laut.de-Kritik
Der Giant Sand-Chef singt mit Will Oldham und KT Tunstall.
Review von Giuliano BenassiAuch in seinem vierten Schaffensjahrzehnt zeigt der Mann aus Tucson keine Müdigkeitserscheinungen. Im Gegenteil – Howe Gelb scheint umtriebiger denn je. So war er in den letzten Jahren als Giant Sand, als Giant Giant Sand (mit aufgeblähtem Line Up) und natürlich auch solo unterwegs. Nebenbei hat er noch KT Tunstall produziert. Dem Bandgerät in seinem Heimstudio gönnte er auch keine Pause. So erscheint wenige Monate nach "Dust Bowl" erneut ein Album unter eigenem Namen.
Die Neuigkeit: Gelb hat dafür ein neues Label gefunden, New West Records, wo auch sein tragisch verstorbener Kollege Vic Chesnutt unter Vertrag stand. Zur Feier des Tages hat der Amerikaner eine ganze Reihe an befreundeten Musikern eingeladen. Wie es abgelaufen ist, kann man sich gut vorstellen: Auftritt in Tucson, Bier im Studio mit Howe, zurück zum Tourbus. Eine Arbeitsweise, die in der Vergangenheit großartige Ergebnisse hervorgebracht hat.
Dazu gehört "The Coincidentalist" leider nicht. "Vortexas" macht auf Soul der Marke Barry White, doch die weinerliche Stimme von Will Oldham (Bonnie 'Prince' Billy) will so gar nicht dazu passen. Dass Steve Shelley von Sonic Youth auf einigen Stücken zu hören ist, macht sich beim simpel gehaltenen Schlagzeug auch nicht unbedingt bemerkbar. M Ward, dessen Karriere einst startete, nachdem er Gelb ein Demotape in die Hand drückte, steuert einige Gitarrentracks bei.
Dabei fällt die Platte vom Stil her vielfältiger aus als gewohnt. Auf den meisten Stücken singt Tunstall im Hintergrund. Dazu kommen ein bisschen Doo Wop ("Left Of Center"), eine klasse Pedal Steel (John Rauhouse in "Running Behind"), eine mittelmäßige Ballade im Duett mit Tunstall ("The 3 Deaths Of Lucky"), fast unerträglicher Indie-Pop ("Unforgivable", "Triangulate"), die unvermeidliche Piano-Ballade ("Picacho Peak"), etwas Flamenco ("An Extended Plane Of Existence"), zum Schluss sogar ein jazziges Instrumental ("Instigated Chimes").
Der Wortkünstler hat natürlich auch wieder die eine oder andere Perle parat. "I haven't flown in my dreams since I was at least eleven / So I sleep when I fly / Just to get even", erzählt er in "Picacho Peak". Der Titel des Albums hat selbstredend auch eine Bedeutung. Oder auch nicht: "The coincidentalist is someone who can read the coincidences, but who doesn't try to figure out what they mean. For if one tries to figure out the meaning, it will be lost."
Was nicht wirklich übersetzbar ist, aber ungefähr bedeuten soll: "Der 'Zufallist' ist jemand, der Zufälle deuten kann, aber nicht versucht, zu verstehen, was sie bedeuten. Sollte er es versuchen, wäre die Bedeutung verloren". In einer gewissen Hinsicht gilt das auch für Gelbs Musik, unter welchen Namen auch immer, die sich schlecht kategorisieren oder in Worte fassen lässt, dennoch wie der Musiker selbst eine wunderbare Ausstrahlung besitzt. Wenn nicht auf diesem Album, dann wieder auf einem der nächsten. Und ausnahmslos auf der Bühne.
1 Kommentar
bin gespannt, ob es irgendwann mal wieder was gemeinsames mit chris cacavas zu hören gibt