Porträt

laut.de-Biographie

Jahcoustix

"Dis is a positive movement", verkündete einst Gentleman von einer Bühne herunter. Jahcoustix kann sich solche Ansagen getrost sparen: Ihm scheint die Sonne derart taghell aus dem Arsch, dass seine Dankbarkeit, sein Optimismus und die Freude an den Vibes auch dem letzten Miesepeter ein Lächeln aufs Gesicht zwingen.

Jahcoustix - Crossroads
Jahcoustix Crossroads
Feiert den Moment, predigt Ehrlichkeit und Treue.
Alle Alben anzeigen

Als Sohn eines Diplomaten kommt man ordentlich herum. Dominik Haas erblickt am 4. Oktober 1978 in Bonn das Licht der Welt. In der damaligen Hauptstadt oder auch nur im kalten Deutschland hält es die Familie aber nicht lange. "Wir sind alle paar Jahre umgezogen", erinnert sich Dominik. Er verbringt eine behütete Kindheit in Mexiko, Liberia und New York, später in Kenia und Ägypten.

Als 14-Jähriger kommt Dominik in Kenia erstmals bewusst die Musik seiner einheimischen Freunde zu Ohren: Die positive Kraft des Roots-Reggae, die auch unter erbärmlichen Lebensumständen ihre Wirkung entfaltet, macht tiefen Eindruck. Fasziniert beschäftigt sich der weiße Teenager mit Geschichte und Philosophie des Rastafari-Glaubens. Darüber hinaus beginnt er, Gedichte zu verfassen.

Mit 16 Jahren bekommt er die erste Gitarre geschenkt und untermalt ab sofort seine Verse mit Musik. Anfangs noch beeinflusst von den Doors und Alice in Chains, bricht sich bald mehr und mehr das Reggae-Fieber Bahn: Bob Marley, Peter Tosh, Burning Spear, Israel Vibration und Culture liefern den Soundtrack zum täglichen Leben. Dominik besucht die deutsche Schule in Nairobi, mit deren Schulband er erstmals auf einer Bühne steht. Man covert Rock aus den 60ern.

Das kann ja wohl nicht alles sein: Dominik gründet seine eigene Band, die sich - noch recht wacklig - auf dem Reggae-Parkett versucht. "Gegroovt hat es nicht, aber die Vibes waren sweet", so die realistische Selbsteinschätzung. Zwei Jahre später hat es Dominik nach Kairo verschlagen. Auch hier gibt es eine Schulband, die allerdings nur unregelmäßig probt. Also wird außerhalb der Bildungsanstalt musiziert: Dominik singt und spielt gemeinsam mit seinem besten Freund George.

Nach dem Abitur, das er 1998 in Kairo ablegt, entscheidet sich Dominik für eine Rückkehr nach Deutschland. Er sichert sich einen Ausbildungsplatz bei einer Plattenfirma und zieht nach München. Auch hier finden sich musikalische Freunde: Bis sich die Gruppe 2000 in Folge künstlerischer Differenzen trennt, spielen Dominik & Co. eine Mischung aus Reggae, Jazz und Pop und versehen das Resultat mit dem Etikett "Jeggae Music". Anschließend steigt Dominik bei gleich zwei Reggae-Bands, bei Headcornerstone und der seit 1996 aktiven Dubios Neighbourhood, als Backgroundsänger ein.

Mit der Wahl seines Künstlernamens illustriert er seine Vorstellung von Sound: Jah, der Inbegriff von Spiritualität, trifft auf Akustik: Heraus kommt etwas, das Jahcoustix als "organisch-akustischen Soul-Reggae" bezeichnet. In seinen Texten referiert er, mal philosophisch, mal kritisch, mal spirituell, eigene Erfahrungen und Gefühle. Ab 2001 konzentriert er sich auf seine Arbeit mit Dubios Neighbourhood. Nach etlichen Umstrukturierungen innerhalb der Band wechselt Jahcoustix vom Background- zum Leadgesang.

Während sich die Gruppe durch zahllose Live-Shows in der deutschen Reggae-Landschaft etabliert, behält Jahcoustix nebenbei eine Solo-Karriere im Blickfeld. Gemeinsam mit Milan Meyer und Matthias Arfmann (genau jener Arfmann, der auch an den Reglern der Beginner den Shit tight machte) produziert er im Sommer 2002 in Hamburg ein vier Tracks starkes Demo, das ihm zu einiger Aufmerksamkeit verhilft. Im Spätherbst geht er als Support-Act von Patrice auf die Reise, im April 2003 unterschreibt er einen Vertrag bei Virgin Records.

Nach einer weiteren Tour mit Patrice, Auftritten im Vorprogramm von Mellow Mark und dem ersten Album "Souljahstice" mit Dubios Neighbourhood, das nach diversen technischen Schwierigkeiten im September 2003 erscheint, veröffentlicht Jahcoustix im April darauf sein Solo-Debüt "Colourblind". Herrschten auf "Souljahstice" noch entspannte Rootsreggae-Vibes, erweitert Jahcoustix sein Repertoire im Alleingang um Elemente aus Soul und Blues. Ben Harper, Finley Quaye und Tracy Chapman liefern Inspiration. Jahcoustix legt allerdings Wert auf Eigenständigkeit: Sich eine "musikalische Uniform" anzuziehen und bewährte Konzepte anderer Künstler abzukupfern, das kommt keinesfalls in die Tüte.

Der Veröffentlichung von "Colourblind" folgen zahllose Auftritte mit Band: Man spielt beim Afrika Festival, beim Summerjam, beim Chiemsee Reggae Summer, aber auch beim Sudoeste Festival in Portugal oder dem Jazzfestival in Montreux. Jahcoustix teilt die Bühne mit den Söhnen Mannheims, UB 40, India Arie, den Israel Vibrations, Gentleman und Capleton. Eine einwöchige Tour durch die USA sorgt für weitere neue Eindrücke.

Darüber hinaus nehmen die Aufnahmen für "Grounded" Zeit in Anspruch: Auch ohne dicke Features von der Insel durchzieht zauberhaft jamaikanisches Lebensgefühl das zweite Album der Dubios Neighbourhood. Neben Roots-Reggae stellt Jahcoustix etliche akustische Songs sowie einige Stücke, die in Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Peter Hoppe, einem Downbeat-Produzenten aus dem Boozoo Bajou-Umfeld, entstanden.

Jahcoustix räumt Ende 2005 in der Kategorie "Reggae Kings", in der auch Dr. Ring-Ding, Patrice und Gentleman nominiert sind, neben Ras Donovan und Anthony Locks, den erstmals verliehenen Reggae-Grammy ab. Im Folgejahr ist er gemeinsam mit Dubios Neighborhood für den Preis für die beste Reggae-Show nominiert. Ende September 2006 wärmt Jahcoustix, bewaffnet mit Gitarre und umwerfendem Charme, die Bühnen des Landes für Martin Jondo. Im November geht es mit der Präsentation des eigenen Albums "Grounded" nahtlos weiter.

Die Tour mit Martin Jondo, bei der Jahcoustix als Akustik-Act im Vorprogrammm mitwirkte, trägt ungeahnte Früchte: An sonnigen Nachmittagen vertrieben sich die Musiker damals mit Jamsessions im Freien die Zeit. Die sparsam instrumentierten Stücke, die dabei entstanden, bannen Jahcoustix und die sinnig Outsideplayers genannten Kollegen samt den unkomplizierten guten Vibes auf einen Tonträger. "Jahcoustix And The Outsideplayers" erscheint im Sommer 2008.

Der Nachfolger "Crossroads" überzeugt unter anderem durch den dramaturgisch klug gemachten Song "Symphony Of The Elements". Für das nächste Album, "Frequency", lässt der Münchner sich etwas Besonderes einfallen: Erst bringt er die CD als Band-Produktion heraus. Ein gutes Jahr und zahlreiche Konzerte später schiebt er eine überarbeitete Version nach: "Acoustic Frequency". Darauf hört man ihn vor allem unplugged, konzentriert auf sich und seine Gitarre.

Genau so tritt er in der Folge auch in ausgedehnten Wintertourneen in kleinen Clubs auf und macht so seinem Künstlernamen (J)ahcoustix alle Ehre. Dennoch gerät das Album nicht einseitig, variiert das Tracklisting von "Frequency" etwas und schließt sogar mit einigen Dub-Versionen seiner Freunde Syrix und Umberto Echo.

Das "Frequency"-Album positioniert ihn einmal mehr als politischen Künstler: Songs wie "Calling For Rights" und "Kings Of Democracy" weisen den Weg Richtung Menschenrechte. Den vergleichsweise oberflächlichen, aber effektvoll up-liftenden Titel "World Citizen" mit Shaggy, aus dem Jahr 2012, recycelt Jahcoustix für die "Acoustic"-Ausgabe. "Don't Shoot" befasst sich mit Schusswaffen. Musikalisch ist der Titel mehr ein Soul- als ein Reggae-Track. Kabaka Pyramid und der Italiener Raphael unterstützen den deutschen Reggae-Akustiker. Die dubbenden Kollegen Syrix von Irievibrations und Umberto Echo, Mixmaster aus München und Link-Up zum Label Oneness Records, werden für die nächsten Jahre zu besonders treuen Kooperationspartnern.

Das lyrisch sehr direkte Album "Seriously Positive" wartet mit vielen Bezügen zum frühen Reggae und Rocksteady auf. "Pressure Drop" ist kein Cover von Toots & The Maytals, könnte aber aus derselben Ära stammen, klingt entspannt und fluffig. Trompetensolo, psychedelische Keyboard-Samples und ein sehr karibisch gespieltes Schlagzeug tragen dazu ebenso viel bei wie die Stimme von Jahcoustix.

Der Song "Soul Steady" verweist bereits im Titel auf die Würdigung der ganz alten Forefathers der Rasta Culture. Auch "Attack And Release" und weitere Songs hören sich alt an, 'vintage'. Der Schlüsselsong dürfte aber "Too Brutal" sein. Hier klingen die sanften Klangwellen der süddeutschen Bardenstimme wie durch ein Megaphon gesogen. Im Video trottet der Sänger durch heruntergekommene Straßenzüge mit Kopfsteinpflaster in Berlin, die vor der Wende bessere Tage gesehen haben. In Händen hält er ein hochmodernes Tablet, auf dem Bilder von Gewaltszenen aus dem täglichen TV-Trash aufflackern.

Jahcoustix hat sich über die Jahre eine Fan-Gemeinde erspielt, die an ihm derart klebt, dass ihm etliche Leute für mehrere Konzerte hinterher reisen. Jahcoustix-Gigs erweisen sich immer wieder als intensiv, selbst wenn er sie als One Man-Show gibt. Als Support-Act nimmt er sich 2017 den aufstrebenden Akustik-Reggae-Poeten Tóke aus Hamburg mit. Mit ihm nimmt er später auch den Titel "Thin Red Line" auf.

Für 2018 ist Jahcoustix im Rahmen des Klub Kartell für einige große Shows bei Open Air-Festivals engagiert. Zusammen mit Seeed-Sänger Dellé, Sebastian Sturm und Ganjaman gestaltet er interessant aufgebaute 100 Minuten-Konzerte. Alle vier Persönlichkeiten bringen Songs ihrer jeweiligen Bands und/oder Soloprojekte ein. Zugleich performen die Vier diese Titel aber alle als mehrstimmige Combo. Besonders Klassiker wie "Papa Noah" aus dem Seeed-Repertoire punkten fett.

Anschließend geht Jahcoustix wieder alleine ins Studio und spielt für "Reunion" zehn neue, nachdenkliche Songs ein. Das Album erscheint nur digital. Höhepunkte sind das Hammond-Orgel-Intro des ruhigen "Beyond Imagination", das space-dubbige Duett "Reunion" mit Meta Dia von Meta And The Cornerstones und das hymnische "Live My Dream". Als "alter Hase" bespielt er Europas größtes Afrikafestival in Würzburg im Frühjahr 2019.

Während des Lockdowns fallen nahezu alle Reggae-Live-Optionen weg. Der Songwriter hat sich aber bereits einem neuen Projekt zugewandt, Niki's Kindermusik. 'Niki' ist abgeleitet von Dominik. Der erste Song handelt von Milchreis mit Zimt und Zucker. Obwohl er sich damit perfekt für den Maus-Geburtstag qualifiziert, erwählen Maus, Elefant und WDR zum 50. ausgerechnet Mark Forster für einen Gratulations-Song auf Reggae-Beats. Zeitgleich hat Jahcoustix aber sowieso einen neuen Job: Auf dem Album "Echoes" von Sebastian Sturm duettiert sich Dominik mit Dellé im Background. Er zeigt eindrucksvoll, dass er mehrstimmigen Harmoniegesang im Stile der jamaikanischen Sixties-Vokalgruppen beherrscht.

Alben

Surftipps

Noch keine Kommentare