laut.de-Kritik
Statt Retrofuturismus gibt es hier Nostalgie aus der Zukunft.
Review von Yannik GölzKaytranada gehört zum Kanon des Cools, ohne genau preiszugeben, wer er eigentlich ist. Der Kanadier, der 2016 sein Debüt veröffentlicht hat, schwelgt in Halbschatten und fühlt sich vielen Strömungen verbunden. "Bubba" zeigt ihn als Stimme einer neuen schwarzen Modernität, ein Vibe zwischen Tyler The Creator, Kali Uchis, Flying Lotus und Thundercat. Denn selbst, wenn keiner dieser Künstler Electro macht, teilen sie seinen intuitiven, kollaborativen Geist, der so retro wie futuristisch ist.
Dabei nimmt die Platte eine abgeklärte, freie Haltung ein. Es fühlt sich wie ein gelungener DJ-Mix an, ist gleichermaßen zwanglos tanzbar und könnte doch auch ein Lo-Fi-Hip Hop-Set sein. Am markantesten zeigt das sich an den instrumentalen Cuts wie dem Opener "Do It" oder dem einsilbigen, aber brillanten "Puff Lah". Die Energie ist so leichtfüßig, so beiläufig, dass man sich nach ein paar Nummern erst vergegenwärtigen muss, wie tief man in die Platte eingesunken ist.
Kaytranadas ganze Musik kursiert um die pulsierende Kickdrum, die von abwechselnd nostalgischen und zeitgemäßen Bässen bis zur Massenhypnose elektrisiert wird. "The Worst In Me" könnte ein Groove wie von Herbie Hancocks Head Hunters sein, "Vex Oh" dagegen würde auf einem 2019 erschienenen Dancehall-Mix zeitgemäß klingen. Er harmoniert genauso mit den Kollaboratueren: Klar, dass es dem in Haiti geborenen Kaytranada ein Leichtes ist, einen Jamaikaner wie Masego oder das nigerianische Duo VanJess reibungslos in seine Vision einzubetten.
Dort feuert er einiges an Starpower nach. Tinashe oder Top Dawgs SiR singen smooth auf "The Worst In Me" oder "Go DJ", Goldlink lässt auf "Vex Oh" ein paar meditative Bars vom Stapel. Highlights kommen von Crystal Gem-Chefin Estelle und auf der butterweichen House-Nummer "10 Percent" von Kali Uchis, die im sonnenbadenden Groove frostige Kiss-Offs in die Welt feuert. Ihre Stimme klingt hier unglaublich, sie ist in einem Element, wie sie es in den besten Momenten von "Isolation" war. Einzig der sonst so verlässliche Gast Mick Jenkins hängt mit seiner etwas zu sehr ins R'n'B gegriffenen Performance ein bisschen durch, und an den experimentellen Dub-Song mit Pharrell muss man sich je nach Vorliebe erst gewöhnen.
Aber die eine Stärke, die man über die Vielzahl gelungener bis großartiger Einzelmomente festhalten sollte, ist das absolut fehlerfreie Pacing von "Bubba". Nicht nur, weil immer wieder kleine Abzweigungen und Beatwechsel den Durchgängen zwischen den Songs besondere Würze verleihen, fließt die Platte reibungslos und wird von jedem Übergang auf ein Weiteres beflügelt. Besonders kurze, instrumentale Momente wie "Puff Lah" oder das Future Funk-inspirierte "Scared To Death" koppeln als Interludes die Dramaturgie der Platte noch einmal an.
Es schwebt irgendwo zwischen "IGOR" von Tyler The Creator und "Flamagra" von Flying Lotus. Kaytranada nimmt subtil und unauffällig die besten Elemente der Jetztzeit, sei es ihre Vielseitigkeit, ihre Offenheit im Genre und ihre flüssigen Songstrukturen und baut sie in futuristischer Nostalgie in tanzbar neu zusammen. Die Platte ist kompromisslos und doch unaufdringlich, minimal und doch endlos farbenfroh und ein weiteres Indiz, dass dieser Kaytranada zu den spannendsten Produzenten der Jetztzeit gehört.
8 Kommentare
Starkes Ding. Album geht klar. Traut sich was.
Wertung passt, sehr gutes Album. Gefällt mir noch besser als Goldlinks Platte.
Kann man schon ahnen.
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1A Produktion, vor allem die ersten Songs des Albums. Danach wirds m.M.n. ein wenig ähnlich und eintönig. Hätte mir mehr Hiphop/Alternative-Ausflüge gewünscht wie beim Vorgänger.
Amsonsten gute Platte
Ich als Soul Fan bin da eher zwiegespalten. Gibts keine handgemachte Musik mehr. Alles klingt irgendwie gleich. Gut das die featurings dabei sind um diesen ganzen Wirr Warr der Electronic aufzulockern.