laut.de-Kritik

Funk-Fuchs trifft alten Dub-Hasen: überfällig.

Review von

"Ich hätte mit Scratch wirklich schon vor langer Zeit zusammen arbeiten sollen." Die Erkenntnis Bill Laswells kommt spät. Ohnehin möchte man sich verwundert die Augen reiben: Sollten sich zwei Veteranen, die jeweils schon mit jedem denkbaren anderen alten Hasen kollaborierten, bisher tatsächlich verpasst haben?

Sieht fast so aus. "Rise Again" setzt diesem unhaltbaren Zustand ein würdiges Ende. "Ist das Ganze vielleicht eine Schnapsidee?", orakelte Laswell im Vorfeld des gemeinsamen Projekts. Sein Fazit, das einzig richtige: "Das allein wäre doch schon wert, dass wir es durchziehen."

Und ob! Eigentlich sollten diese beiden, nicht etwa tätowierte Berliner Heulsusen, den Namen "Haudegen" tragen. Gemeinsam basteln sie ein Album, dessen Frische die 131 Lebensjahre, die beide zusammen auf dem Buckel haben, vergessen lässt.

"I was here before the Beast." Lee 'Scratch' Perry wird vermutlich noch die Apokalypse überleben, sich danach lässig den Staub abklopfen und unbeeindruckt das nächste Album in die in Schutt und Asche gelegte Welt entsenden. "I am the father of time." Unerschütterlich verkündet er seine verschrobenen Weisheiten, mal vergeistigt, Jah Rastafari und Haile Selassie zu Lob und Preis, mal ganz weltlich: "Japanese food give you good mood." Einspruch? Abgelehnt.

Mehr und mehr gleichen Scratchs Vocals Spoken Word-Darbietungen. Während andere im finsteren Tal wanderten, tut er kund: "I walked through the valley of life.". Die Spuren, die exzessiv gelebtes Leben in seiner Stimme hinterließ, unterstreichen noch die Intensität seiner Lyrics. Selbst unter friedvollen Oberflächen brodelt es.

Ungebrochen wütend betet Scratch Blut und Feuer auf "bad men, "hypocrits" und "evil gouvernments" herab, predigt die Notwendigkeit einer "African Revolution": Die Jamaika-Afrika-Connection funktioniert, warum sollte man mit schlappen 75 also nicht Teil einer Jugendbewegung, die "salvation" und "education" für den Schwarzen Kontinent fordert, sein wollen - oder diese gar anführen?

An Innovationsfreude schlägt Lee 'Scratch' Perry das Gros seiner jüngeren Kollegen ohnehin um Längen. Gemeinsam mit Bill Laswell öffnet er diesmal "E.T." auch musikalisch Tür und Tor. Tonnenschwer tropfende Dub-Reggae-Basslinien lassen die Herren hemmungslos virtuos mit Funk, entspannten Rocksteady-Vibes und frickeliger Elektronik, direkt from outer space, kollidieren.

Sehr im Gegensatz zu TV On The Radios Tunde Adebimpe, der äthiopischen Sängerin Gigi Shibabaw oder Bernie Worrell, der in den Reihen des P-Funk-Flaggschiffs Parliament/Funkadelic zu Ehren kam, standen die Daptone'schen Bartträger zwar nicht auf der Gästeliste. Die Bläser, beispielsweise aus "Wake The Dead", die vermutlich schon die Mauern Jerichos geschleift haben, tönen trotzdem, als habe man die halbe Budos Band ins Studio geladen. So weckt man zweifellos Tote auf.

Bei all den vielfältigen Einflüssen bleibt "Rise Again" dennoch auf Lee 'Scratch' Perry zugeschnitten, verliert sich nicht im Detailreichtum von Percussion und Effekten. Die "Scratch Message" steht im Zentrum der zugleich entrückt und doch unerwartet vertraut anmutenden Tunes, unabhängig davon, ob klassisch Echo-lastiger Dub oder "Dancehall Kung Fu" geboten wird.

"Es ist seine Präsenz, die die ganze Sache am Laufen hält", wusste glücklicherweise auch Bill Laswell. Deswegen funktioniert "Rise Again" so blendend, dass man hofft, es möge nicht die letzte Kollaboration zweier Gestalten gewesen sein, die jeder für sich entscheidende Kapitel Musikgeschichte geschrieben haben.

Trackliste

  1. 1. Higher Level
  2. 2. Scratch Message
  3. 3. Orthodox
  4. 4. Wake The Dead
  5. 5. Rise Again
  6. 6. African Revolution
  7. 7. Dancehall Kung Fu
  8. 8. E.T.
  9. 9. House Of God
  10. 10. Butterfly
  11. 11. Inakaya (Japanese Food)

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