laut.de-Kritik

Der Mississippi und die Mur-Mürz-Furche.

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Hubert von Goisern, verwurzelt in der traditionellen österreichischen Volksmusik, galt stets als Brückenbauer, Vermenger und Vermischer von Traditionellem und Modernem aus verschiedenen geographischen Breitenkreisen und Blickwinkeln. Weltmusik nennt man das gemeinhin, was er in den letzten Jahrzehnten so gemacht hat, vielleicht auch Ethno: Durch verschiedene Orte reisen, gerne auch mit dem Schiff, und die verschiedenen Musiken aufsaugen und aufnehmen, im doppelten Sinn. Tibet und Tirol, der Mississippi und die Mur-Mürzfurche.

Bekannt geworden ist der Goiserer vor langer Zeit mit etwas anderem als dem, was er später gemacht hat. Gemeinsam mit seiner Band, den Alpinkatzen, kombinierte von Goisern damals Alpines und Rock-Musik. "Koa Hiatamadl" hieß der große Hit damals, das war eigentlich schon auch eine nicht besonders bemerkenswerte Hüttengaudi das Ganze: "Koa Hiatamadl mag i ned, hot koane dicken Wadl nit". Für HvG, der vor seiner Musikerkarriere eine gute Dekade auf Weltreise war, hat das Lied wohl seinen Zweck erfüllt. Bekanntheitsgrad und Portmonnaie haben durch diesen Alpin-Rockismus zweifellos profitiert: Hubert Achleitner, so der Geburtsname des Musikers, konnte sich anderen musikalischen Dingen zuwenden. Interessanteren Dingen.

Hubert von Goisern hat seitdem einige wirklich bemerkenswerte Alben gemacht, den Soundtrack zu "Schlafes Bruder" beispielsweise, oder das Album "Fön". Es kam überraschend, dass der Goiserer dann vor einiger Zeit mit dem Song "Brenna Tuats Guat" wieder eine Hitsingle in Österreich hatte (und das noch dazu beim staatlichen Radiosender Ö3, der Dialektmusik großteils ebenso unbeirrt vernachlässigt wie österreichische Musik generell). Musikalisch war das wieder Alpenrock, Quetsch'n und Stromgita (bundeshochdeutsch: Akkordeon und elektrische Gitarre) – diesmal gings allerdings nicht mehr um Hirtenmädchen sondern um Kapitalismuskritik.

Für sein neues Album "Federn" dienten die USA als Inspirationsquelle. Zydeco, Blues, Country, Bluegrass, die Sümpfe der Südstaaten. Die Quetsch'n macht den Anfang beim ersten Lied "Snowdown". Es wird ein sumpfiger Blues mit verzerrten Gitarren werden, ein durchwegs politischer, das sagt der Titel schon. Showdown, Snowden... "Snowdown in China, Snowdown im Iran, Snowdown in Russia, Snowdown down in Oman", singt er. Die Welt ist am Brennen: "Nur ned da bei mir, nur ned da vor meiner Tür". "Die Wahrheit, sie suacht um Asyl / aber kriagn tuat sie's nia".

Von Goisern kanalisiert die US-amerikanische Musik zwischen 2/4-Takt, Wechselbass und Bluegrass ("Stoansteirisch") – und vermengt leichtfüßig und homogen die eigenen Wurzeln mit dem völlig anderen musikalischen, zeitlichen und politischen Kontext. Akkordeon und Lapsteels (dafür ist Steve Fishell verantwortlich), Louisianna und Bad Goisern. Musik ist Musik.

"Es ist wahr" ist dann auf den ersten Blick eine heitere Meditation auf die Zeit und das Leben: "Jambalaya, ois geht vorbei, sogar des Leben / doch bis es soweit is mecht is ma geben". Dahinter steckt aber das Stück "Jambalaya (on the Bayou)" von Hank Williams. Von Goisern und Williams: auch das passt wirklich bemerkenswert gut. Bei "So A Segn" kanalisiert von Goisern dann "Amazing Grace", "Wie der Wind" ist besinnlicher Country-Rock. "Neama Vü Zeit" basiert auf dem Blind Faith-Song "Can't Find My Way Back Home": "So wia i beinand bin / find i ohne di ned hoam". Überhaupt befinden sich auf "Federn" einige starke Balladen.

Hier ein Blues-Stampfer ("Schnaps"), da auch wieder mal Alpinrock ("Singa Gang Guat") – und bei "Des Kanns Ned Sein" gibt der Goiserer gar den Elvis. Den Schluss, den singt Hubert von Goisern dann auf Englisch und Deutsch. In "Deux Petite Melodies" beweist er fast Crooner-Qualitäten.

Die Instrumente sind glasklar und organisch, die Slides kratzen, die Produktion und Aufnahme ist von der Klangästhetik Dylans späten Alben nahe. Mit Vermischungen von Volksmusik und Pop/Rock, die derzeit so im Mainstream herumkrebsen, hat das alles – ideologisch wie musikalisch – gar nichts zu tun. Wer von Goisern kennt, dem muss man das sowieso nicht mehr erklären.

Auf "Federn" bringen von Goisern und Band wieder einmal mühelos mehrere Welten zusammen. Welten, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Das ist die Kunst des Hubert von Goisern.

Trackliste

  1. 1. Snowdown
  2. 2. Stoansteirisch
  3. 3. Es is wahr
  4. 4. So a Segen
  5. 5. Wie der Wind
  6. 6. Am hell-lichten Tag
  7. 7. Schnaps
  8. 8. I bin ganz alloan
  9. 9. Alle 100 Jahr
  10. 10. Des kann's nit sein
  11. 11. Neama vü Zeit
  12. 12. I kann wieder fliagn
  13. 13. Mir hat 'träumt (Prolog)
  14. 14. Singa gang guat
  15. 15. Deux Petites Melodies

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