laut.de-Kritik
Diese Musik hat viel Herz, aber keine Seele.
Review von Yannik GölzWas Leute, die nicht auf TikTok sind, auf TikTok vermuten, unterscheidet sich sehr von dem, was man tatsächlich auf TikTok findet, wenn man sich dort das erste Mal einloggt. Der Algorithmus, der anscheinend allen Musikgeschmack bestimmt, spuckt nämlich ohne weitere Info erst einmal das standardisierte deutsche Programm aus. Und was Kids in Deutschland auf TikTok so ansehen, das sind 15% Rezepte, 25% extrem unlustige Skits und 60% melodramatischer Bullshit. Ein Großteil der Startseite ist voll mit überzogenem Emo-Laientheater, das sich wirkt wie ein RTL 2-Nachmittagsprogramm für Leute ohne Aufmerksamkeitsspanne. Und auch dafür muss ja jemand Musik machen.
Hier kommt Newcomerin Lune ins Spiel: Über die gibt es erst einmal eine Menge gute Dinge zu sagen. Sie ist eine talentierte Sängerin mit guter Technik und einem schönen Ton, singt auf deutsch und französisch, repräsentiert ihre kurdischen Wurzeln in ihrer Musik, macht auf Probleme häuslicher Gewalt aufmerksam und scheint auch sonst eine kluge, nette Frau zu sein. Sie wäre definitiv jemand, dem man allen Erfolg gönnen würde. Leider hat sie sich auf ihrem Debütalbum darauf eingeschossen, nur die Überblendenmusik zu Beziehungsdrama-TikToks zu machen. Ihr Debütalbum geht nämlich in Sachen musikalischem Horizont nicht über das Volumen einer Samra-Gesangshook hinaus.
"Lune" ist ein extrem eindimensionales Album. Der größte kreative Impuls und der dementsprechend beste Song hier ist "Mein Schlimmster Albtraum", auf dem Produzent Juh-Dee als Artist mitgelistet ist – der Refrain hat eine interessante, coole Melodie, die an französischen 2000er-Pop erinnert, die Produktion ein bisschen mehr Charakter. Vielleicht fällt das aber auch nur doppelt auf, weil der Rest dieses Albums so unglaublich gleich klingt, dass man zwischendurch vergessen könnte, dass man überhaupt Musik hört.
Klavier, Echo, Trap-Percussion, ein Hauch von sterilem, asexuellem R'n'B: Dieses Album ist so steif, man müsste vermuten, es hat einen Knopf im Ohr. Klar, es sind ja auch alles dramatische, emotionale Balladen – und man will der Frau ja auch nicht den Ernst ihrer Anliegen absprechen. Aber "Leiser Krieg", "Fck Dich", "Nie Wiedersehen", "Aus Und Vorbei", schon die Tracklist liefert ein recht vorhersehbares Bild, auf was man sich hier einlassen muss.
Positiv muss man Lune anrechnen, dass sie durchaus weiß, wie man mit intensivem, verletzten Gefühl singt. Negativ, dass sie keine andere Tonlage besitzt. Selbst die ein oder zwei Songs über eine gerade gute Beziehung klingen so, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen und einen Ex grillen. Und zum Rest: Ist sie im Recht, sich verletzt und furchtbar behandelt zu fühlen? Sicherlich. Sie wirkt da in ihrer Emotion sehr genuin. Aber irgendwie drängt sich mehr als einmal das Sprichwort auf, dass wer einmal ein Arschloch trifft, ein Arschloch getroffen hat, aber wer die ganze Zeit nur Arschlöcher trifft, auch mal auf sich selbst gucken sollte.
Das wird besonders dann ersichtlich, wenn Kurdo und Milano für Gastparts aus der männlichen Perspektive vorbeikommen. Man sollte meinen, dass das Potential für eine etwas nuancierte Betrachtung haben könnte, aber nichts da. Auch die beiden heulen nur darüber, wie furchtbar sie von ihren Expartnern behandelt werden. Und an irgendeinem Punkt merkt man: Das ist in diesem Mikrogenre doch eigentlich immer, was alle die ganze Zeit sagen. Wenn man dann wie auf "Lune" den selben Song über ein Dutzend mal zu hören bekommt, kann man sich des Zynismus' kaum noch erwehren.
Lune ist ein Gesangstalent, aber ihr Songwriting ist ermüdend facettenlos. Die Texte haben keine Fantasie, die Produktion wirkt wie Restmüll aus einem Songwriter-Camp, es wirkt mehr wie eine Dienstleistung als Kunst. Lune wirkt, als hätte sie ein gutes Herz, aber alles um sie herum wirkt, als hätte es keine Seele. Keine Frage, dass es bestimmt Fans gibt, die sich genau mit dieser Musik identifizieren und denen das eine Menge gibt. Aber was passiert, wenn man nur ein klein bisschen davon abweicht? Man fühlt sich, als wäre man in einer Soap oder in einem melodramatischen TikTok gefangen. Man steht zwischen an der U-Bahn zwischen zwei fremden Expartnern, die sich über deinen Kopf weg anschreien und hofft, dass man nicht noch mit hineingezogen wird.
2 Kommentare
Der Name allein schon. Luna, Lune usw. Alles der selbe Müll.
Es wird hell-lalala... Herzlich gelacht, danke dafür. Kann dann in die Tonne