laut.de-Kritik
Der kleine Bruder erweist J Dillas letztem Output die Ehre.
Review von Alexander EngelenWarme Basslines und locker gebettete Sample-Sätze hatten es Mitte der Neunziger nicht leicht, zwischen Hardcore-Produkten des Genres wie Nas' "Illmatic", Biggies "Ready To Die" oder Wu-Tangs "36 Chambers" zu bestehen.
Allen Retrosausen zum Trotz hat sich die Situation für diesen Sound im Jahr 2008 nicht grundsätzlich verändert - mit einem Unterschied: Der Produzent James Yancey, der dieser Stilrichtung unter seinem Künstlernamen Jay Dee den vollendeten Schliff gab, ist vor wenigen Jahren verstorben und hat damit wahre Euphorie losgetreten. Dilla wurde endlich der Respekt zuteil, den man ihm zu Lebzeiten nicht zugestanden hatte.
Im Zuge dessen kramten die neu gewonnenen Fans auch die Frühwerke des Detroiter Produzenten ans Tageslicht und mussten erkennen, dass Jay Dee schon vor vielen Jahren das Genre mit einer MPC-Magie versorgte, die ihresgleichen sucht. Wärmster Bass-geschwängerter und Sample-lastiger Hip Hop kam damals von Gruppen wie The Pharcyde, bei denen Jay Dee maßgeblich an der Produktion beteiligt war.
Genau aus dieser Zeit versorgt Dillas ehemaliges Label Delicious Vinyl die Nachwelt jetzt mit 14 ungehörten Beats, die die Plattenfirma Dillas jüngerem Bruder Illa J zur Verfügung stellte, damit er, aufstrebender Sänger/Rapper/Produzent, mit dem kostbaren Nachlass arbeiten kann. Das ist nicht nur ehrenwert, sondern vor allem hörenswert. Denn nach diesen 14 Tracks wird einem erneut eines schmerzlich klar: J Dilla ist der unbestrittene König des Wohlfühl-Sounds im Rap-Gewand.
Klickend voranschreitende Kicks und Snares, joviale Bassläufe und passend gesetzte Samples baute Dilla einzigartig in eine so simple wie herausragende Formel, dass man sich schlicht fragen muss, wie etwas so einfaches so erfüllend sein kann.
Diese Freude kann natürlich nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass Illa Js "Yancey Boys" heillos outdated ist. Das Album hätte in dieser Form auch ohne Probleme 1996 veröffentlicht werden können. Das macht es zwar nicht weniger gut, muss aber beim Versuch einer objektiven Bestandsaufnahme in Betracht gezogen werden. Aber mit der Zeit ist es ja eh immer so eine Sache - nie hat man genug davon, selten nützt man sie und irgendwann wird einem klar, dass sie ganz schnell vorbei sein kann.
In diesem Sinne läutet der 22-jährige Illa J sein Debütalbum ein: Auf "Timeless" beschreibt er, unterlegt von Piano-Loop und Trademark-Dilla-Beatgerüst, vielsagend die Mär von der Zeit: "I spent so much time doing nothing. I think it's time for me start doing something!"
Und schon zu Beginn offenbart sich, dass Illa J die schwierige Aufgabe gelöst hat, mit dem Nachlass des großen Bruders angemessen umzugehen. Hier wurde kein x-beliebiger Affiliate mit halbwegs ausgeprägtem Rap-Talent beauftragt, seinen Senf auf diese Beats zu geben. Illa J ist so talentiert wie kreativ. Er singt und sinniert, er rappt und representet, und er macht sich hörbar keinen allzu großen Stress. Eine Einstellung, die der des großen Dillas ziemlich nahe kommt.
In Kollaboration mit Dillas Lieblingsrapper Guilty Simpson entsteht daraus schon mal eine zutiefst zufrieden stellende Rapnummer wie "R U Listenin'?", mit Unterstützung von Affion Crockett die unaufregende wie bildhübsche Rhodes-Perle "DFTF" und mit Sängerin Debi Nova die simpel-käsige Rap-Ballade "Sounds Like Love". Klingt alles nach Gegensätzen, macht aber im Gesamten Sinn, weil Dillas Handschrift in jedem Drumlauf zu erkennen und herzerwärmend zu spüren ist. Das ist vor allem deswegen wichtig, weil "Yancey Boys" wahrscheinlich das letzte Album sein wird, das komplett von Dilla produziert wurde. Fans von Slum Villages "Fan-Tas-Tic"-Reihe werden das zu schätzen wissen.
Glücklicherweise hat die Yancey-Familie bei Delicious Vinyl Menschen gefunden, die respektvoll mit den noch existierenden Großtaten Dillas umzugehen wissen. Denn auch wenn fast drei Jahre nach seinem Tod der Schmerz über den Verlust offensichtlich fest im kollektiven Gewissen der Rap-Szene manifestiert ist, vergisst genau diese Szene viel zu oft, dass die direkte Familie den größten Verlust hinnehmen musste und muss.
Illegal erstandene Dilla-Mixtapes oder In-Memoriam-Shirts von Marken, die offensichtlich nur Profit aus der Tragödie schlagen wollen, machen eben doch noch keinen Vorzeige-Fan. Gut dass jetzt Dillas jüngerer Bruder eben jenen "Fans" die Möglichkeit gibt, der direkten Familie unter die Arme zu greifen. Wie wäre es also mit einer kleinen Spende zur Weihnachtszeit, die wenn vielleicht dem Geldbeutel, zumindest nicht dem Trommelfell wehtun wird?
7 Kommentare
Ist also nicht nur noch ein weiterer Aufguss? Tupac rappt nicht mit? Klingt immerhin interessant, werd da mal genauer reinhören.
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*Illa J - Yancey notier"
strg s
alt F4
Sehr nice das Album...
Viel zu viel Gesang auf dem Album für meinen Geschmack, und Illa J ist lyrisch auch keine Bombe..für soviel belangloses Zeug sind richtig gute Dillabeats drauf gegangen, ne Schande ist das..
gut für zwischendurch, und von zwischendurch gibts ja bekanntlich mehr als genug.
@Soul_Brother (« Viel zu viel Gesang auf dem Album für meinen Geschmack, und Illa J ist lyrisch auch keine Bombe.. »):
Das kann man so stehen lassen.