laut.de-Kritik
Mutloses und ideenarmes Comeback.
Review von Philipp KauseWirklich greifbar wird das Britpop-Album "See You In The Stars" der Lightning Seeds nur selten. Schön geraten vor allem das schwelgerisch-melancholische Titelstück mit Lautmalerei und einer leicht mitsummbaren Melodie, und der lockere Gitarrenrock "Green Eyes".
Obwohl das Album aus lauter Easy-Going-Nummern von (plus/minus) drei Minuten besteht, findet man einerseits schwer rein. Andererseits ist die Musik wohl zu einfach gestrickt und lässt deshalb kaum einen Funken überspringen. Die durchweg netten Melodien erzeugen wenig Reibung, sind in erster Linie ordentliches Füllen der Spielzeit. Stellenweise mag das gut gehen. In repetitiven und zwanghaft positiven, ideenlosen Nummern wie "Sunshine" ("Sunshine, sunshine, and everything is fine / Sunshine, sunshine, and everything is fine") beginnt die Platte ins Nervige über zu gehen.
Vieles vom Dargebotenen hat man als Versatzstück schon allzu oft gehört. Etwa die Konstruktion von "Fit For Purpose" mit all ihren Zutaten: Ein super Intro signalisiert viel versprechenden soulvollen Powerpop-Tune, mit butterweicher, aber doch nachdrücklicher Kickdrum-Führung und ein bisschen Klavier. Nach 45 Sekunden versinkt das Lied in einem The Verve-Imitat. Das setzt geschmeidig an, wird dann holprig und gleitet schnell in Kitsch ab. Eine geringe Tonentwicklung in der Melodie lenkt während der Strophe die Aufmerksamkeit auf den ebenso langweiligen Text: Ein Antiheld kriegt den Hintern nicht hoch und verkriecht sich im Bett.
Dem geringen Tonspektrum stehen übertrieben fette Streicher gegenüber, die wohl ein bisschen mehr Musikalität hinein tragen sollen. Derweil schleudert es den Sänger in manch anspruchslosen Akkordfolgen aus der Kurve. Er trifft die Hälfte der Töne nur ungefähr und schief. Abgeschreckt von den Vocals, ist man bereit für eine halbherzige Instrumental-Sequenz, in der Geigen die E-Gitarre nachäffen. Da hilft nur der zügige Ritt in den Schlussakkord.
"Live To Love You", biedert sich als wackliges McCartney-Imitat mit Country-Bass an, nimmt im Refrain an Fahrt auf und gewinnt in der Bridge an Harmonie-Komplexität. Hat man jedoch 63 Mal das Wort Love gehört und alle Pflichtbausteine von "smile" über "kiss" und "feelings" bis "piece of my heart" abgefrühstückt, stellt sich die Frage, ob Mark Forster jetzt auch ins Englische übersetzt wird - oder ob 13 Jahre Arbeit am Album "See You In The Stars" zu wenig waren.
Nach den Sneaker Pimps, Saint Etienne, den Boo Radleys und den Turin Brakes sind die Seeds eine weitere aktuelle Band aus dem Segment 'Britpop und Artverwandtes', die gefallsüchtige anbiedernde Langeweile nach geraumer Schaffenspause aus dem Hut zaubert. Leider zeigt sich Bandchef Ian Broudie sogar bestrebt, im Fahrwasser Saint Etiennes oder der Pimps zu gründeln: "Permanent Danger" irritiert mit einem fragwürdig platzierten Drum Machine-Intro und einem geschmacksverirrt ausgesuchten Verstärker-Wummern. Der Versuch, mit Ben Folds-artiger Stringenz das Ruder herum zu reißen, scheitert in "Walk Another Mile" kläglich, weil das Zusammenspiel aus Gitarrenpop und "he-he-hey"-Vocals kalkulierter kaum klingen könnte.
Manch solide bis gute Komposition wie "Great To Be Alive" leidet unter dem geringen Bemühen des Sängers um Facettenreichtum und unter handwerklich drögen, minimalistischen Musikern ohne Handschrift. Von der Besetzung der mittleren '90er, als "Lucky You", "Marvellous", "Sugar Coated Iceberg" und die EM-Hymne "Three Lions/Football's Coming Home" mitrissen (mit Ringos Sohn Zac als prominentestem Mitglied), ist neben Songwriter Broudie nur noch der Bassist übrig. Die aktuelle Besetzung spielt farblos, berechen- und austauschbar. Am Ende bleibt von "See You In The Stars" nichts haften. Mehrmaliges Hören legt die Schwächen des Albums immer klarer offen. Es fördert an den oberflächlichen, allzu netten, glatten Songs nichts Kreatives zutage.
1 Kommentar
Eine ganz entzückende Platte. Das sind die Lightning Seeds und nicht Tool.