laut.de-Kritik

Dröge Telenovela-Musik, die viel von Liebe redet.

Review von

Schon mit ihrem Debütalbum hat mich betreffend Lune ein gewisser Verdacht beschlichen, und dieses neue Album hat ihn zementiert: Kann es sein, dass im Leben des TikTok-Stars nichts wirklich Spannendes passiert? Nach 40 Minuten monotonem Beziehungsdrama in "Lune" steigert sie sich nun auf eine Stunde monotones Beziehungsdrama. "Mailan" ist dröge Telenovela-Musik, die zwar viel von Liebe redet, aber im Grunde nichts darüber zu erzählen hat.

Um einmal fürs Protokoll den Plot zusammenzufassen: Lune hat erst einen Boy, dann hat sie ihn nicht mehr, eventuell hat er sie betrogen oder anders verletzt, jetzt ist sie sad, aber auch losgelöst und wütend und stark. Zwischendurch trifft sie immer wieder neue Boys, die sie dann kurz toll findet, und dann sagt man, das wird jetzt ganz bestimmt für immer sein, bevor die nächsten fünf Tracks den Mann wieder mit Schmackes zum Teufel jagen.

Langsam erübrigt sich auch die Frage, ob Lune immer über den gleichen furchtbaren Mann schreibt oder sich in einem bizarren, romantischen Deja Vu-Kreislauf befindet. Es ist einfach ihr Mojo, um Songs zu schreiben. Sie ist die ganze Zeit an jeder Stelle des Kreislaufes, gleichzeitig und hintereinander. Aber wenn man schon gefühlt zwanzig Mal den gleichen Song schreibt, wäre es so schlimm gewesen, zumindest hier und da ein Detail zu variieren?

Was erfahren wir über die Mannen in der Beziehung? Was macht sie anfangs gut? Also: Er legt Lune eine Jacke auf die Schultern, wenn es kalt ist. Sogar ihr Bruder findet ihn sympathisch. Außerdem haben alle Mädchen der Stadt einen Crush auf ihn. Er ist fürwahr ein toller Hecht. Bis er es unweigerlich nicht mehr ist. Auf "Was Fällt Dir Ein?!" spezifiziert sie immerhin einmal, dass er fremdgegangen sei. Aber darüber hinaus? Das reinste Phrasengewitter. Erst glaubt sie, dass das bestimmt für immer sein wird, und dann ist sie ganz schlimm verletzt, wenn es nicht so ist. Manchmal wirkt sie gar ein kleines bisschen naiv.

Nein, natürlich ist sie das nicht. Sie hat nur gemerkt, dass Melodrama sich besonders dann gut verkauft, wenn die Leute die Schablonen selber ausmalen dürfen. Rede von Schmerz, nicht davon, was den Schmerz verursacht, rede von Loyalität, ohne festzumachen, was das bedeutet, rede davon, verrückte Dinge zu tun, aber spezifiere nicht, was. Sollen die sich doch alle selbst drum kümmern. Aber wenn schon nichts sagen, dann doch bitte so laut und dramatisch wie irgend menschenmöglich. Als hätte nicht eh jeder ein paar Leute im Bekanntenkreis, die sich in diesem endlosen Beziehungslimbo aufhalten und deren Dauerschmerzensendung niemals aufhört. Gibt es Leute, denen diese Gespräche so sehr fehlen, dass sie es sich in geballter Form als Musik reinziehen müssen?

Naja, die Antwort darauf lag halt schon im Wort "TikTok-Star" versteckt. Nichts für ungut, es ist halt Musik für Mittelstufenschülerinnen. Nicht mal negativ gemeint, einfach nur als Beschreibung. Mittelstufenkids sind so die einzige Menschengruppe, die sich dieses Volumen an sinn- und ziellosem Drama auf einer regelmäßigen Basis reinziehen können, ohne straight up den Verstand zu verlieren. Dann ist der Schmerz halt, dass Anton sich in Englisch nicht neben einen setzen wollte, Loyalität heißt, eine Gruppenarbeit zu machen und verrückt sein bedeutet, auf Klassenfahrt abends ein Bier zu trinken.

Nach all dem Abledern gibt es trotzdem 1-2 Ausnahmen hervorzuheben, die ein bisschen an das Talent erinnern, das sie groß gemacht hat. "Kinder Deiner Sonne" ist ein Track über ihre kurdische Herkunft, auf dem sie ein bisschen Familiengeschichte erzählt - und er hat alles, was der Rest des Albums nicht hat: Details, wie die regelmäßigen Stromausfälle, Kraft und eine klare Stoßrichtung. Hier merkt man, dass das kein Track von der Stange ist. Das Album eröffnet indes der Titeltrack, der zwar das eigene Leben nacherzählend auch nicht gerade das Rad neu erfindet, aber er macht es mit Nachdruck.

Außerdem freut man sich bei vermehrtem Hören doch einfach über jedes Trackthema, das nicht Herzschmerz ist. Es ist einfach zu viel. Selbst das kleine bisschen instrumentaler Abwechslung von "Lune" hat sich verzogen, was übrig bleibt, ist nur noch der immergleiche dramatische Unterbau für ihre weiterhin kompetenten Vocals, irgendwo zwischen Namika und Naidoo. "Mailan" ist eine kompetent ausgeführte, aber wirklich intensiv unkreative Familienpackung Melodrama. Und an wen sie sich richtet, nehmen Tracktitel wie "NuR Du :/" oder "So VerRückT *_*" eigentlich vorweg.

Trackliste

  1. 1. Mailan
  2. 2. Bra Gawra Min
  3. 3. Kinder Deiner Sonne
  4. 4. Ein Letztes Mal
  5. 5. Kompliziert
  6. 6. Komm In Meine Arme (feat. Céline)
  7. 7. Bisou :*
  8. 8. NaNa (feat. Kauta)
  9. 9. Gar Nichts
  10. 10. Was Fällt Dir Ein?!
  11. 11. Toxisch
  12. 12. NuR Du :/ (feat. Shabab)
  13. 13. Gelbe Parisienne (feat. Doria)
  14. 14. Halt Mich Nicht Fest
  15. 15. Nie Genug
  16. 16. Ana Bahebak <3 (feat. Zuna)
  17. 17. Ist Das Liebe? (feat. Alketa)
  18. 18. So VerRückT *_*
  19. 19. Ich Muss Gehen.

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1 Kommentar

  • Vor 23 Tagen

    Schade, aber ich werde es mir trotzdem mal geben, weil ich "NaNa" als Single tatsächlich gefeiert habe. Ansonsten erinnert die Review ein wenig von der Kritik her an die Kati K. Momentan sind wieder phrasige Liebeslieder angesagt anscheinend.