laut.de-Kritik
Fesselndes und emotionales Solodebüt des Riffmeisters.
Review von Dominik KautzBesser spät als nie! Nach fast drei Jahrzehnten aktiven Musikerdaseins mit Crowbar, Down und Kingdom Of Sorrow wagt der den tiefen Sümpfen Louisianas entstiegene Sludge-Metal-Pionier und Chefvollbart Kirk Windstein mit "Dream In Motion" den längst überfälligen Alleingang. Zum Glück, denn die starken Songs seines Solodebüts stehen denen seiner Hauptformationen qualitativ in nichts nach. Ganz im Gegenteil: Sie erweitern Windsteins sonst so brachiale Klangpalette auf eine ungewohnt ruhige und fast schon meditative Art – ohne dabei die typisch Windsteinsche Schwere einzubüßen.
Zum Einstieg jedoch bewegt sich Windstein zunächst in bekanntem und altbewährtem Terrain. Der Opener und Titeltrack "Dream In Motion" entpuppt sich als düsterer und überaus zäher Doom-Brocken mit absolut superben, genretypischen Terzharmonien und einem mitreißenden Refrain. Diese Nummer rockt höllisch und könnte so auch auf einem Crowbar-Album stattfinden. Erst das darauf folgende "Hollow Dying Man" gibt die ruhigere, eher balladeske und vor bittersüßer Verzweiflung schreiende Marschrichtung des Albums vor, die Windstein selbst als "sanfte Crowbar" beschreibt.
Unverzerrte Gitarren und stimmungsvoller Gesang dominieren auch die folgenden Tracks über weite Teile, ohne sie dabei an Wirkmächtigkeit zu beschneiden. "Es ist etwas, das ich tun wollte und musste. Es ist eine andere Seite meines Songwritings, meiner Persönlichkeit. Es ist eine andere Seite von mir" reflektiert Windstein das enorm dynamische Klangbild der Platte. Das verwundert wenig, denn ursprünglich rang er mit der Idee, eine akustische Platte aufzunehmen. Diesen Plan verwarf er aber schlussendlich, weil ihm das Ganze dann doch "einfach zu klischeehaft" erschien. Gute Entscheidung!
Die im Vergleich zu seinen sonstigen Werken etwas einfacher gehaltenen Songstrukturen geben Windstein neu erschlossenen Raum für verträumte, ohrwurmartige Melodien und hervorragend ausgearbeitete Hooks. Ausgesprochen deutlich stellt er dies in den bis auf die Soli vollkommen mit cleanen Gitarren gespielten "Once Again" und "Enemy In Disguise" unter Beweis. Besonders das tief schwarze "Enemy In Disguise" verfehlt seine Wirkung mit Lyrics wie "What I chose to believe has turned to dark mistrust" zu keiner Zeit, hüllt den Hörer in einen in die Tiefe reißenden Schatten und zeigt auf ganz eigentümliche Art Windsteins erhabene Qualitäten als Songwriter.
Ebenso abgeklärt sanft, aber sphärischer und mit einer fetteren Portion bratender Zerre in der Gitarre entblättert sich "The Healing", der einzige instrumentale Track des Albums. Dass dieses luftige Konzept allerdings nicht immer hervorragend funktioniert zeigt "The Ugly Truth", da hier eindeutig zu viele Wiederholungen kommen und die Melodien einfach nicht zünden wollen. Das aber bedeutet ein Meckern auf hohem Niveau.
Im Gesamteindruck der Platte kann man diese Schwäche getrost verschmerzen. "Dream In Motion" hat die besten Momente, wenn Windstein sich mit seiner charakteristisch schroffen Stimme durch bleierne und tonnenschwere Downtempo-Doom-Riffs wie in "The World You Know" und "Toxic" leidet. So stark wie die Platte beginnt, so stark endet sie auch. Mit dem finalen "Aqualung" frönt Windstein zum Abschluss seiner Vorliebe für progressive Rockmusik und liefert ein absolut famos interpretiertes Cover des Titelsongs von Jethro Tulls Klassiker aus dem Jahre 1971.
In Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Produktionspartner Duane Simoneaux (Schlagzeug, Keyboards) liefert Windstein (Gesang, Gitarre, Bass) mit seinem Solodebüt eine hervorragend produzierte und zu jeder Zeit gut durchdachte Platte. Die große dynamische Bandbreite des introspektiven und emotionalen musikalischen Materials erzeugt einen durch und durch stimmigen Spannungsbogen und macht "Dream In Motion" zu viel mehr als nur einem Füller bis zur nächsten Crowbar-Scheibe und zur diesjährigen Down-Rückkehr des Riffmeisters. Aus jedem Takt des Albums schimmern Windsteins Trademarks heraus. Zwar weniger wütend als gewohnt, dafür aber mit einem erfrischend anderen Fokus auf elegische Melodien.
3 Kommentare
ich finds geil. kirk ist ein sehr sympathischer dude, daher verzeihe ich es ihm, dass er hier seine weiche und feminine seite rauslässt. glaubs acoustik-gitarren wären dann die himbeere auf dem rosa-shake gewesen. aqualung ist sehr geil geworden. wobei ich das original nie gehört habe. aber 2 oder 3 reine acoustik-songs wären schon nid ungiel. am besten noch mit aaron lewis oder so
ist definitiv eine geile scheibe geworden! du hast recht, vielleicht wäre hier grad 1 bonustrack im akustikgewand wirklich sehr interessant gewesen. aqualung solltest du dir auch mal im original geben, am besten die ganze platte. absolut feine kost.
Klingt ja sehr gut, das werde ich mal intensiver auschecken.
Gut, dass es kein Akustik-Album geworden ist, sehr sehr gut.