laut.de-Kritik
Dieser Reggae aus München hat Roots wie ein großer Baum.
Review von Dani FrommDem unaufmerksamen Hörer mag "Grounded" wenig spektakulär erscheinen: Unterstützt von seiner Gitarre und einer Truppe gestandener Musiker verschreibt sich ein junger Mann der jamaikanischen Volksmusik. Solches gab es bereits. Und wird es geben, so lange die Sonne scheint und das Gras wachsen lässt. Außergewöhnlich wirkt an Dominik Haas' Gesang - oberflächlich betrachtet - nichts. Weder Tonlage noch Stimmvolumen setzen in irgendeiner Richtung neue Maßstäbe. Woran liegt es also, dass Jahcoustix, schenkt man ihm nur wenig mehr als ein halbes Ohr, nicht nur die Saiten seines Instruments zum Klingen bringt?
"My mission is to sing out loud." Im Gegensatz zu manch anderem, der bereits verbissen verkündete, "dis is a positive movement", verbinden sich bei Jahcoustix Spaß an der Sache, gute Laune und entwaffnende Ehrlichkeit zu einer charmanten Mixtur, die das gesteckte Ziel, ein Lächeln auf das eine oder andere Gesicht zu treiben, problemlos erreicht. Tief empfundene Dankbarkeit und Ehrfurcht vor den Wundern und Wirren, die das Leben bereit hält, wirken ganz und gar nicht aufgesetzt. Sollte Jahcoustix jemals den bedauerlichen Entschluss fassen, die Gitarre an den Nagel zu hängen, rate ich ihm zu einer Karriere in der Versicherungs- oder Gebrauchtwagen-Branche. Ich zumindest kaufe diesem Mann alles ab.
Jahcoustix hört sich an, als würde er sich ununterbrochen ein Loch in den Bauch freuen. Wer ihn einmal auf der Bühne sah, der weiß, dass dieser Eindruck nicht trügt. Ob beschwingt vorgetragene gute Vorsätze ("Somebody"), ob fröhlicher Lovesong ("Appreciation") oder eine kleine Abhandlung über das Elend der Welt ("Suffer"): Jahcoustix scheint die Sonne taghell aus dem Arsch. Auch, wenn lange nicht alles glatt geht, in babylonischen Zeiten: Lamentieren ist die Sache Jahcoustix' nicht. Er vertraut felsenfest auf den längeren Atem des Guten. "Everything negative shall become positive." So einfach kann es sein.
Die Dubios Neighbourhood zählen nicht umsonst zur Stammbesetzung in der deutschen Reggaeszene: Was hier gespielt wird, tönt wahrhaft bodenständig, doch wich die Erfahrung glücklicherweise keiner sterilen Routine. Groovende Basslinien schrauben sich durch die Tunes und verleihen ihnen ein stabiles Rückgrat, um das sich von leichter Hand arrangierte Instrumentalparts winden. Ob Tasten, Bläser oder Gitarren: Alles findet scheinbar mühelos an seinen Platz und fügt sich zu Klangbildern von schlichter Schönheit. Streiche "bodenständig", setze "geerdet". Um es mit den Worten Phenomdens auszudrücken: Was die Dubios Neighbourhood hier zum Besten geben, hat wahrlich Roots wie ein großer Baum.
Überraschend dicke Bässe ergänzen den leisen Einstieg zu "Truth Behind It All", Percussion und sparsam eingesetzte Dub-Effekte zieren "Steppin Forward". Ein einsames Saxophon setzt in "Good Man" Akzente, während in "Hot Stone" eine jazzige Barpiano-Episode Platz findet. "Salam Aleikum" erhält nicht nur durch die verwendete Sprache einen orientalisch-exotischen Touch: Dieser wird auch musikalisch aufgegriffen. Jahcoustix und Conscious Fiyah "inna combination" jagen energisch durch "On The Way", an vielen anderen Stellen hingegen herrschen sanfte Töne vor. Oft genügt eine simple Akustikgitarre, um die Stimmung einzufangen. In "Afreeca" schwelgt Jahcoustix, der als Jugendlicher etliche Jahre in Kenia zubrachte, in Erinnerungen und kreiert eine zarte, persönliche Liebeserklärung an den Schwarzen Kontinent.
Wer hat eigentlich das alberne Gerücht in die Welt gesetzt, Reggae sei Sommermusik? Wir schreiben Ende Oktober: "Grounded" verleiht einem trüben Herbsttag einen bunten Anstrich. Ich bin sicher, gleiches gelingt mit der kompletten Adventszeit, dem Jahreswechsel und dem ohnehin allgemein überbewerteten Frühling, und wenn dann die Tage wieder länger und schließlich sommerlich warm werden, dann wird diese Platte immer noch zauberhaft sein.
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