laut.de-Kritik

Elektronische Peitschenhiebe vom Münchner Gigolo.

Review von

Vor fünf Jahren erschien Hells "Munich Machine", von der es hieß, dass sie ihrer Zeit voraus sei. In der Tat nahm so manches stiltechnische Oeuvre auf dieser Platte vorweg, was später auch von anderer Seite dankbar aufgegriffen wurde, mittels Medienklimbim zu Electroclash mutierte und so zu mitunter zweifelhaften musikalischen Ehren kam. Andererseits leistete Hell mit seinem Gigolo-Label ebenso einen Beitrag zu diesem Kaschperltheater an sich.

Aber Hell wäre nicht Hell, wenn er nicht einfach seinen eigenen Weg gehen würde, sich kurzerhand in New York ein Studio mietete und damit anfinge, sein neues, eigentlich überfälliges Studioalbum zu produzieren. In Zusammenarbeit mit Abe Duque zeichnet Hell - auf Albumformat ohne 'DJ'-Präfix - auf "N.Y. Muscle" ein Bild verschiedener Stilrichtungen, das auf einer eher dunklen aber nicht abweisenden Stimmung ruht. Die erste Singleauskopplung "Keep on Waiting", vereint den Gesang des Kings of Convenience-Sängers Erlend 'Die Brille' Oye, mit Hells an sich stumpfen, dennoch schiebenden Techhousebeats.

Anfänglich gibt sich die Verbindung aus monotoner Musik und distanziertem Sänger spröde, was sich aber schnell in Wohlgefallen auflöst, zu stark ist der Sog, den der Track nach und nach auslöst. Einen nächsten Höhepunkt liefert "Listen to the Hiss": dieser zeigt Suicide-Sänger Alan Vega in paranoider Haltung, getragen von tribalhaften Klängen, die immer wieder von markanten Hi-Hats und einer Brummi-Bassline durchschnitten werden.

Verglichen mit den beiden vorherigen Tracks bringt "Tragic Picture Show" einen Bruch mit seinen von willfährigen Eruptionen unterbrochenen, treibenden Punksound mit Garagenflair, der womöglich von Hells Unternehmungen mit den DFA-Jungs (Produzenten von The Rapture) herrührt. "Let No Man Jack" hat etwas von Green Velvet, nur gibt der Sänger den richtig Durchgeknallten, wie auch der Track selbst zwischenzeitig knietief im Säurebad hängt und mächtig einpeitscht.

Die zuvor dominierende Dunkelheit und der aggressive Ton, wie man ihn auch im Industrial findet, weichen kurzzeitig dem Ambiente einer einlullenden, friedvollen Atmosphäre, die in Form der Black Panther Party mit ihren Parolen und MG Feuer ihren Meister findet. Hell setzt hier gekonnt Kontraste, weniger eindeutig allerdings als Meredith Danluch mit einem inbrünstig gehaltenen Vortrag des Bedauerns.

Apropos, "N.Y. Muscle" schleudert dem eingangs angesprochenen E-Clash ein demonstratives 'Nein' entgegen, lediglich "Control" weist, wenn man so will, leichte Tendenzen in diese Richtung auf. Diese Blöße gibt er sich nicht, der Hell. Den gekonnten Abschluss des zwar nicht unbedingt positiv klingenden, dennoch sehr interessanten und in sich abwechslungsreichen Albums bilden "Meet The Heat" und "Wired" bei denen die Symbiose zum Tragen kommt, die das Gesamtwerk "N.Y. Muscle" ausmacht. Sie kommt zustande durch den eigenwilligen, künstlich bearbeiteten Gesang mit dem Gestus des Unkonventionellen sowie einer Art Musik, die wie Peitschenhiebe wirkt und immer etwas maschinenhaftes mit sich trägt, einer unorthodoxen Kreuzung aus Techno und Industrial. Der nächste, andere große Wurf des Hell.

Trackliste

  1. 1. Keep On Waiting
  2. 2. Listen To The Hiss
  3. 3. Tragic Picture Show
  4. 4. Follow You
  5. 5. Let No Man Jack
  6. 6. Limbische System
  7. 7. Black Panther Party
  8. 8. Je Regrette Everything
  9. 9. Control
  10. 10. Meet The Heat
  11. 11. Wired

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Er ist eine Institution in der deutschen DJ-Szene. Neben Sven Väth und Monika Kruse wird er jährlich immer wieder in die deutschen DJ-Top-Drei gewählt.

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