laut.de-Kritik
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Review von Giuliano BenassiDer Aufkleber mit der Aufschrift "First Time On CD!" erscheint etwas aufgesetzt angesichts der Tatsache, dass es sich bei "Live In Denmark" um eine bekannte Aufnahme handelt. Nämlich um die Tonspur einer TV-Aufzeichnung, die im fernen Jahr 2006 via DVD auf den Markt kam. Auch eine Vinyl-Version ist verfügbar: Sony veröffentlichte sie zum Record Store Day auf roter und weißer Grundlage, was angesichts des Titels eher absurd wirkt.
Das Kleingedruckte auf dem Aufkleber hilft eher weiter, "features fantastic live versions". Die ersten 'fantastischen Versionen' kommen gleich zu Beginn: Das meisterhaft ironische "A Boy Named Sue" aus der Feder des Comiczeichners Shel Silverstein, das es in Johnny Cashs Version auf Platz zwei der US-Singlecharts schaffte, und Kris Kristoffersons "Sunday Mornin' Comin' Down", das beste Kater-Lied, das jemals geschrieben wurde.
Wie sehr der noch wenig bekannte Songwriter Cash gefiel zeigt sich daran, dass er auf einen Gassenhauer wie "Ring Of Fire" verzichtete und zwei weitere Lieder Kristoffersons in die Tracklist aufnahm, "Help Me Make It Through The Night" und "Me And Bobby McGee". Erstaunlich, wie reserviert das Publikum bei Letzterem wirkt, schließlich war Janis Joplin, die damit ihren größten Erfolg gefeiert hatte, erst im Jahr davor verstorben.
Von der "schlichten, geradezu sozialdemokratisch anmutenden Holzkulisse, die ein bisschen was von einem schwer missratenen Aufbau eines IKEA-Regals hat", wie Kollege Schuh es in der DVD-Kritik beschrieben hat, kriegt man auf CD zum Glück nichts mit. Dafür kann man sich umso mehr auf den Gesang und die Instrumente konzentrieren, die eine hervorragende Tonqualität besitzen.
Zuallererst fällt auf, wie viel besser Cashs Organ hier klingt als im drei Jahre zuvor aufgenommenen "At Folsom Prison". Er befand sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Noch hatte er in den USA eine erfolgreiche eigene TV-Show, dazu mit seiner Frau June Carter gerade ein Grammy für "Darlin' Companion" gewonnen, wie er stolz erzählt, und war noch regelmäßiger Gast in den Charts.
Das sollte sich alles bald ändern, doch genoss er hörbar den Abend. So versucht er sich an einer Ansage auf Dänisch, die sich allerdings ziemlich holprig anhört. Auch dass er seine Frau später auffordert, das Publikum auf Schwedisch zu grüßen, dürfte ihm verziehen worden sein, angesichts der Begleitung der Superlative, die er im Gepäck hatte.
Da wären die treuen Tennessee Three, mit Marshall Grant am Bass, W. S. Holland am Schlagzeug und Bob Wooton an der Gitarre. Letzterer hatte 1968 Luther Perkins ersetzt, der mit einer Zigarette sein Bett und sich selbst in Brand gesteckt hatte. Mit von der Partie war auch sein Bruder Carl Perkins, der 1955 mit "Blue Suede Shoes" einen der bekanntesten Rock'n'Roll-Songs geschrieben hatte. Den er hier natürlich zum besten gibt, gefolgt von seinem zweiten Evergreen, "Matchbox".
Den Anstoß für "Blue Suede Shoes" hatte übrigens Cash selbst geliefert, als er Perkins von seiner Stationierung bei der US-Army in Landsberg am Lech zu Beginn der 1950er Jahre erzählt hatte. Einer seiner Vorgesetzten habe sich stets mit dem Spruch " Just don't step on my blue suede shoes" verabschiedet.
Durchaus gelungen auch die Harmonieeinlagen der Statler Brothers, die vor allem durch "Flowers On The Wall" in Erinnerung geblieben sind, das auch im Soundtrack zu "Pulp Fiction" zu hören ist. Am meisten rührt jedoch der Auftritt der Carter Family, hier bestehend aus Cashs Ehefrau June, ihren Schwestern Helen und Anita sowie Mutter Maybelle. Als die Töchter in Begleitung des Schwiegersohns das Dankeslied "A Song To Mama" beenden, hagelt es den lautesten Applaus des Abends.
Der letzte Teil des Konzerts ist religiösen Liedern gewidmet, mit dem abschließenden, von allen Künstlern gemeinsam gesungenen "Children, Go Where I Send Thee" kommt richtig Gospel-Stimmung auf. Ein runder, gelungener Auftritt also, der mit "Folsom Prison Blues", "I Walk The Line" (das vielleicht beste Lied aus Cashs Feder) und dem gerade brandneuen "Man In Black" keine Wünsche offen lässt. Also gut, dass es nun auch offiziell und gut abgemischt als CD zu haben ist. Nur beim arg dünn gehaltenen Booklet hätten sich die Verantwortlichen mehr Mühe geben können.
Noch keine Kommentare