laut.de-Kritik

Der Quastenflosser des Rap singt ein Hoch auf die Technik.

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Nach dem letztjährigen Comeback von Rhymin Simon überrascht eigentlich keine Rap-Reanimation mehr. Und dennoch muss jeder Musiker, der nach unfassbaren 17 Jahren weitgehender Funkstille mit einem neuen Album auftaucht, als lebendes Fossil gelten. Damals veröffentlichte Jack Orsen "Note 1+" und "Direkt Aus Dem Knast (Du Spast)" mit Taktloss. Nun meldet sich der Quastenflosser des Hip Hop mit "Raproboter" zurück. Dabei blendet er kurzerhand die letzten Jahrzehnte aus, um mit seinen M.O.R.-Kollegen Kool Savas, Justus und Fumanschu dem trockenen Battle-Rap zu frönen.

Zum Einstieg preist Taktloss den Mann der Vergangenheit als Produkt der Zukunft an: "Der Raproboter, er wurde in der fernen Zukunft gebaut. Jack Orsen mit den Robo-Flows." Der nicht sonderlich flüssige Vortrag fügt sich umso besser in das Image ein. Auf den maschinellen Beat singt Jack Orsen mit Versen aus der Welt der Raumfahrt und Science Fiction "ein Hoch auf die Technik". Bereits hier zeigt sich jedoch, dass sich die eine oder andere Punchline nicht auf dem technischen Stand eines Mars-Rovers befindet, sondern vielmehr abstürzt wie die Hindenburg.

"Ich bin zurück aus dem Weltall", verkündet der Berliner im technikkritischen Song "Mensch Vs. Maschine", der mitunter an die heute belächelten Zukunftsszenarien von vor 100 Jahren erinnert. "Beherrscht von Maschinen wie ein Job am Fließband", klingt so, als sei Charlie Chaplins "Moderne Zeiten" letzte Woche im Kino angelaufen. Zumindest die Stichworte "Amazon" und "Smartphones" weisen auf das 21. Jahrhundert hin. Dennoch fällt es zwischen Maschinen, die den Menschen ersetzen, und dem Teufel Internet nicht leicht, sich auf der Zeitachse zu orientieren.

Leichter fällt die zeitliche Einordnung beim Song "Die Gute Alten Tage", der das Nostalgie-Level in bislang unbekannte Höhen schraubt: "Vom Schicksal auserwählt schrieben wir Geschichte, die man sich bis heute noch erzählt." Dank Westcoast-Einschlag und Samples wie aus Ras Kass' "Soul On Ice" überzeugt der Vergangenheitstrip musikalisch, auch wenn der dringend benötigte ironische Bruch bis zum Schluss ausbleibt. Für derartige Aufgaben greift der Rapper zumeist auf Taktloss zurück, der etwa in "Schicksal" eine Oldschool-Karikatur darstellt: "Im Namen von Tupac: Fick dich!"

Noch weiter zurück geht die Reise in "Alle Machen So". Als der "Coole von der Schule" verübt Jack Orsen allerlei Streiche und erheitert sich selbst mit Furz- und Kack-Witzen: "Kenne keine Grenzen, ihre redet nur von Schwänzen. Schon in der Schule hatte Jack immer den Längsten." Im Grunde kann er sich damit nur an Gleichaltrige wenden, die rückblickend feststellen, dass die vermeintlich lässige Jugend halt doch eine recht peinliche Veranstaltung war. Zumindest sprechen die ehrlichen Momente dafür: "Im Kopf nur noch Stroh, fühl' mich so erwachsen."

"Rap ist einfach: Guck, wer den größten Ständer hat", heißt es dann auch postpubertär in "Helden Deiner Jugend". Viele seiner Verse lassen sich vor allem deshalb durchwinken, weil Jack Orsen im Kern eine unpolitische Figur spielt. Wenn er doch einmal wie in "Wählt Mich" durch gesellschaftliche Missstände streift, spricht aus ihm in erster Linie Überforderung: "Wähl' ich Rot, Grün, Braun oder auch Schwarz?" Repetitiv verweist er zum marschierenden Instrumental auf die übersichtlichere Welt seiner Jugend: "Wir sind Kinder der Kohl-Ära."

Eine echte Überraschung gelingt dem Rapper mit "Denk An Mich", in dem er sich dem auch außerhalb der Kunst wenig beachteten Thema Obdachlosigkeit annimmt. "Ein Platz in der Gesellschaft, den hatte ich hier nie", beklagt er empathisch aus der Perspektive des Verstoßenen. Zwar fügt sich das mit Unterstützung von Miss Platnum vorgetragene Stück nicht in den Album-Kontext ein, doch der Griff nach Relevanz tut dem in die Jahre gekommenen Rapper gut. Wenn er sich daran weiter orientiert, dann gibt es auch für den "Raproboter" eine musikalische Zukunft.

Trackliste

  1. 1. Rap Roboter
  2. 2. Schleudersitz
  3. 3. Klimawandel (mit Kool Savas)
  4. 4. Denk An Mich (mit Miss Platnum)
  5. 5. Alle Machen So
  6. 6. Mensch Vs. Maschine
  7. 7. Schicksal (mit Fumanschu und Taktloss)
  8. 8. Die Guten Alten Tage
  9. 9. Im Moment (mit Justus und Taktloss)
  10. 10. Bombe (mit Taktloss)
  11. 11. Helden Deiner Jugend (mit Samson Jones)
  12. 12. Wählt Mich
  13. 13. Großmeister

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2 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Und dabei wollen wir doch alle viel lieber ein neues Album von Fumanschu. :(
    Aber no Front gegen Jack Orsen. Album kann man sich auf jeden Fall gut geben.

    • Vor 3 Jahren

      Justus. Album von Justus. Wir wollen ein Album von Justus.

    • Vor 3 Jahren

      Echt? Justus und Jack waren für noch immer ok bis gut. Für mich hatte Fuman immer die mit Abstand besten Flows voll allen MORlern.
      Aber können auch gerne beide mal was rausbringen. :D

    • Vor 3 Jahren

      Also den besten Flow hatte für mich immer Kool Savas. Wenn der doch nochmal was rausbringen würde...

    • Vor 3 Jahren

      Du hast vergessen, das als Ironie zu kennzeichnen.
      Klar stand Savas immer mehr im Vordergrund, aber besser als Fuman fand ich ihn damals nicht.

    • Vor 3 Jahren

      Fumanschu gehörte meiner Meinung nach zu den Besten von MOR, zusammen mit Savas und Justus. Jack mag ich sehr, aber verglichen mit den anderen war der eher der schlechteste, nach - in dieser Reihenfolge - Ronald Mack Donald, Fuat, Martin B. und Illo.

      Neue Wahrheit und Zeichen und Muster waren für mich aber die besten Solos von MOR-Leuten, besser als Niedere Motive und The Funky Adventures...

    • Vor 3 Jahren

      Justus hatte schon mit Abstand am meisten in der Birne. Nicht der Übertechniker, aber man hörte ihm immer gerne zu. Reinhören würde ich auf jeden Fall. Jack zb reizt mich nur als Takti Sidekick.

    • Vor 3 Jahren

      Justus und Fuman arbeiten so wie ich das verstanden habe auch an irgendwas größerem... (haben vor nem Monat den Track "Funky auf dem Internet" gedroppt, sind aber jetzt gefühlt noch untergrundiger als jemals zuvor :D ) das wär echt geil, find beide sind auf dem Jack Orsen Album echt gut drauf! Da hätte ich richtig Bock drauf, das hier kann man sich schon gut anhören für die Nostalgie-Kicks, aber Jack war auch nie mein Top Favorit, eher ein guter Typ für Featureparts. Allgemein zu begrüßen dass die Boys nochmal was machen, sind immer noch genauso locker drauf wie eh und je... scheint schon von Vorteil zu sein, wenn man damit keine Kohle verdienen muss.

      P.S. Zeichen & Muster ist immer noch das beste Deutschrap Album überhaupt, der Fanboy hat gesprochen.

    • Vor 3 Jahren

      Danke f d Track-Hinweis, wäre mir durchgerutscht. Gut finde ich ihn aber ehrlich gesagt eher nicht, auch wenn ich schon ein, zwei mal lachen musste. Ein bisschen wie bei diesem alternatif.lifestyle-Ding.

    • Vor 3 Jahren

      Danke Ninja, mir gefällts

    • Vor 3 Jahren

      Taugt mir auch gut! Hatte ich gar nicht mitbekommen. Bin gespannt, ob da wirklich noch mehr kommt. :)

    • Vor 3 Monaten

      „Fumanschu gehörte meiner Meinung nach zu den Besten von MOR, zusammen mit Savas und Justus. Jack mag ich sehr, aber verglichen mit den anderen war der eher der schlechteste, nach - in dieser Reihenfolge - Ronald Mack Donald, Fuat, Martin B. und Illo.“

      Muss meine Meinung revidieren, Fuat gehört klar mit zu den besten bei MOR.

  • Vor 3 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.