laut.de-Kritik

Begeisternder Auftritt vor 250.000 Zuschauern.

Review von

"Am besten ist es, morgens zu fischen. Das ist der Grund, weshalb Fischen und Rock'n'Roll nicht zusammenpassen", erklärt Adrian Smith mit Angelrute in der Hand nach einem erfolglosen Nachmittag auf einer brasilianischen Klippe. Dass diese Behauptung wahr sein könnte, beweist er wenige Stunden später, als er mit seiner Gitarre das Konzert Iron Maidens in Rio de Janeiro eröffnet.

Es war der letzte Auftritt des Südamerika-Abschnitts ihrer Tour, nachdem sie mit dem 2000er Album "Brave New World" ein triumphales Comeback in ihrer besten Besetzung feierten. 250.000 Zuschauer sammelten sich vor der Bühne, allein durch diese Zahl gerät das Konzert zu etwas Besonderem. Der englischen Band gelingt es aber, ein Ereignis daraus zu machen.

Mit sechs Liedern ist ihr zu dem Zeitpunkt neuestes Studioalbum stark vertreten. Es spricht für Iron Maiden, dass sie zwanzig Jahre nach ihrem Debüt immer noch Material zustande bekommen, das sowohl sie selbst als auch das Publikum in Ekstase versetzt. Schon beim Opener "Wicker Man" singen die Zuschauer beseelt mit, zahllose hübsche Mädels inklusive. Bei "Ghost Of The Navigator" und dem Titeltrack steigern sich die Beteiligten noch weiter in ihrer Begeisterung. Sänger Bruce Dickinson hüpft auf der riesigen Bühne hin und her wie ein Gummiball, Adrian Smith bleibt eher cool und verzieht lediglich bei den Soli ein bisschen das Gesicht, der zweite Gitarrist Dave Murray lächelt wie ein glückliches Kind, der dritte Gitarrist Janick Gears albert rum wie auch Drummer Nicko McBrain, während Bandleader Steve Harris alle Lyrics beherzt vor sich hin singt und seinen Bass wie ein Gewehr auf das Publikum richtet. Das wie ein tobendes Meer tanzt.

All diese Details sind einer aufwändigen Kameraführung zu verdanken, die die Tätigkeiten vor und auf der Bühne aus unzähligen Winkeln festhält. Die Qualität von Bildern und Farben ist dabei genauso exzellent wie der Sound. Es ist nicht viel Fantasie vonnöten, um sich mitten im Geschehen zu währen. Selbst "Blood Brothers", das vielleicht einzige schwächere Stück an diesem Abend, gerät durch den Mitgröhlrefrain zur Gänsehautnummer.

Auch alte Fans kommen auf ihre Kosten. Mit der Ausnahme von "Somewhere In Time" und "No Prayer For The Dying" sind alle Maiden-Alben vertreten, erstaunlicherweise auch "The X-Factor" und "Virtual XI", bei denen Dickinson nicht mitwirkte. Er haucht ihnen jedoch überzeugt jenes Leben ein, das bei Ersatzmann Blaze Bailey fehlte. Über die eine oder andere Wahl lässt sich streiten - warum "The Evil That Man Do" anstatt "The Clairvoyant" aus "Seventh Son Of A Seventh Son" präsentieren? Aber bei einer solchen Fülle an Material, aus dem sie schöpfen können, bleibt wohl immer der eine oder andere Unzufriedene zurück.

Wofür es keinerlei Grund gibt, denn gerade mit "The Evil That Man Do" fängt die abschließende Best Of-Show an. Maskottchen Eddie schwankt über die Bühne und kriegt von Gears in die Eier getreten, dann singt das Publikum bei "Fear Of The Dark" so laut mit, dass sich selbst Dickinson beeindruckt zeigt. Für "Iron Maiden" erscheint Eddie noch mal in überdimensionaler Voodoo-Puppen-Version und der Sänger versteckt sich in seinem Bauch, umgeben von weiß gekleideten Vestalinnen. Der Ende des Zaubers?

Mitnichten! Plötzlich ertönt der gelesene Anfang von "The Number Of The Beast" und hinter der Bühne erscheint das überdimensionale Cover des gleichnamigen Albums. Gnadenlos folgt mit "Hallowed Be Thy Name" ein weiterer Gassenhauer, bevor "Run To The Hills" ein unvergessliches Konzert beendet. Nach Angaben der Band war das Lied nicht im Programm, aber das Publikum hatte es so laut gefordert, dass sie es zum ersten Mal nach neun Jahren wieder live spielten. Selten gab es nach einem Auftritt glücklichere und erschöpftere Gesichter.

Nicht nur mit dem Konzert und der Güte der Aufnahmen setzen Iron Maiden mit "Rock In Rio" Maßstäbe. Auch die animierte Menüführung ist durchaus gelungen. Selbst der zweite Silberling rechtfertigt den hohen Preis dieser DVD. Neben einem Bericht über die Ruhe vor dem Sturm und kommentierten Bildern des Hoffotografen lohnen sich vor allem die Videobiografien der einzelnen Mitglieder.

Anstatt langweiliger Textzusammenfassungen, die eh im Internet zu finden sind, erzählen sie bei Freizeitaktivitäten über sich selbst. Adrian Smith geht am liebsten fischen, Nicko Mc Brain und Dave Murray verbringen ihre Zeit dagegen auf dem Golfplatz. Mit Eddie-Ball, versteht sich. Steve Harris frönt seiner Begeisterung für Fußball und begibt sich nach einem Kick ins Maracana-Stadion, wo neben barbusiger Schönheiten auch ein riesiger Maiden-Bänner die Ränge schmückt. Janick Gears schaut vorbei, schlendert anschließend aber lieber über einen Tourimarkt an der Copacabana. Dickinson mag es dagegen anspruchsvoll. Erst geht er fechten, dann begibt er sich bei der brasilianischen Fluggesellschaft VARIG in einen Flugsimulator. Während er gelassen in Hong Kong landet, entpuppt sich sein Copilot als Maiden-Fan.

Als letzten Bonus gibt es für diejenigen, die kein Englisch beherrschen, auch noch einschaltbare Untertitel. Neben schwedisch und japanisch ist auch deutsch vertreten. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Engländer auch bei ihrer Deutschlandtour im Oktober und November 2003 eine annähernd vergleichbare Begeisterung an den Tag legen.

Trackliste

Live Concert

  1. 1. Intro
  2. 2. The Wicker Man
  3. 3. Ghost Of The Navigator
  4. 4. Brave New World
  5. 5. Wrathchild
  6. 6. 2 Minutes To Midnight
  7. 7. Blood Brothers
  8. 8. Sign Of The Cross
  9. 9. The Mercenary
  10. 10. The Trooper
  11. 11. Dream Of Mirrors
  12. 12. The Clansman
  13. 13. The Evil That Men Do
  14. 14. Fear Of The Dark
  15. 15. Iron Maiden
  16. 16. The Number Of The Beast
  17. 17. Hallowed Be Thy Name
  18. 18. Sanctuary
  19. 19. Run To The Hills

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