laut.de-Kritik
Die Mathrockspindel dreht sich und dreht sich und ...
Review von Mathias DeneckeDas Kollektiv aus Toronto betritt in gewohnter Manier das Parkett. Dekontextualisierte Materialien aus der Unterhaltungsbranche und die Ausbeute eines Raubzugs in der Spielzeugwarenabteilung bilden abermals das Instrumentarium. Und wieder postuliert die Band, die neun Tracks seien weder mittels Laptop noch mit anderen digitalen Klanquellen erzeugt worden.
Vorneweg: Der Langspieler fügt sich nahtlos ins Restwerk von Holy fuck ein. So sonnt sich "Latin" mehr unter seinen Artgenossen, als dass Wurzeln in neuen Schaffensboden ausgetrieben werden. Die Herren reichern das Oeuvre lediglich mit Material an.
Sieht man vom opiathaltigen Opener ab, drechseln Holy Fuck flatterleichte Melodien, die den Hörer dazu noch aufs Parkett bitten. Ist der Gashebel erst mal bis zum Anschlag gedrückt, fließen Gitarrenfeedbacks und Bass rauschend ins Gehör. Die Stimme schmiegt sich dabei fast wie nebenbei an die Mathrockspindel, da sie wie gewohnt zum Backgroundinstrument degradiert wird. Gut so.
Geändert hat sich hingegen ein wenig das Selbstverständnis. Holy Fuck titulieren sich selbst als Bandkollektiv und weniger als loses Künstlersammelsurium. Das Gründungsduo Graham Walsh und Brian Borcherdt flankiert nun Matt Schulz (Drums) und Matt McQuaid (Bass).
Nachdem das Quartett erst ausgiebigst live improvisierte, spielten sie die Songs im Studio ein. Neben Casiokeyboards und besagtem Kinderspielzeug setzen die Kanadier natürlich weitaus durchschnittlichere Instrumente ein, um ihre nebulöse Postrock-Komplexität zu erzeugen.
Die Spannungsbögen kommen deutlich gelungener als auf den Vorgängern zum Tragen. Der Angst, alles verlaufe sich dennoch in willkürlicher Flickschusterei, beugten die Kanadier mit der sorgfältigen Auswahl des Produzententeams vor: Eli Janney (Wilco), Paul Epworth (Primal Scream) sowie Dave Newfeld (Broken Social Scene) gravierten ihre Autorschaft in die Songs des dritten Silberlings ein.
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