laut.de-Kritik

Sags mit Legat: "Niveaulos, charakterlos, schamlos."

Review von

DSDS, nervtötende Billig-Handytarif-Werbespots, das ach-so-verbotene Album, dann gleich noch eins und noch eins davon ... Alles, das Heino in den letzten Jahren anpackte oder mit sich hat machen lassen, führt zu einer Frage: Wie teuer ist einem Menschen wohl seine Würde?

Sehr viel kann dem bekanntesten deutschen Schlagerbarden die seine nicht wert gewesen sein, so rasant, wie er zur Karikatur seiner selbst mutiert. Oder er hat Geldsorgen von exorbitanten Ausmaßen. Oder er kriegt tatsächlich gar nichts mehr mit. Andere Erklärungen für "Arschkarte" fallen mir echt nicht ein. Jetzt singt er also Fußball-Lieder. Darauf hat das Land gewartet.

Immerhin: Das Machwerk reiht sich stimmig unter Heinos letzte Aktionen. Es passt außerdem prima in die heraufdämmernde Prä-EM-Zeit, in der man durch keinen Supermarkt mehr laufen kann, ohne dass einen die schwarzrotgüldenen Fähnchen und Fußbälle schockweise von jeder Produktverpackung vom Frischkäsebecher bis zum Klopapier-Vorratspack herab entgegen wedeln oder kullern.

Dass der singende Zuckerbäcker - zumindest mir - bisher nicht mit besonders augenfällig glühender Affinität zum runden Leder aufgefallen ist: geschenkt. Das verhält sich bei Frischkäse und Klopapier ja auch nicht großartig anders. Allerdings scheint auch sonst niemand, der diese Platte mit ausgebrütet hat, auch nur ein Tröpfchen Herzblut für das Thema Fußball vergießen zu wollen.

Von der drögen Songauswahl über die musikalische Umsetzung bis zum gleichmütigen Vortrag: Nirgendwo glimmt ein Funken Begeisterung. Das schlicht nicht vorhandene Coverartwork setzt der lieblosen Veranstaltung konsequent die Krone auf. "Junge, jetzt haste die Arschkarte gezogen." Die einleitenden Worte kann, wer sich gezwungenermaßen mit diesem Scheißdreck befassen muss, nur als berechtigte Warnung auffassen.

Elf Titel umfasst die Tracklist. Höhö! Elf! Sie verstehen! Elf!!! Schon darin steckt der erste Etikettenschwindel. Bei In- und Outro, über die Maßen kreativ "Anpfiff" und "Abpfiff" betitelt, handelt es sich gerade einmal um das "Oooh-oh-oh-oh-oh-ooooh-oooh" aus der White Stripes' "Seven Nation Army", ohne das offenbar kein Stadion mehr auskommt. Ein bisschen Publikumsgejohle dazu, fertig.

Innovativ ist anders, aber immerhin kürzt das die quälende Veranstaltung ein wenig ab. Die an Ranzigkeit kaum zu überbietende Zusammenstellung kommt einem auch so schon lang genug vor: "Fußball Ist Unser Leben" trifft auf "Schwarz Und Weiß" und den klassischen Schnipsel aus der klassischen Radioreportage vom klassischen deutschen WM-Sieg 1954: "Aus! Aus! Aus!" Das Spiel ist an dieser Stelle leider mitnichten bereits aus.

Gehts vielleicht ein bisschen aktueller? Die Sportfreunde Stiller machen doch immer irgendwas mit Fußball, deshalb: "54, 74, 90, 2010". Den Bayern kann man zwar vieles ankreiden (falscher Verein, falsche Mucke, Peter Brugger kann null singen ...), nicht jedoch, dass ihnen die Leidenschaft für den besungenen Sport fehlte. Heino bringt zwar eine geschulte, sonore Gesangsstimme mit, brennt aber halt weder für den Fußball, noch - wie Lotto King Karl - für Hamburg, was "Hamburg, Meine Perle" aus seinem Mund ebenfalls zu einer recht anämischen Angelegenheit macht.

"Buenos Dias Argentina", das einst Udo Jürgens zusammen mit der Nationalmannschaft anstimmte, nehmen die Verantwortlichen ins langweilige Programm, außerdem "Samba De Janeiro". Wen juckt schon, dass eine Europa(!)-Meisterschaft ins Haus steht?

Nahezu jede Nummer will mit Ach und Karacho und rockigen E-Gitarren schmissig klingen, "frech" vermutlich, und - Gangsta! - wieder ungeheuer "verboten". Die Resultate bergen dann aber ungefähr so viel Punkrock wie ein Ramones-T-Shirt von C&A.

"You'll Never Walk Alone" haben sich schon so viele unter den Nagel gerissen, da kommt es auf einen mehr kaum noch an. Heino schiebt der Hymne, die eigentlich ins Stadion an der Liverpooler Anfield Road (und nur dahin) gehört, auch noch hemmungslos einen deutschen Text unter. "Was Wollen Wir Trinken (Sieben Tage Lang)"? Egal. Hauptsache Alkohol, und davon viel.

Es steht zu befürchten, das diese Platte auf den besoffenen Fanmeilen, diesen widerlichen Massenauftrieben lauthals "Schlaaaand!" lallender Event-Fans, den Sommer über rauf- und runterdudeln wird. Da, wo der ganz, ganz üble Ausverkauf wohnt. Ich sags mal mit dem großen Instinkttrainer Thorsten Legat: "Dafür fällt mir nur ein Wort ein: niveaulos, charakterlos, schamlos."

Trackliste

  1. 1. Anpfiff
  2. 2. Fußball Ist Unser Leben
  3. 3. Boenos Dias Argentina
  4. 4. Was Wollen Wir Trinken (Sieben Tage Lang)
  5. 5. 54, 74, 90, 2010
  6. 6. Samba De Janeiro
  7. 7. Hamburg, Meine Fußballperle feat. Lotto King Karl
  8. 8. Schwarz Und Weiß
  9. 9. Es Gibt Nichts Auf Der Welt
  10. 10. Allein Bist Du Nie (You'll Never Walk Alone)
  11. 11. Abpfiff

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20 Kommentare mit 28 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    So ein Quatsch, Heino ist ein Ehrenmann! Der wird hier doch aus Prinzip schlecht bewertet, nur weil er deutsch singt. Vielleicht sollte Hr. Fromm lieber weiter seine Hottentotten-Musik hören, dafür reicht es bei ihm gerade noch; Heino hingegen versteht er offensichtlich nicht. Album 5/5, Rezension 1/5.

    • Vor 7 Jahren

      Man, echt nun! Das du ihn deinen Alter tatsächlich mal ein paar Ironie befreite Zeilen hin bekommst! Wer hätte das gedacht? Dieser Abschnitt mit dem Herrn Fromm insbesondere, alle Achtung, das kann auch nicht jeder!

      Fakten, Fakten, Fakten

      P.S.: Wer waren die Hottentotten? Und haben sie Musik gemacht?

    • Vor 7 Jahren

      Schlechte Musik wird hier doch nur aus Prinzip schlecht bewertet!

    • Vor 7 Jahren

      Santiago wenn du dich jetzt künstlich reinsteigerst nehme ich's persönlich!

  • Vor 7 Jahren

    da heino ja im hohen alter urplötzlich seine begeisterung für die eher harten klänge entdeckt hat,er aber offensichtlich keine ahnung hat, was er da macht,wäre es doch ein spass gewesen, wenn es den verantwortlichen producern iwie gelungen wär, ihm hinsichtlich des nächsten em gastgeberlandes, die deutsch-französische freundschaftshymne "frankreich 84" unterjubeln zu können.
    das dann sonntags morgens als premiere vor nichtsahnenden publikum im zdf fernsehgarten intoniert.
    böhmermann wär mit einem schlag aus der schusslinie, und für die singende herrentorte wär dann karrieremäßig auch endlich mal finale :lol: