laut.de-Kritik

Illusorisches aus der Asche von Cinema Bizarre.

Review von

Jack Strify trat bislang vor allem als Frontmann von Cinema Bizarre in Erscheinung. Letztere sahen nicht nur aus, sondern klangen auch wie ein schlagerhafter Kita-Aufguss von Japan. Doch solo soll nun alles anders werden. Aus der Asche der Mutterband hebt Strify sein Debütalbum "Illusion" und erweckt damit alle bösen Geister der 80er zum Leben.

Strifys Plan erscheint ambitioniert und gelungen. Das Ziel: die Erschaffung eines eigenständigen Mikrokosmos', der musikalisch Wave, Synthie-Pop, Glam und Rock miteinander vermählt. Große Vorbilder sind auch vorhanden: "David Bowie ist einer meiner großen Helden, der mich unbewusst ganz bestimmt ständig beeinflusst." So weit, so gut.

Man hört den 14 Stücken den unbedingten Ehrgeiz an. Es gibt nur ein Problem: Schon zu Zeiten Cinema Bizarres zeigte sich recht deutlich, dass Strifys Stärken eher im Bereich der Performance denn im Songwriting liegen. Ähnlich wie beim Ex-Boygroup-Kollegen Robbie Williams bedeutet das, dass die Platten immer nur so viel taugen, wie der jeweilige Songwriter als Partner kompositorisch zu bieten hat.

Da zeigt sich auf Albumlänge recht schnell, dass JS im Gegensatz zu RW leider kein Kaliber à la Guy Chambers zur Seite steht. Den Job als Songwriterin übernimmt Michelle Leonard. Doch eine Engländerin macht längst keinen Britpop-Sommer. Songs wie "Angel" oder "Illusion" klingen trotz spacig gezogener Synthie-Line unangenehm nach Modern Talking-B-Seite. Bei "Lovers When It's Cold" sogar nur noch nach Thomas Anders' zahllosen Solomissverständnissen. Spannungsbogen? Fehlanzeige!

Kein Wunder! Leonard war nicht nur Kernsongwriterin bei Cinema Bizarre. Sie betätigte sich unter anderem bereits ausgiebig als Komponistin für diverse DSDS-Belanglosigkeiten und trug maßgeblich zum musikalischen Niedergang des verdienten Postpunk-Urgesteins Joachim Witt bei. Unter ihrer Regie gab es statt legendärer Wave-Perlen ("Silberblick", "Edelweiß") vor allem biedere Reißbrettkost der Sorte "Dom".

Den Weg des Nivellierers auf Ladidah-Niveau setzt sie auf Strifys Erstling fort. Das fällt besonders bei Tracks wie "Hearts Are Digital" oder dem Duett "Electric" auf. Rhythmus, Sound und Produktion orientieren sich hier erkennbar am Meister des gehobenen Kajaltopfes, IAMX. Besonders den Vergleich zu dessen Meisterwerk "Kingdom Of Welcome Addiction" fordert das Gespann Strify/Leonard geradezu offensiv heraus. Den können sich die lahmen Lieder von "Illusion" jedoch keine Sekunde lang leisten.

Denn wo jener echte Dramaturgie und große Melodien zu bieten hat, gibt es hier lediglich die musikalische KIK-Variante im zugegeben schmucken 80er-Design. Gut geklaut wäre halb gewonnen. Doch stehlen dürfen nur Genies. Spätestens bei pathetischen Konfektions-Nichtigkeiten wie "Glory" oder "The Matrix" weiß der Hörer: Es wäre hilfreich, wenn man sich nicht nur das Makeup mit den Ikonen teilen würde, sondern auch das Talent.

Wenn man die Platte komplett durch hat, möchte man Strify nicht ins ins Regal zwischen Depeche Mode, IAMX oder Yazoo platzieren, sondern Alison Moyet nach ihm werfen und sich von Gary Numans "Berserker" retten lassen. Strify: "Ich habe das Album 'Illusion' genannt, weil ich letztendlich lieber meine Illusionen habe, als gar nichts." Das hört man leider auch.

Trackliste

  1. 1. Hearts Are Digital
  2. 2. Burn/Fear
  3. 3. Electric feat. Bonnie Strange
  4. 4. Angel
  5. 5. My Obsession
  6. 6. Just An Illusion
  7. 7. Lovers When It's Cold
  8. 8. Face To Face
  9. 9. Glory
  10. 10. The Matrix
  11. 11. Not My God (vs. Losers)
  12. 12. Metropolis
  13. 13. (In Your) Waiting Room
  14. 14. Burn/Fear Remix

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