laut.de-Kritik

Disstracks und Drama machen noch kein Album.

Review von

Lil Durk lebt und atmet seine Kredibilität: Seit seiner kommerziellen Renaissance um das Drake-Feature und den Tod von King Von hat er sich als Stimme des Kriegs in Chicagos im amerikanischen Gewissen festgesetzt. Er macht die Pain Raps, die auf der Realität seiner zahllosen toten Freunde, auf der Realität seines PTSD fußen. Dadurch hält sein Wort Gewicht, seine Parts zeigen eine unheimliche Verflechtung mit der Wirklichkeit und seine Features einen mächtigen Cosign. All das hat ihn zu einem der einflussreichsten Rappern der Gegenwart gemacht. Nichts davon zu einem guten Album-Artist.

Das musikalische große Highlight auf dem Album kommt in Form des Quasi-Disstracks "AHHH HA", in dem er mit seinem Baton Rouge-Rivalen YoungBoy Never Broke Again abrechnet. Nicht nur, weil er da hungrig und bitterböse über einen drängenden Piano-Loop spittet, sondern weil ihm hier auch eine Killer-Hook glückt: "We don't / Respond / To shit / with Von" deklamiert er da mit einer Ehrfurcht gebietenden Autorität. Auch sonst kommen ab und zu Nummern auf, in denen der Sound runtergeht wie Öl: Das ohne Hook durchgezogene "Golden Child" zum Beispiel. Oder die Verbitterung auf "Barbarian", oder der von Gunna assistierte Wohlstand-Flex "What Happened To Virgil".

Das Ding ist: Durk scheint die Formel dafür, was seine Songs gut oder schlecht macht, nicht so recht selbst in der Hand zu haben. Ob ihm ein Refrain glückt oder nicht, bleibt oft dem Zufall überlassen, und auch seine Parts pendeln instabil zwischen inspiriert und zum Davonlaufen. Ja, es gibt die Momente, in denen er hautnah erzählt und binnen einer Line mehr ausdrückt als geringere Rapper mit einem ganzen Part. Direkte Ansprachen an die falschen Freunde von King Von zum Beispiel, oder ein reumütiger Blick darauf, wie viele prägende Momente seiner Kinder er schon verpasst haben muss.

Aber dann kommen wieder diese Bars, in denen er den Hörer fragt, ob der schon einmal Analsex hatte, oder die, in denen er behauptet, seine Fürze würden nach Lean und Pillen riechen. Ich wünschte, dieses Bild wäre nicht in meinen Kopf eingebrannt. Generell gilt, je mehr er sich von Wut oder Depression abgrenzt, desto wahlloser werden die Songs. Das von Future unterstütze "Petty Too" versucht weiter, dessen Sexismus zum Meme zu erheben und fühlt sich abgesehen davon, dass das so nicht funktioniert, einfach ein bisschen erzwungen an.

Auch Lines wie "I thought it was fun and games to be toxic" hinterlassen ein Fragezeichen von majestätischer Größenordnung auf "Blocklist". Diese Melodrama-Bomben, die auch im Summer Walker-Duett "Difference Is" nicht durch viel Kitsch ausgeglichen werden. Außerdem, Lines wie: "She steady runnin', pussy yummy, cut on that Justin Bieber" - nein, Durk. Nein! Die größte Ausschweifung kommt in Form des Country-Duetts "Broadway Girls" mit dem momentan wegen Sagen des N-Wortes in die Kritik geratenen Nashville-Stars Morgan Wallen. Klingt ganz nett, fühlt sich aber eher wie ein schlechter Crossover-Remix eines Wallen-Songs an, auf den Durk noch ein Part hinterhertragen durfte.

Alles in allem ist es eben ein Durk-Album. Auf dem einen Track kann er einer der immersivsten Straßen-Storyteller der Amirap-Gegenwart sein, auf dem nächsten wieder völlig unfähig klingen. Und das Kernproblem von "The Voice" überträgt sich auch bis hier – die Produktion klingt, als wolle er vor allem Geld sparen. Wir hören die immergleiche Soße aus melodramatischen Piano-Griffen und Gitarren-Strums, den immer gleichen Trap-Drum-Loop und das immer gleiche Tempo, teilweise von echten Noname-Produzenten. Es ist ein abgestandener Sound, dem man keinem Newcomer so durchgehen lassen würde. Hätte Durk nicht das Drama, die Kredibilität und das Interesse abseits der Musik, würde er mit diesem Level an Output nicht dieses Level an Relevanz halten.

Trackliste

  1. 1. Started From
  2. 2. Headtaps
  3. 3. AHHH HA
  4. 4. Shootout @ My Crib
  5. 5. Golden Child
  6. 6. No Interviews
  7. 7. Petty Too (feat. Future)
  8. 8. Barbarian
  9. 9. What Happened To Virgil (feat. Gunna)
  10. 10. Grow Up/Keep It On Speaker
  11. 11. Smoking & Thinking
  12. 12. Blocklist
  13. 13. Difference Is (feat. Summer Walker)
  14. 14. Federal Nightmares
  15. 15. Love Dior Banks
  16. 16. Pissed Me Off
  17. 17. Broadway Girls (feat. Morgan Wallen)

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