfilm "BlacKkKlansman" vom Spike Lee dabei gezeigt, wie der Ku-Klux-Klan sie auf dem Kieker hat.
In den Folgejahren büßt er allmählich an Augenlicht ein und zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Am 25. April 2023 stirbt Belafonte im Alter von 96 Jahren in New York an Herzversagen.
Er hinterlässt außer seinen Kindern acht Enkelkinder, zwei Urenkel, zirka 35 Studioalben, mehrere berühmte Live-LPs, einige valide Quellen zur Geschichte von Hip Hop und weiteren afroamerikanischen Musikstilen, zur Entwicklung Afrika, Amerikas und der Karibik im 19. und 20. Jahrhundert, und etliche markante Statements: "Die US-Außenpolitik hat ein Wrack aus diesem Planeten gemacht" - "Wofür ist ein Gewissen gut, wenn es nicht geweckt wird?" - "Meine Kunst gab mir die Plattform für meinen Aktivismus."
3 Kommentare
Harry hat mein Leben intensiver geprägt, als mein Vater! Mein Empathieempfinden ist durch Harry sensibilisiert worden. Ein wunderbarer Mensch, mit einer wunderbaren Stimme! Amerika hat kaum bessere Amerikaner! Herzlichen Glückwunsch zum 90. Harry!- Vom Willmut aus Deutschland
Ich habe Dich in Rostock persönlich erlebt. Es war wunderbar! Bleibe gesund und streitbar!
Ich wurde erst jetzt Fan von Harry Belafonte, dafür werde ich das für immer bleiben.
Er ist ein herausragendes Talent und dazu einer der schönsten Männer ever. Toll, dass man seine Stimme und seinen wunderbaren Gesang noch hören und seine Auftritte noch ansehen kann !