laut.de-Kritik
Es war einmal: Die Rockgitarre im Kölschrock.
Review von Franz TannerSeit Jahren präsentiert es sich fruchtlos und abgegrast, das einstmals blühende Feld des Kölschrocks. Abseits von Niedecken vermittelt allenfalls noch Kollege Zeltinger den Domstädtern gänzlich unkarnevalistische Heimatlieder. Spätestens seitdem die einst authentischen Brings sich als Judas der Szene entpuppten und sich mittlerweile auch gerne mal in elektrogetriebenen "Fastelovends"-Schlagern ereifern, mangelt es dem lukrativen Kölner Karnevalsbusiness an Bands mit wirklich präsenter Gitarrenarbeit.
Nach Jahren des Stillstands dann der Schock: Anno 2012 schaufeln sich gleich zwei neue Bands den Weg in die zweite Reihe frei und lassen Brings, Paveier und Co. erschrocken aufhorchen. Mit ihrer Kölsch-für-Anfänger-Hymne "Et Jitt Kei Wood" schafft es das Bergischer Gladbacher Ensemble Cat Ballou in die deutschen Singlecharts und putzt mit ihrem Pseudo-Lokalpatriotismus seitdem erfolgreich die Vereinskassen der Festkomitees leer. So einfach kann das manchmal sein.
Vielversprechender kommt da schon das Projekt des Düreners Flo Peil, seit Jahren Songwriter für Roger Cicero und auch zahlreiche Kölner Interpreten, daher. Mit "Pirate" beginnt die Erfolgsgeschichte einer Band, die dem Kölschen Karneval endlich wieder etwas Würze verleihen soll. Und das funktioniert: Dem Achtungserfolg schließen sich zwei weitere Alben an, Stücke wie "Kumm Mer Lääve" schrauben den Härtegrad deutlich in der Höhe.
Durchaus naheliegend, besteht das Quintett doch unter anderem aus ehemaligen Musikern von The Intersphere und Peilomat. Das führt einerseits dazu, dass sich das an Höhner-Schunkelballaden gewohnte Publikum für kommende Festsitzungen eine Packung Ohropax zulegt, hilft aber auch, schon nach fünf Jahren die legendäre Kölnarena bis auf den letzten Platz zu füllen.
Umso ratloser lässt einen nun "Mer Sin Eins" zurück. Mit der titelgebenden Einheitshymne trifft Sänger Bastian Campmann den Kölner noch voll ins heimatliebende Herz, das auch nach Silvesternächten am Bahnhof völlig zurecht auf interkulturellen Zusammenhalt pocht. Mit reichlich Bläsern und Choral-Momenten versuchen Kasalla in die Kerbe der Kölner-Lichter-Stadthymnen zu schlagen. Als Sessionshymne hat sich längst das überraschend tanzbare "Dausende Levve" etabliert. Vergessen wurde dabei – wie auch auf dem Rest des Albums – die charakteristische Rockgitarre.
Und genau dies beraubt Kasalla nun ihrem letzten wirklichen Einstellungsmerkmal: So hat die Band in der Vergangenheit bewiesen, wie gut das nun reichlich präsente Seemanns-Akkordeon ("Kompass") eine Symbiose mit härteren Gitarrenmotiven einging und folkloristisch angehauchte Sessionshits ermöglichte.
Stattdessen gibts jetzt austauschbaren Glockenspiel-Reggae ("Keine Lüüch Su Schön Wie Du"), den man aus dem Hause BAP seit Jahren in wesentlich kreativerer Manier zu hören kriegt, im Ragtime dargebotener Pseudo-Lokalkolorit der Marke frühe Bläck Fööss ("Am Laufende Band") und belangloses Synth-Clean-Gitarren-Geklimper ("Alles Widder Dunn").
Bitter: Ohne die allgegenwärtige 'kölsche Sproch' (so abgelesen und überintoniert wie möglich, versteht sich) ginge vermutlich mancher Chartkonsument Stücken wie "Dat Veedel Dat Fählt" auf den Leim. Würde beispielsweise Casper die Sammlung derartig halb gerappter Tracks mit ihren "Ey-yo"-Kaskaden und Kinderchören vortragen, so manches Indie-Magazin würde sie wohl zum Album des Monats küren.
Als erfahrene und teils studierte Songwriter haben die Kasalla-Musiker ihr Ziel gewiss erreicht: Nicht nur die Autorenschaft, sondern auch ihre Shows dürfte ihnen inzwischen genügend Geld in die Kassen spülen. So gesehen kann man zum fünften Platz in den deutschen Alben-Charts nur gratulieren. Zur totalen Anpassung des Sounds an den karnevalistischen und deutschpoprockigen Mainstream eher weniger.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Nicht das Rockklavier?
Als zugezogener Kölner ist mir dieser Lokalpatriotismus inkl. eigenem Musikgenre namens Kölschrock sehr suspekt. Die Stadt an sich ist jetzt keine Augenweide, markantestes Merkmal ist halt nur der Dom, dazu kommen zum Hochmut neigende Effzeh-Fans (der tiefe Fall findet gerade statt), überbordende Karnevalsfeierei (jetzt auch noch im Sommer) und Bier aus Reagenzgläsern. Nicht falsch verstehen, Köln hat seinen eigenen Charme und gefallen tut es mir hier, aber viele Gründe um den ausschweifenden Patriotismus zu rechtfertigen, gibt es meiner Ansicht nach nicht.
Patriotismus ist per se kacke. Führt zu nichts als Fremdenfeindlichkeit. Wer kann schon was dafür wo er geboren wird und aufwächst? Richtig, Niemand.
köln ist per se kacke!
Ich find' Düsseldorf auch viel angenehmer; vom Städtebau und Atmosphäre und so.
@Toriyamafan: Das mit dem Patriotismus stimmt, ausser vielleicht bei Klein(st)staaten. Was Lokalpatriotismus angeht trifft das nicht unbedingt zu.
"was mir an karneval so stinkt / ist dass man kölsche pisse trinkt. / saufen und kamelle schmeißen / da könnt ich stundenlang drauf scheißen."