laut.de-Kritik

Schnörkellos schöne Songs ohne Lippenstift und Make Up.

Review von

Alles hat ja bekanntlich (s)ein Ende, und so endet mit "Curtains", zumindest vorübergehend, auch die schier unglaubliche Veröffentlichungswut von Mr. John Frusciante. Schlag auf Schlag ging es da die letzten Monate, Album, Album, E.P., Album etc. pp, stets facettenreich und vielschichtig, oftmals Low-Fi, jedoch niemals belanglos.

Stand der Vorgänger "A Sphere In The Heart Of Silence" noch ganz im Banne des elektronischen Krautrocks, so besinnt sich Frusciante auf "Curtains" wieder auf seine akustische Ader und instrumentiert seine elf Köstlichkeiten ganz sparsam und traditionell: Akustikklampfe, ein bisserl Bass und Schlagwerk, hie und da noch eine einsame Harmonika. Das wars dann auch schon.

Dennoch oder gerade deshalb ist das vordergründig zunächst einmal ziemlich ruhige Album sehr intensiv geraten. Und wieder einmal finden sich auch unter den Songs auf "Curtains" eine ganze Reihe sanft schimmernder Perlen, die einen mal an dies (z.B. Cat Stevens), dann wiederum an das (z.B. Velvet Underground) oder auch einmal jenes (z.B. barocke Lautenadaptionen) erinnern.

Dabei ist es geradezu unverschämt, mit welcher Regelmäßigkeit und Leichtigkeit Frusciante Pretiosen wie "Lever Pulled", "A Name" oder "Time Tonight" aus dem Ärmel schüttelt, eigentlich alles ganz einfache schnörkellose Songs ohne Lippenstift und Make Up. Und doch haben sie alle in ihrer Schlichtheit ein magisches Moment, das sehr vielen von Frusciantes Songs/Produktionen anhaftet. Da steckt in einem Zwei-Minuten-Stück oft mehr Gehalt und Ausdruck als in fünf Alben anderer Bands/Künstler.

Dass dem so ist, liegt natürlich nicht zuletzt am einzigartigen Gesang des Mannes, der ja auch bei den Livesets der Chili Peppers mehr und mehr in den Mittelpunkt rückt. Eindringlich klagend und doch versöhnlich gurrend, säuselnd und fistelnd hört man in jeder Sekunde von "Curtains", wer am Mikro agiert. Verwechslungen ausgeschlossen. Das macht den großen Sänger aus. Elvis? Freddie Mercury? Morrissey? Alle erkennt man sie nach einem halben Takt ... so auch Frusciante.

In Punkto Gitarrenakrobatik hingegen hält sich der Meister diesmal dezent zurück, was dem Charakter der Songs absolut entspricht und dem gesamten Flow des Albums gerecht wird. Sein Können verheimlicht er dennoch an keiner Stelle, zu sehr auf den Punkt kommen auch die spartanischsten Pickings auf "Curtains". Zudem hört man eine ungeheure Reife in Sachen Songwriting und Erfahrungen mit der klassischen Kompositionslehre aus jedem der elf Tracks heraus. Das ist eigentlich nicht überraschend, aber doch immer wieder höchst erstaunlich. Und wenn dann wie in "Anne" doch mal kurz die Klampfe mit dem Johnny durchgeht ...

Auch textlich bleibt größtenteils alles beim alten. Verwirrend, mystisch, (wahrscheinlich) sehr persönlich, scheinbar resignierend, dann doch wieder hoffnungsvoll - das lyrische Universum von Frusciantes Werk ist immer ein wenig undurchsichtig. Zeilen wie "Emptiness Replace My Soul" sind, in einem fort wiederholt, durchaus dazu angetan, sich gewisse Gedanken über den Seelenzustand des Interpreten zu machen. Auf mich wirkt das in Verbindung mit seiner Musik allerdings immer sehr versöhnlich, zum Teil auch geradezu demütig. Aber auf keinen Fall depri.

Alles in allem ist "Curtains" ein in sich sehr geschlossenes stimmiges Album und ein würdiger Abschluss des nahezu einjährigen Reigens Frusciantescher Soloergüsse. Aber das nächste Peppers-Album steht vermutlich ja schon bald wieder vor der Tür, so dass wir auf unseren Johnnyboy nicht allzu lange warten müssen. Zum Glück.

Trackliste

  1. 1. The Past Recedes
  2. 2. Lever Pulled
  3. 3. Anne
  4. 4. The Real
  5. 5. A Name
  6. 6. Control
  7. 7. Your Warning
  8. 8. Hope
  9. 9. Ascension
  10. 10. Time Tonight
  11. 11. Leap Your Bar

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24 Kommentare

  • Vor 19 Jahren

    Vorhang zu.

    Mit "Curtains" als sechstes und letztes Kapitel gelingt John Frusciante ein runder Abschluß der Veröffentlchungswahn der letzten sechs Monate.

    Seine mit Schmerz befleckte Stimme, die ruhige Akustikgitarre und das Piano stehen im Mittelpunkt. Die spärlich eingesetzten Drums, Synthie-Sounds und E-Gitarren ergeben ein wunderschönes Gesamtkonzept.

    Während des Hörens gab ich mich meinen Weltschmerzgedanken hin, ohne in eine Endzeitstimmung zu verfallen.

  • Vor 19 Jahren

    Meiner Meinung nach sind Curtains und The Will to Death die besten des Veröffentlichung Marathons.
    Wobei The Will to Death mich damals regelrecht vom Hocker gerissen hat und ich tagelang nichts anderes gehört habe.

    Insgesamt war mir das ganze allerdings ein bisschen zu viel des guten.
    Das beste der 6 Platten auf 2 oder 3 verdichtet hätte bei mir einen positiveren Eindruck hinterlassen.

    So hab ich jetzt viel supergeiles, aber auch viel eher mäßiges Frusciante Material im CD Schrank stehen.

  • Vor 19 Jahren

    jepp! das beste von allen Ergüssen zusammengefasst, wäre ein tolles Album geworden, fand aber generell, dass nach Shadows Collide... er etwas nachgelassen hat, und das is ja schon was her