laut.de-Biographie
John Frusciante
Die Red Hot Chili Peppers sind seine absolute Lieblingsband, deren Gitarrist Hillel Slovak sein größtes Idol. Als der am 5. März 1970 geborene John Frusciante 1986 im Variety Arts Center in L.A. seiner Götter ansichtig wird, ist es erst recht um ihn geschehen. Fortan übt er die Songs seiner Helden auf der Gitarre noch besessener als zuvor. Den L.A.-Gig nimmt er außerdem zum Anlass, die Band backstage zu treffen.
Wie die Legende besagt, beginnt ab diesem Tag - trotz des Altersunterschieds von acht Jahren - eine innige Freundschaft zwischen Frusciante und den Peppers (bestehend aus Anthony Kiedis, Flea, Hillel Slovak und Jack Irons), zu deren Gedeihen vor allem Frusciante beiträgt, der der Band zu unzähligen Konzerten hinterher reist. Seine Begeisterung für Slovaks Gitarrenspiel beschrieb Frusciante später einmal so: "Ich versuchte, genau so zu spielen wie er. Meine Freunde meinten, ich hätte einen eigenen Stil, doch alles was ich machte, war, Hillel zu kopieren."
Nach dem Achtungserfolg "The Uplift Mofo Party Plan" von 1987 und der '88er EP "Abbey Road" arbeiten die Chili Peppers gerade am vierten Studioalbum, das "Rockin' Freakapotamus" heißen sollte (heute der Name des RHCP-Fanclubs), als Hillel Slovak am 25. Juni 1988 an einer Überdosis stirbt. Die Band ist geschockt und nimmt sich eine einjährige Auszeit. Als Anthony und Flea 1989 die Band wiederbeleben wollen, hat das zukünftige Pearl Jam-Mitglied Irons das Boot bereits verlassen. Der ebenfalls geschockte John Frusciante ist gerade dabei, ein Angebot der L.A.-Combo Thelonious Monster anzunehmen, als er seinen jugendlichen Traumjob als Chili Peppers-Gitarrist angeboten bekommt.
Der Zeitpunkt hätte günstiger nicht sein können. "Mother's Milk" wird mit dem jungen Frusciante noch erfolgreicher als der Vorgänger, erreicht Gold-Status und bringt die Band erneut auf Tour nach Europa. Der große Wurf gelingt den Peppers dann 1991: "Blood Sugar Sex Magik" entwickelt sich zu Beginn des Crossover-Booms rasch zum Welterfolg und ist zu großen Teilen dem Gitarrenspiel Frusciantes zu verdanken. Um den plötzlichen Ruhm zu verdauen, setzt der 20-Jährige wie auch Sänger Kiedis auf üppigen Drogenkonsum, der sich beim Nesthäkchen verstärkt in unvorhersehbaren Verhaltensweisen äußert.
Zu dieser Kategorie gehört sein abrupter Ausstieg bei den Peppers inmitten einer Japan-Tournee 1992. Ein Entschluss, den ihm Anthony bis zum Wiedereinstieg im Jahr 1998 nicht verzeiht. Einzig Flea hält sporadischen Kontakt zu ihm aufrecht. In den sechs Peppers-losen Jahren führt Frusciante das Leben eines millionenschweren Einsiedlers, der sich in seinem Haus in L.A. einschließt und penibel auf uneingeschränkte Drogenzufuhr achtet.
Dank den Überredungskünsten seiner Kumpels River Phoenix, Gibby Haynes (Butthole Surfers) und Perry Farrell (Jane's Addiction) veröffentlicht John 1994 seine privaten Aufnahmen "Niandra Lades" (Songs 1-12) und "Usually Just A T-Shirt" (Songs 13-25) auf einem Album über Rick Rubins Label "American Recordings". Die enttäuschenden Verkaufszahlen kümmern den Misanthropen Frusciante wenig. Ihm geht es einzig darum, seine "wahren Gefühle" zu vermitteln, die ihm Stimmen und Seelen aus dem weiten Universum zuflüstern.
Auch auf dem Nachfolger von 1997 krächzt John seine unmittelbaren, nunmehr stark von Heroin kontrollierten Emotionen ungefiltert zur Akustikklampfe ins Aufnahmegerät. Der Release hat diesmal keine idealistischen Gründe mehr, der Eremit braucht schlicht Geld für noch mehr Drogen. Das verstörte und leidende Winseln auf "Smile From The Streets You Hold" gilt als das Paradebeispiel eines Junkie-Albums. Die Songs stammen aus dem Zeitraum zwischen 1988 und 1996, was anhand des durchgehenden Gejaules nicht weiter auffällt. 1997 unterzieht sich John einer Entziehungskur. Da die Peppers sich mit Dave Navarro gerade von ihrem x-ten Gitarristen verabschieden, veranlasst Flea eine unverbindliche Peppers-Jam Session mit John. Der Rest ist Geschichte.
Nach dem Megaerfolg von "Californication" veröffentlicht Frusciante 2001 sein auf Tour komponiertes, drittes Soloalbum "To Record Only Water For Ten Days", das sein ehemals vereinsamtes Outsider-Leben vorrangig in synthetischen Soundgefilden widerspiegelt. Bevor er mit seinen Peppers-Kumpels das zweite Hit-Album "By The Way" aufnimmt, veröffentlicht er 2002 auf seiner Homepage ein weiteres, eigenes Album mit neuen Songs. Seine Fans dürfen den Titel des reinen Internet-Albums aus vier Vorschlägen auswählen und entscheiden sich schließlich für "From The Sounds Inside". Im laut.de-Interview erzählt Chad Smith 2002, dass John zu der Zeit mit Stella Schnabel verlobt ist, der Tochter des Großformat-Malers Julian Schnabel, der auch für das Cover-Artwork von "By The Way" verantwortlich zeichnet. Die Beziehung geht jedoch in die Brüche.
2004 spielt John sein viertes Werk "Shadows Collide With People" ein, auf dem auch die Buddys Flea und Chad mitmischen. Kurz darauf versetzt der Kalifornier seine Fans in Feierstimmung: Frusciante lässt wissen, dass er weitere sechs Studioalben veröffentlichen wolle, die er seit Januar 2004 mit seinem Kollegen Josh Klinghoffer im Monatsrhythmus aufgenommen habe. Klinghoffer sollte ihn später nach seinem erneuten Ausstieg bei den Chili Peppers ersetzen.
Den Anfang macht Mitte 2004 das Werk "The Will To Death", eine Reminiszenz an die rauhen Hippie-Aufnahmetechniken der 60er und 70er Jahre mit vorwiegend düsteren Songs. Es folgen: "Automatic Writing" (unter dem Projektnamen Ataxia), "Inside Of Emptiness", "A Sphere In The Heart Of Silence", "Curtains" und die "DC EP". Alben, die aufgrund ihrer stilistischen Vielfalt ein ganz neues Publikum auf den Mann aufmerksam machen.
Nach seinem zweiten Ausstieg bei den Chili Peppers im Jahr 2009 wendet sich Frusciante von jeglichen kommerziellen Ansprüchen an seine Musik ab. "The Empyrean" bildet den Schwanengesang des alten Frusciante-Stils. Mit Omar Rodriguez-Lopez, dem Gitarrero von The Mars Volta, verschenkt Frusciante anschließend in kurzer Folge zwei Alben als Gratisdownload, bevor er seine Anhängerschaft mit überraschenden Electronica-Experimenten konfrontiert, die nach Aussagen des Musikers im 2014er Album "Enclosure" gipfeln. Das Album entstand parallel zu Frusciantes Produzententätigkeit für das Black Knights-Album "Medieval Chamber". Bereits 2011 heiratete der Amerikaner die Musikerin Nicole Turley. 2015 folgt die Scheidung.
Dass die Umtriebigkeit des Herrn vor Genregrenzen keinen Halt macht, dürfte sich bis nach Pusemuckel herumgesprochen haben, dennoch überrascht die Meldung, dass Frusciante das 2014er-Album "Medieval Chamber" der Hip Hop-Truppe Black Knights produziert. Auf seinen Soloalben verfolgt er den 2012 mit "PBX Funicular Intaglio Zone" eingeschlagenen Weg weiter und experimentiert ausschließlich mit Synths, Effektgeräten und sonstigem Noise, der sich radikal von seinen Nullerjahren-Alben und erst recht von den Chili Peppers entfernt. 2015 fängt er an, seine elektronische Musik unter dem Pseudonym "Trickfinger" zu veröffentlichen. Das erste Album erscheint unter demselben Namen, 2017 folgt eine EP.
Daher ist die Verwunderung groß, als kurz vor Weihnachten 2019 die Nachricht die Runde macht, dass Frusciante ein drittes Mal bei den Red Hot Chili Peppers einsteigt. Sein Vorgänger und Ex-Nachfolger Josh Klinghoffer räumt dafür seinen Platz.
Trotz seiner Rückkehr zu den Peppers widmet sich Frusciante weiterhin der elektronischen Musik. Unzer dem Aka Trickfinger publiziert er 2020 gleich zwei EPs, "Look Down, See Us" und "She Smiles Because She Presses The Button". Erstere erscheint im mit seiner Partnerin Marcia Pinna (alias Aura T-09) gegründeten Label Evar Records. Mittlerweile sind die beiden verheiratet, wie Pinna in einem Instagram-Kommentar bestätigt. Ebenfalls 2020 veröffentlicht Frusciante diesmal unter seinem Klarnamen das Album "Maya", das er nach seiner jüngst verstorbenen Katze benennt. Auf der Breakbeat-lastigen LP habe er sich neben Jungle-Musik auch von Artists wie Autechre und Aphex Twin inspirieren lassen, so Frusciante im Resident Advisor Podcast. Und schon 2023 - im Jahr 2022 veröffentlichen die Peppers gleich zwei Doppelalben - führt er seine Solokarriere ebenfalls mit dem Doppelalbum fort: ":II." bewegt sich zwischen Ambient und Noise.
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