laut.de-Kritik
Wenn der Alltag das beste Comedy-Material liefert.
Review von Robin KirkerMit "Prima" legt Tilman Claas sein zweites Album vor und zeigt uns in elf Tracks, dass der Alltag eigentlich das beste Comedy-Material liefert. In gewohnt schräger Manier besingt er Situationen, die wir alle kennen – und bei denen wir uns am liebsten wegschmunzeln würden. Die Songs sind eher minimalistisch gestrickt, aber hey, was will man diesbezüglich von einer Ein-Mann-Band erwarten?
Der Opener "Welthit" gibt gleich den Ton an: Es geht um das Gefühl, etwas Großes erreicht zu haben – allerdings nur in der eigenen Vorstellung. Wer kennt das nicht? Man denkt, in der Beziehung läuft alles wie am Schnürchen, und zack – plötzlich ist der Partner oder die Partnerin wie ausgewechselt. Man fragt sich, wie man die Zeichen übersehen konnte. Lampe greift genau dieses Phänomen auf und trifft damit mitten ins Herz. Die einfache Melodie passt perfekt zur Message: Jeder hat mal einen miesen Tag.
Auch ein echter Stimmungskiller im Büro: Meetings. Mit "Meetings" nimmt sich Claas gekonnt dieses allseits gefürchteten Themas an, das viele denken, aber kaum einer laut ausspricht: Was sollen diese ewigen Meetings? Jeder, der nicht gerade aktiv involviert ist, ist eh nur körperlich anwesend – die Gedanken sind längst im Feierabend. Und mal ehrlich, die meisten Infos hätten auch locker per Mail gereicht. Jetzt bleibt nur noch die Frage: Wie schicke ich meinem Chef diesen Song, ohne ihn wirklich zu schicken?
Humorvoll und herrlich nachvollziehbar geht es weiter mit "Immer Muss Ich Alles Alleine Machen". Der Refrain bleibt im Ohr und das nicht nur bei mir: 2023 brachte Lampe mit diesem Track das Hurricane Festival zum Toben. Als vermeintlicher Lückenfüller entpuppt er sich als Highlight, denn die Menge grölt lauthals "Immer muss ich alles alleine machen, alleine machen!" und verleiht dem Ganzen den Charme einer spontanen Comedy-Show. "In der Synchronschwimmgruppe ist seit Monaten niemand mehr aufgetaucht, aber wir sind so synchron wie nie!" – Wortspiel-Alarm! Claas bringt die Leute damit zum Lachen, auf eine Art, die ein wenig an den trockenen Humor des US-Komikers Bo Burnham erinnert, nur eben mit einem Hauch weniger Melodramatik.
Auch "Cute Aggression (Igel Mit Socken)" schlägt in diese absurde Kerbe – allein der Titel! Man fragt sich beim Hören unwillkürlich: Warum hegt dieser Mann eine so heftige Abneigung gegen Igel mit Socken? Cute Aggression, das kennen wir ja alle: Etwas ist so herzzerreißend niedlich, dass man es am liebsten zerquetschen möchte. Aber Lampe treibt das Konzept locker auf die Spitze. Ob da eine tiefere Bedeutung hinter steckt? Keine Ahnung, aber das Lachen bleibt garantiert!
Ein Track sticht besonders ins Ohr: "I Wanna Be Yours". Na, wer denkt da auch sofort an die Arctic Monkeys? Gar nicht so abwegig! Aber Moment mal, klingt das nicht verdächtig nach einer Frau mit britischem Akzent? Claas scheint eine stimmliche Chamäleon-Qualität zu haben, die überrascht. Die halbe Nummer läuft auf Englisch und ist ebenso herrlich absurd wie das Original der Alternative-Rocker. Zeilen wie "Let me be the portable heater. That you'll get cold without" und "I wanna be the electric heater you'll get cold without" – fast schon verblüffend ähnlich! Es wirkt, als ob Lampe in seinem ganz eigenen Stil eine augenzwinkernde Antwort auf den Song der Arctic Monkeys liefert – natürlich mit schrägem Charme und einer Prise Ironie.
Das Album schließt mit dem Track "Resonanz" – und Lampe greift den Titel mit einem simplen, aber cleveren Kniff auf: Er nimmt sich einfach doppelt auf und legt die Tonspuren minimal versetzt übereinander. Warum einfach, wenn's auch zweifach geht? Diese augenzwinkernde Raffinesse zieht sich wie ein roter Faden durch das Album und setzt mit "Resonanz" den perfekten Schlusspunkt.
Lampe hat einen Stil, der polarisiert – entweder liebt man ihn oder man fragt sich, was man da gerade hört. Mit seinem schrägen Look und dem trockenen Humor erinnert Claas sofort an den Kultcharakter Jonas aus "Die Discounter". Ob eingefleischter Fan oder skeptischer Neuling, man muss zugeben: Lampes Tracks sind bis ins Detail durchdacht, herrlich schräg und bleiben mühelos im Ohr hängen. Ob sie auch massentauglich sind, darüber lässt sich streiten.
1 Kommentar
Finde ich sehr gut, dass ihr Lampe eine Kritik spendiert. Er war oft der Voract von Olli Schulz und gleichzeitig sein Roadie auf der Tour.
Habe ihn das erste Mal live im Zakk Düsseldorf gesehen. Unfassbar wie klasse er Stimmung machen konnte, obwohl wahrscheinlich niemand einen Song von ihm kannte. Er konnte das Publikum direkt überzeugen.
Das Album werde ich mir noch anhören, aber schon live war der Song "Immer muss ich alles alleine machen" der Knaller.
Der Humor ist staubtrocken und sein Wortspiel ist phänomenal. Würde mir wünschen, wenn er einem größeren Personenkreis bekannt wird.
Tipp: Hört Euch auch das erste Album "Viel Potenzial" von ihm an.