laut.de-Biographie
Heino
Nach einem halben Jahrhundert im Musikgeschäft, mehr als tausend aufgenommenen Liedern und über 50 Millionen verkauften Tonträgern wechselt der "VW der deutschen Schlager-Branche" Anfang 2013 überraschend noch einmal auf die Überholspur und lässt alle anderen hinter sich. Mit freundlichem Support der Bild-Zeitung erreicht Heino mit seinem Coveralbum "Mit Freundlichen Grüßen" erstmals in seiner langen Karriere Platz eins der deutschen Album-Charts. Grund genug, das Ding wenige Monate später gleich noch einmal aufzulegen.
Geboren am 13. Dezember 1938 in Düsseldorf, verbringt Heinz Georg Kramm seine ersten Lebensjahre bis zum Kriegsende gemeinsam mit seiner Mutter und seiner älteren Schwester in Pommern. Der Vater fällt bereits 1941 an der Ostfront.
Handwerk hat goldenen Boden: Der Junge absolviert eine Ausbildung zum Bäcker und Konditor. Bereits als Lehrling formiert er gemeinsam mit zwei Kollegen aus der Backstube das Trio Sokrahe und schmettert Hits von Freddy Quinn.
Die Ehe, die er im zarten Alter von 21 Jahren mit der erst 18-jährigen Henriette eingeht, beschert ihm Sohn Uwe (der als "Heino Junior" seinerseits einige Platten aufnimmt) und 1962 die erste Scheidung. In diese Zeit fällt ganz nebenbei der Debüt-Auftritt: 1961 mit seiner Band Trio OK Singers.
Den Frauen scheint Heino - mit Ausnahme seiner langjährigen dritten Ehefrau Hannelore - wenig Glück gebracht zu haben. Seine Jugendliebe Karin Theilenberg bringt 1968 Heinos uneheliche Tochter Petra zur Welt und nimmt sich zwanzig Jahre später das Leben. Gefundenes Fressen für die Klatschpresse: 2003 tut es Petra Bell ihrer Mutter gleich. Auch die zweite Ehe, geschlossen 1965 mit Lilo Dahmen, wird 1978 geschieden.
Als weit langlebiger erweist sich eine andere Verbindung: Karl-Heinz Schwab, besser als Ralf Bendix bekannt, entdeckt Heino, als dieser auf einer Modenschau auftritt. Er nimmt den jungen Sänger unter seine Fittiche und wird für lange Jahre sein Produzent. Gleich die erste Veröffentlichung "Jenseits Des Tals" von 1966 (eigentlich die B-Seite der Single) wird ein Hit und verkauft sich über 100.000 Mal. 1967 folgt die erste in einer schier unendlichen Reihe von Langspielplatten.
Heino befindet sich in den späten 60ern ununterbrochen auf dem aufsteigenden Ast. Hits wie "Bergvagabunden" und "Karamba, Karacho, Ein Whisky" pflastern seinen Weg. Mitte der 70er ist der Zenit erreicht. An "Schwarzbraun Ist Die Haselnuss" oder "Die Schwarze Barbara" führt kein Weg vorbei.
Unter Heinos größte Erfolge ist zweifellos "Blau, Blau, Blau Blüht Der Enzian" von 1972 zu rechnen, eine schlagermäßige Bearbeitung des Volkslieds "Wenn Sonntags Früh Um Viere Die Sonne Aufgeht". Noch Dekaden später kennt diese Nummer jedes Kind, nicht zuletzt, weil Heino sie 1988 in einer Rap-Version wieder aufleben lässt, die ihm quasi über Nacht ein jüngeres Publikum zuführt. Daneben interpretiert Heino zuweilen auch klassische Melodien wie das "Ave Maria" von Bach oder Mozarts "Ave Verum".
Eine Augenkrankheit hat ihre positiven Seiten: Die dunkle Sonnenbrille, die Heino seit den 70ern trägt, avanciert zu seinem Markenzeichen. Neben Auftritten in zahllosen Fernsehsendungen ist Heino zwischen 1977 und 1979 in seiner eigenen ZDF-Show "Sing mit Heino" zu sehen.
Immer wieder muss sich Heino den Vorwurf der Deutschtümelei gefallen lassen. Nicht nur, dass die "singende Eiche" die Heimat, die Seefahrt und die Berge zum Thema macht und Unmengen von Volks-, Fahrten- und Wanderliedern interpretiert: Heino istn 1977 auch der erste deutsche Künstler, der die Nationalhymne auf Schallplatte einsingt. Unter diesem historischen Aspekt betrachtet erscheint nur logisch, dass Heino die Ehre, beim Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 die Hymne singen zu dürfen, als Krönung seiner Karriere betrachtet. Dass er den Text fehlerfrei beherrscht, bewies er zuvor unter anderem beim Abschiedskampf des Profiboxers Henry Maske 1996.
1979 ehelicht Heino Hannelore, die er 1972 im Rahmen der Miss-Austria-Wahl in Kitzbühel kennen lernte. Die Medien geben der Prinzessin und dem Schlagerhelden ungefähr ein Jahr - und sollen sich täuschen. 25 Jahre später sind die beiden immer noch verheiratet, leben gemeinsam in Bad Münstereifel, einem Kurort nahe Köln, haben diverse Lieder miteinander aufgenommen (darunter "Die Liebe Ist Das Gold Des Lebens" von 1984) und sind Inhaber des "Heino-Rathaus-Cafés".
Letzteres festigt Heinos Ruf als "Ehrenkonditormeister der Nation" und bildet ein wahres Mekka für Heino-Fans. Neben Heino-Haselnusstorte gibt es hier von der Autogrammkarte bis zur Brille alles, das das Herz begehrt. Hannelore erleidet 2004 einen Herzinfarkt, mit ein Grund für Heino, seinen Bühnenabschied ins Auge zu fassen, um seiner Frau zur Seite zu stehen.
Allen Kritikern zum Trotz verkauft Heino in Deutschland mehr Tonträger als die Beatles - und das in der Blütezeit des Beat. Oder, wie der Text auf dem Plattencover von "Wir Wollen Zu Land Ausfahren" verrät: "Die leichte Wehmut und die herben Molltöne von Heinos Liedern sind ein gesunder Gegenpol zur modischen Beathysterie."
Dennoch brechen in den 80er Jahren die Verkaufszahlen dramatisch ein, es wird ruhiger um die "Stimme Deutschlands". 1983 singt Heino mit "Sonnenschein - Glücklichsein" das Lied zur ARD-Fernsehlotterie. Im gleichen Jahr (und ein weiteres Mal 1986) begibt er sich ungeachtet des UNO-Embargos und des Kulturboykotts internationaler Künstler auf Tour nach Südafrika, wofür er stark in die Kritik gerät.
Heino ist Opfer zahlreicher Parodien (unter den bekanntesten wohl die von Otto Waalkes in "Otto - Der Film"). Gegen Norbert Hähnel, der im Gepäck der Toten Hosen als Heino-Doppelgänger "Der wahre Heino" auftritt, strengt der wahre Heino 1985 eine Unterlassungsklage an und hat Erfolg. Ende der 80er bringt Heino einige seiner Stücke ("Enzian", "Schwarzbraun") als Rap-Versionen auf den Markt. Anfang der 90er ist er Gastgeber der TV-Serien "Hallo Heino" und "Heino - Die Show". 1996 erscheint unter dem Titel "Und Sie Lieben Mich Doch" seine Autobiografie.
Ab 2001 erscheint Heinos CD-Trilogie "Kult". Heino ist Kult. Er ist sich treu geblieben, mit seiner immer gleichen Masche bringt er es zu Goldenen und Platin-Schallplatten, einem Bambi und zu umwerfender Popularität. Dass er nebenbei auch als "Brechmittel mehrerer Generationen" geschmäht wird (Ex-Dead-Kennedys-Frontmann Jello Biafra sammelt beispielsweise Heino-Platten, um dokumentieren zu können, "was für eine unglaubliche Scheißmusik es auf der Welt gibt", wie er im Interview verriet), kümmert ihn wenig. "Ich zeichne in meinen Liedern die heile Welt, weil ich eine heile Welt haben will", so Heino.
In einem darf sich die Fangemeinde zwar sicher sein: Heino wird auch in Zukunft seine (markenrechtlich geschützte) Brille nicht abnehmen. Schließlich kennen ihn so 99 Prozent der (west-)deutschen Bevölkerung, wie eine Umfrage ergab - ein Bekanntheitsgrad, nach dem sich Politiker aller Couleur die Finger lecken dürften.
Dass er mit über 70 Jahren dann aber doch noch einmal einen Imagewechsel vom ewigen Schwiegersohn zum Punker mit Totenkopfring hinlegt, hat niemand erwartet. Seinen Coverversionen auf "Mit Freundlichen Grüßen" den Untertitel "Das verbotene Album" zu verpassen, erscheint jedoch ein geradezu genialer Marketingschachzug, der Heino erstmals in seiner langen Karriere Platz eins der Charts einbringt - und das pünktlich zur Fasnacht 2013. Ho Narro!
Heino setzt sich in die Jury von "Deutschland sucht den Superstar", gibt sein Gesicht für Billig-Handytarif-Werbekampagnen her, covert sich durch aktuelle Rock- und Pop-Hits. Im Fahrwasser seines Albums "Schwarz Blüht Der Enzian" steht er irgendwann sogar zusammen mit Rammstein auf der Bühne des Metal-Festivals in Wacken.
Zur Fußball-EM in Frankreich veröffentlicht er 2016 zudem eine Sammlung von Songs rund um das runde Leder. Spätestens jetzt sollte es jeder mitbekommen haben: Hemmungen, sich zu verhökern, kennt Heino keine mehr.
Wer sich 2018 von dem vermeintlichen Abschiedsgruß "... Und Tschüss" einlullen ließ, hat die Langlebigkeit des Schlager-Fossils gewaltig unterschätzt. Fünf Jahre später steht er mit "Lieder Meiner Heimat" erneut auf der Matte: Diesmal covert er Ballermann-Mitgrölnummern und stellt damit vor allem eins unter Beweis: Heino ist sich wirklich für gar nichts zu schade.
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