laut.de-Kritik
Sehen ist schöner denn hören.
Review von Andreas DittmannMensch, jetzt sind Incubus auch schon über 20 Jahre alt. Die ehemaligen Crossover-Schönlinge feierten ihr großes Jubiläum sieben Tage lang in einer hübschen Galerie in Los Angeles. Jeden Abend eine Show, jeden Abend eine andere Setlist, andere Zuschauer und zwischendrin: Workshops, Kunst und gepflegtes Rumhängen mit der Band.
Die letzte Show fiel mit dem Release der damals neuen Platte "If Not Now, When?" zusammen. Songs wie "Promises, Promises" spielten die fünf Herren dort also das erste Mal vor Publikum. Das ganze Spektakel wurde live ins Internet übertragen und natürlich aufgenommen. So kommen auch endlich wir in den Genuss, Brandon Boyds Schnurrbart zu bewundern und den Gitarrenfrickeleien von Mike Einziger zu lauschen.
Der Hauptteil der Tracks kommt von den Alben "Make Yourself", "Morning View" und "If Not Now, When?"; "Light Grenades" und "A Crow Left Of The Murder" werden zum Glück kaum gespielt. So fühlt sich die Platte fast schon wie eine Best-Of an (auch wenn das großartige "S.C.I.E.N.C.E." komplett fehlt). Die großen Hits wie "Drive", "Love Hurts" oder "Wish You Were Here" sind natürlich alle dabei.
So richtig geil ist das auf Platte aber irgendwie nicht. Die Jungs wirken zu kraftlos, um Kracher wie "Make Yourself" oder "Crowded Elevator" ordentlich rüberzubringen. Vor allem die erste CD mit Songs von "Morning View" und "Make Yourself" kommt äußert schwach an. Brandon Boyd scheint sich nicht wirklich wohl zu fühlen. Erst auf der zweiten CD, auf der die neueren, ruhigeren und relaxteren Songs drauf sind, findet er sich ein.
Seine Band gibt zwar ihr Bestes, baut Improvisationen, kleine Jams und ein The Doors-Cover ("Riders On The Storm") ein, den schwachbrüstigen Sound rettet das aber nicht. Der tönt dafür auf DVD recht ordentlich aus den selben Boxen. Was für ein Unterschied! Plötzlich sprühen Incubus nur so vor Leidenschaft. Die Zuschauer grinsen und tanzen, Brandon Boyd wuschelt sich durch seine langen Haare und die Band groovet heftig mit. "Anna Molly", "Glass" oder "In The Company Of Wolves" werden unheimlich leidenschaftlich und energetisch abgefeiert. So stellt man sich ein gutes Live-Album vor!
Auch schön: Incubus packen unterschiedliche Songs auf DVD und CD – zwar zum Teil die gleichen Lieder, aber von verschiedenen Abenden. So hat man den Eindruck, das volle Spektrum dieses Bandfestes miterleben zu können. Die ollen Sequenzen zwischen den Songs, in denen Fans erzählen, wie geil Incubus sind, hätte man sich zwar wirklich sparen können, dafür sind die Interviews und die Szenen rund um die Shows durchaus interessant.
Incubus haben sich mit ihrem siebentägigen Kreativ-Aufenthalt selbst ein Geschenk gemacht. Die DVD ist ein Geschenk an die Fans - die CDs höchstens nette Dreingabe.
2 Kommentare
"Light Grenades" und "A Crow Left Of The Murder" werden zum Glück kaum gespielt."
----------------------------------------------------
Was soll denn das heißen? "Light Grenades" hat massig gute Songs und nicht nur Anna Molly: A Kiss To Send Us Off, Quicksand, Pendulous Threads, eigentlich ist die ganze zweite Hälfte grandios...
"Die ollen Sequenzen zwischen den Songs, in denen Fans erzählen, wie geil Incubus sind, hätte man sich zwar wirklich sparen können"
Tja, schade. Spare ich mir halt das Geld. Als Konzert DVD Liebhaber bin ich bereit, vieles zu ertragen, angefangen bei schlechtem Ton (Coheed Cambria) über verwaschene schwarz/weiß Pseudo-Bild-Ästhetik (Sigur Ros) bis hin zu Filmeinspielungen auf Seifenoperqualität (Dream Theater).
Aber SOWAS geht einfach gar nicht. Wie soll da Live-Atmosphäre aufkommen, wenn das Konzert ständig unterbrochen wird?
Danke für die Warnung, hätte ich sonst ungesehen gekauft.