laut.de-Kritik

Ein US-Äthiopier liefert das Popalbum des Sommers.

Review von

Ich weiß gar nicht mehr, wo mir Kenna vor ein paar Wochen das erste Mal aufgefallen ist. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass die Single "Say Goodbye To Love" gleich beim ersten Mal voll dahin traf, wo bei mir das Geile-Musik-Zentrum sitzt.

Erfreulicherweise löst das Album das Hit-Versprechen ein, das diese Nummer vorgab. "Make Sure They See My Face" bietet dem Hörer einen jahreszeittauglichen Mix aus Pop mit Black Music-Einflüssen, der direkt in Hüfte und Herz geht.

Ein interessantes Detail aus Kennas Biografie gibt preis, dass er mit dem Musizieren anfing, nachdem er das legendäre Album "The Joshua Tree" von U2 in die Hände bekam. Somit ist die musikalische Marschrichtung vorgegeben und gleich der Opener wartet mit einer Verneigung vor dem Pop-Meilenstein von 1987 auf.

"Daylight" eröffnet mit einer eingefadeten Synthie-Fläche, zeitgemäß leicht verzerrt, doch ganz klar verneigt sich der Amerikaner hier vor "Where The Streets Have No Name". Die Popperle wird von Drums getrieben, die an Doves' "Pounding" erinnert, darüber zelebriert Kenna seine Interpretation von Synthiepop.

Diesen schmückt er mit seiner unverkennbaren Stimme aus, irgendwo zwischen Bono und einem souligen R'n'B-Jüngling. "Out Of Control (State Of Emotion)" entwickelt sich zum pompösen, drumlastigen Popmonster mit einer gehörigen Prise Beckenarbeit, und so langsam schwant dem Hörer, was er sich da eigentlich zu Gemüte führt.

"Loose Wires" ist das groovige R'n'B-Pop-Glanzstück: Die Neptunes produzieren den heißen Scheiß. Kenna ist ein alter Kumpel von Chad Hugo, klar, dass die Wonder Boys aus dem N.E.R.D.-Lager hier ihre flinken (und ziemlich unfehlbaren) Finger im Spiel haben.

Und dann "Say Goodbye To Love", der Edelstein in dieser Krone von einem Album, mit dem sich der Prinz des New Pop äthiopischer Abstammung schmückt. Ein trockenes Groove-Monster, das mit Sicherheit noch so manche Sommertage heißer erscheinen lässt. Mit "Sun Red Sky Blue" wendet sich Kenna noch einmal dem an seine irischen Vorbilder angelehnten Breitwandpop zu. Rockige Gitarren untermalen seinen eindringlichen Gesang.

Dann nimmt der Sänger mit den Neptunes allmählich die Geschwindigkeit raus, beim ruhigen "Baptized In Blacklight" stellt Kenna seine Fähigkeiten als Vocalist unter Beweis. Klar, eine klassische Gesangsausbildung hat er nicht, dennoch verfügt der Emporkömmling aus Virginia über eine schöne Klangfarbe und spannende Wandlungsfähigkeit.

Mit dem noch leiseren "Static" läutet er die zweite Hälfte ein: Über eine zarte Klaviermelodie singt er mit fast zerbrechlicher Stimme. Im Refrain schwingt sich der Song kurz kraftvoll auf, nur um dann wieder zusammen zu fallen. "Phantom Always" kann da nicht ganz mithalten und stellt so den Schwachpunkt des Albums dar.

Doch schon "Face The Gun" lässt die vorangehende Nummer vergessen. Dankenswerterweise erhöht das Stück auch noch einmal die Schlagzahl. Ganz zu schweigen davon, dass die Hookline, wie bei so vielen anderen Songs auf dem Album auch, angenehm im Kopf bleibt.

Und noch eine Überraschung wartet gegen Ende auf den Hörer: "Better Wise Up" mit seinen arhythmischen Beats, der hypnotischen Gitarre und seinem leicht gepressten Gesang erinnert stark an Radiohead. Wer hätte das gedacht? Das sanfte "Be Still" zeigt Kennas Qualitäten als "Balladen"-Schreiber: Es ist neben "Static" die einzige Nummer, die er ohne die Hilfe von Hugo oder Pharrell geschrieben hat.

Mit dem lässigen "Wide Awake" entlässt Kenna den Hörer nach bester Unterhaltung in die schlaflose Nacht. Lange nicht mehr hat es ein Popalbum gegeben, dass dem Genre so viel Ehre gemacht und dem Freund eingängiger Popmusik so viel Spaß bereitet hat.

Trackliste

  1. 1. Daylight
  2. 2. Out Of Control (State Of Emotion)
  3. 3. Loose Wires/Blink Radio
  4. 4. Say Goodbye To Love
  5. 5. Sun Red Sky Blue
  6. 6. Baptized In Blacklight
  7. 7. Static
  8. 8. Phantom Always
  9. 9. Face The Gun/Good Luck
  10. 10. Better Wise Up
  11. 11. Be Still
  12. 12. Wide Awake

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