laut.de-Kritik
Even more Oxymore mit Gore, Van Buuren und Co.
Review von Jakob HertlMit 75 Jahren genießen andere Menschen ihre Rente, kümmern sich um Garten, Enkel und maximal vielleicht noch die Mitgliedschaft im Kegelverein. Jean-Michel Jarre scheint das nicht zu reichen – nach über 50 Jahren in der Szene hat die französische Elektro-Legende immer noch Durst nach neuen Songs, neuen Features, neuen Klangwelten.
1976 gelang dem Produzenten mit "Oxygène" der Durchbruch. Daraus wurde über die Jahre eine Trilogie, das "Oxy"-Motto zog sich durch bis ins Jahr 2022, als Jarre das experimentelle "Oxymore" veröffentlichte. Nun, knapp ein Jahr später, folgt "Oxymoreworks", eine Sammlung von Neuinterpretationen der "Oxymore"-Tracks mit einer wilden Bandbreite an Gastmusikern.
Insgesamt neun neue Versionen haben es auf die Compilation geschafft. Angefangen bei "Brutalism Take 2" mit Depeche Modes Martin Gore, das den düsteren Vibe des Originals beibehält, aber in ein groovigeres, tanzbares Gewand legt. Auch die "Brutalism Reprise"-Variante mit dem mysteriösen DJ und Produzenten Deathpact überzeugt mit wummerndem Bass und Ambient-Einflüssen.
Das atmosphärische "Synthy Sisters Take 2" mit der britischen Nachwuchs-Komponistin Adiescar Chase geht ein wenig unter, weil es dem Original die Ecken und Kanten raubt. Umso mehr davon gibt es in der überraschenden Interpretation "Sex In The Machine Take 2" mit Techno-Shootingstar Nina Kraviz. Neben den erwartbaren Acid- und Minimal-Techno-Einflüssen wagt sich Jarre mit der Russin sogar in Trapbeat-Muster.
"Epica" erhält gleich drei Neuanstriche: einen – dank starker Drum-Loops – sehr überzeugenden mit Brian Eno (ehemals Roxy Music), einen recht modernen, soften mit Jarres Landsmann French 79 und einen mit Trance-Star Armin Van Buuren. Bereits 2015 auf "Stardust" haben die beiden zusammengearbeitet und schätzen sich sehr. An den damaligen Collabo-Track kommt "Epica Maxima" zwar nicht heran, trotzdem hört man den unverkennbaren Sound beider Künstler heraus und kann die Nummer gut durchhören.
Den Abschluss machen zwei Versionen von "Zeitgeist". Während die erste mit NSDOS einfach nur chaotisch und verwirrend klingt, schließt "Zeitgeist Botanica" mit Irène Drésel das Album auf groovige und doch deepe Art und Weise perfekt ab.
Pluspunkte bekommt "Oxymoreworks" für den abwechslungsreichen, genreübergreifenden Sound und die gelungene Auswahl talentierter Gastmusiker. Vor allem die Versionen mit Martin Gore, Brian Eno und Irène Drésel fallen positiv auf. Aber wie bei vielen Remake-Alben kommen einige der Tracks nicht an das Original, geschweige denn an ältere Werke von Jarre heran. In der richtigen Stimmung macht die Platte wirklich Spaß, nachhaltig im Kopf bleibt jedoch wenig.
Zugutehalten muss man Jarre seine musikalische Offenheit und den Mut, auch nach vielen Jahren in der Szene nicht vor neuen Soundideen zurückzuschrecken. Selbt sagt er über das Album: "Ich habe mich an Musiker gewandt, von denen ich glaube, dass sie eine neue Dimension in jeden Track bringen" – das ist ihm gelungen. Und weiter: "Oxymoreworks ist ein Zeugnis für die Kunst der Zusammenarbeit, eine lebendige Sammlung musikalischer Dialoge."
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