laut.de-Biographie
KAAS
"Ich erzähle Geschichten, die Kafka erzählt hätte, wenn er glücklich gewesen wäre. Geschichten deren Sinn sich erschließt, wenn man die Logik ausblendet. Kindliche Geschichten", erklärt Kaas gegenüber rap.de. Bis er sein eigenes Glück findet, hat er jedoch einen langen Weg zu gehen.
Lukas Michalczyk ist ein Kind der 80er. Er kommt im polnischen Kattowitz zur Welt. Die heile Familie wird früh auseinander gerissen: Als Lukas zwei Jahre alt ist, sucht sein Vater Lohn und Brot im gelobten Westen.
In Süddeutschland wohnen Verwandte. Mit vier Jahren folgt Lukas gemeinsam mit seiner Mutter dem Vater nach Reutlingen. Das musikalische Talent zeigt sich bald. Der schulische Flötenunterricht bringt aber auch Lukas' absoluten Unwillen an den Tag, sich mit Vorgefertigtem abzugeben. Er spielt lieber eigene Melodien.
Marky Mark und Dr. Alban übernehmen die weitere musikalische Früherziehung. Die Tore in die wunderbare Welt der Rap-Musik öffnet Warren Gs "Regulate".
Insgesamt läuft es aber überhaupt nicht rund. "Ich hatte wie fast jedes schüchterne, fantasiebegabte Kind in der Schule einen schweren Stand", erinnert sich Lukas. "Ich war eine richtige Null im Sport. Damit ist man unten durch."
Lukas, kürzer Kaas, zieht sich mehr und mehr zurück, grübelt, verfällt in Depressionen. Er quält sich zu einem mittelprächtigem Realschulabschluss. In einer kaufmännischen Ausbildung stellt sich bald die gleiche Ödnis ein.
1999 erschüttert das Massaker an der Columbine High School die Medienwelt. 2002 setzt Robert Steinhäuser in Erfurt noch einen drauf. Ein trübsinniger, einsamer Junge kann angesichts dessen leicht auf dumme Gedanken kommen. Kaas recherchiert über Amokläufe.
"Ich persönlich hätte damals aber gerne einen Rapper gehabt, der mir Mut macht und nicht nur von Bitches und Cash spricht. Mir hat jemand gefehlt, der ähnliche Probleme hat wie ich, damit ich merke, ich durchlebe nicht als einziger derart unangenehme Lebenssituationen", so Kaas gegenüber mzee.com.
Die Hilfe findet sich nicht im Hip Hop, sie kommt von oben. In einem Urlaub in Polen erlebt Kaas, was er selbst später nur eine "spirituelle Erweckung" nennen kann: "Von einem Moment auf den anderen hatte ich Tränen in den Augen. Ich wusste plötzlich, dass es einen Gott gibt."
Kaas beschließt, Ängste und Zorn zu kanalisieren, in etwas Positives umzuwandeln. Er fühlt sich nicht mehr als Einzelperson, sondern als Bewegung: KAAS in Großbuchstaben. Plötzlich führt eins zum anderen. Er trift Tua und Sucuk Ufuk, mit denen er die Crew Bassquiat gründet. Mit Tua und Maeckes & Plan B ist er später als Die Orsons weiter aktiv.
Kaas kommt zunächst bei Kool Savas' Optik Records unter. Nach deren Aus im Januar 2009 und einer Abschiedstournee mit dem gesamten Optik-Camp wechselt er zu den Stuttgarter Chimperator Productions.
Drei Jahre Arbeit stecken in seinem für März 2009 angekündigten Album "Amokzahltag :D", in dem er seine Wandlung vom potenziellen Killer zum glücklichen Menschen beschreibt. MTV kündigt das Video zum Titeltrack, das einen Amoklauf aus der Sicht des Attentäters thematisiert, zunächst an, verzichtet dann aber doch auf eine Ausstrahlung. Der Clip sei "jugendgefährdend".
Die erste Auflage des Albums muss wegen eines Produktionsfehlers eingestampft werden. Kurz vor dem deswegen verschobenen Veröffentlichungstermin tötet ein Schüler in Winnenden 16 Menschen und kommt am Ende selbst ums Leben. KAAS zieht sein Album aus Respekt vor den Betroffenen zunächst zurück.
Die Berichterstattung stürzt sich jedoch auf seinen Clip zu "Amokzahltag". Aus dem Zusammenhang gerissen sieht der tatsächlich nach einer geeigneten Vorlage für verwirrte Seelen aus. KAAS' eigentliche Absicht hinter der Nummer fällt weitgehend unter den Tisch: "Mir liegt es arg am Herzen, den Leuten etwas mitzugeben."
Zwei Monate später erscheint "Amokzahltag :D" doch noch, allerdings mit von Hand umgestaltetem Cover und leicht veränderter Tracklist unter dem Titel "T.A.F.K.A.A.Z. :D" ("The Album Formerly Known As Amok Zahltag :D"). "Amok Nachtrag" ersetzt den ursprünglichen Titelsong und legt noch einmal KAAS' Standpunkt klar.
Nach großen Erfolgen mit seiner Band, den Orsons, inklusive einiger Radiosingles, folgt im Jahr 2016 ein weiteres Solowerk: die EP "KAAS & Jugglerz In Jamaica". Gemeinsam mit Orsons-DJ/Produzent Jopez und dem Stuttgarter Sound System Jugglerz entsteht während eines zweiwöchigen Trips nach Jamaika ein für KAAS völlig neues Klangbild irgendwo zwischen Reggae, Dancehall, Cloud, Trap und Hip Hop.
"Ich glaube fest an den Karmagedanken, dass du das, was du den Leuten gibst, irgendwann in irgendeiner Form zurückbekommst." Der KAAS'sche Humor und sein Faible für gesungene Hooklines ecken trotzdem hier und da an, insbesondere echauffiert sich Kollegah.
KAAS stört das wenig, er hat seine Mitte gefunden: "Nur, weil es im Hip Hop so ungewöhnlich ist, aus dem Rahmen zu fallen, verwechseln die Leute das mit Albernheit ... Dass gerade Kollegah mich unlustig oder albern findet, ist natürlich ein bisschen witzig. Da möchte man ihn gerne in den Arm nehmen und drücken. Er hat ja auch sehr kräftige Oberarme."
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