laut.de-Kritik
Größer und aufgeregter als das Debüt.
Review von Simon ConradsIm vergangenen Jahr zog Indigo Sparke von Australien nach Upstate New York und, so schildert sie, war dort das erste Mal so richtig alleine. In dieser recht tristen Situation entstanden viele der neuen Stücke, die noch von der durch die Einsamkeit erzwungenen Selbstreflexion geprägt sind. Dennoch gerät "Hysteria" größer und aufgeregter als noch das Debüt "Echo", gönnt sich mehr Drums und liefert eine größere Soundpalette.
Produziert wurde das Album von einem veritablen Indie-Schwergewicht: The National-Multiinstrumentalist Aaron Dessner, seit seiner Zusammenarbeit mit Taylor Swift wohl einer der meistgefragten Produzenten im Indie-Folk, assistierte Sparke, gemeinsam fand man neue Klänge. Spielereien mit E-Drums und Synths, die man von Dessner kennt, findet man nicht mehr. Die Platte klingt vielmehr enorm natürlich und geerdet.
Der Titeltrack mit gestrummter Akustikgitarre und trippelndem, zurückgenommenem Schlagzeugspiel schlägt den Bogen zum Erstling, bringt aber mehr Verve mit, was ihr durchaus gut tut. "God Is A Woman's Name" ist ein Highlight der Platte und liefert nach minimalistischer Strophe einen fantastisch anschwellenden Refrain. Selbst dem melancholischen "Real" haucht das Duo eine gewisse Wärme und Wohligkeit ein. Dabei bleibt Sparke textlich recht abstrakt, arbeitet mit Naturbildern und spiegelt ihr Innenleben, etwa in "Sad Is Love": In the sky of despair, my body shakes / Waitin' for the wave to come and take it all away".
Stücke wie "Why Do You Lie" und "Golden Ribbons" könnten abseits der Vocals auch von einem älteren The National-Album stammen und klängen von Matt Berninger gesungen sicherlich ebenfalls wunderbar. Sparke veredelt die Stücke allerdings durch ihren gehauchten Vortrag, der selbst in den dichtest instrumentierten Parts den Eindruck der Intimität aufrecht erhält. Sie findet immer einprägsame Gesangsmelodien, etwa in "Set Your Fire On Me", das mit einem energetischen Vortrag in der Hook besticht oder im schlurfenden "Time Gets Eaten", in dem sie an Laura Marling erinnert. Bei stehen "Hysteria" die Gitarren im Vordergrund, das Klavier-basierte "Pluto" lädt mit schleppendem Rhythmus zum Träumen ein.
"Ich glaube, ich habe hier eine Entwicklung durchgemacht, eine Entwicklung in die nächste Phase meiner Identität.", sagte Sparke kürzlich im Interview mit dem Atwood Magazine. Das ergibt Sinn, denn einige Stücke wirken etwas unentschlossen und unfokussiert, so als wären sie erst das Versprechen zukünftiger Stärke. Der kauzige, überlange Opener "Blue" etwa passt nicht recht zum Rest des Albums. Dem Gitarrenspiel wohnt eine treibende Intensität inne, die allerdings nie eingelöst wird, da man auf einen passenden Beat verzichtet. Man spürt zwar, dass Sparke das Stück wichtig ist, sie gib sich zudem besonders verletzlich, doch bleibt das Stück am Ende zu sperrig angelegt. Auch "Infinite Honey" und das schrammelige "Hold On" fügen sich nicht recht in den Albumfluss ein. Das eigentlich tolle "Pressure In My Chest" ufert dann in zu viele Wiederholungen der titelgebenden Worte aus.
So weist das Album zwar zahlreiche Starke Tracks auf, bleibt in seiner Gesamtlänge aber passend zum Cover noch zu oft unscharf. Betrachtet man das Album aber als Übergangswerk deutet, darf man sich jetzt schon auf eine fokussierte, dritte Platte freuen.
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