laut.de-Kritik

Pop? Lieber Singer/Songwriterin!

Review von

Lykke Li zieht einen Schlussstrich: Die 28-Jährige schließt ihre Trilogie über "eine Frau in ihren Zwanzigern, die auf der Suche nach Liebe und sich selbst ist", ab. Den Auftakt machte "Youth Novels" (2008), eingehüllt in ein luftiges Electropop-Gewand, das 2011 auf "Wounded Rhymes" von einer beschwörenden Düsternis voller Trommeln und Ohrwürmern ("I Follow Rivers", "Youth Knows No Pain") ersetzt wurde.

Doch alle, die sie zur nächsten Indiepop-Prinzessin stilisieren wollten, werden nun von "I Never Learn" enttäuscht. Denn Li graut es vor dem Label Pop-Künstlerin, lieber würde sie Singer/Songwriterin genannt werden. Als Konsequenz daraus verweigert sie Eingängikeit und allzu offensichtliche Hits.

Wie es der Albumtitel vermuten lässt, knüpft die Schwedin thematisch zwar direkt an die vielfach gebrochenen Herzen des Vorgängers an. Doch die oft in Hall ertränkten Vocals, wie im Falle des Akustik-Gitarrenopeners "I Never Learn", repräsentieren die gravierenden Unterschiede: Momente, in denen früher immer wieder mal Platz für nach vorne treibende Verspieltheit und mitreißende Hooklines der Sorte "Get Some" war, weichen fast durchgehend einem sehr ruhigen und introvertierten, fast depressiven Einblick in das Liebesleiden und Verlorensein der Lykke Li.

Lediglich das aufbrausende "Gunshot" verfällt mit Snaredrums und einem wuchtigen Gitarren-Piano-Chorus in alte Muster. "No Rest For The Wicked" wälzt nach sanftem Auftakt mit imposanter atmosphärischer Untermalung jeden Zweifel nieder, dass der Musikerin ihr Talent fürs Hymnenschreiben abhanden gekommen sein könnte.

Den Rest der Platte dominieren zerbrechliche Balladen, die in ihrer niedergeschlagenen Grundstimmung kaum variieren, gleichzeitig durch bittere Ehrlichkeit und variierende musikalische Umsetzung aber selten eintönig wirken. "Love Me Like I'm Not Made Of Stone" verzichtet auf den dauerpräsenten Hall über der Stimme und stellt ihr ansonsten nicht viel mehr als eine Akustik-Gitarre zur Seite. So entsteht ohne viel Drumherum der ergreifendste Moment der Platte, vielleicht der kompletten Trilogie. "Just Like A Dream" bildet den feierlich arrangierten Kontrastpunkt.

Pathos gewinnt höchstens dann die Überhand, wenn bei "Heart Of Steel" Gospelchöre einsetzen oder sich "Never Gonna Love Again", eine ansonsten gelungene Anlehnung an 80er Power-Balladen, in Textzeilen verliert, die ein paar Assoziationen zu viel mit klischeelastigen Liebesfilmen wecken: "Every time the rain falls, think of me / On a lonely highway, how can we / Turn around the heartache / Oh I, I'm alone tonight babe / And I'm never gonna love again".

"I Never Learn" bildet den würdigen Abschluss einer Albenserie, die Lykke Lis Wandelbarkeit unterstreicht, sieht man von kleinen Schwächen ab. Ein bisschen vermisst man vielleicht den früheren Spaß angesichts intensiver Balladen. Qualität und Leidenschaft, mit der die Schwedin vorgeht, machen das aber wett. Welche Richtung sie nun einschlagen wird, bleibt nach dem deutlichen Bruch zwischen "Wounded Rhymes" und "I Never Learn" offen wie spannend.

Trackliste

  1. 1. I Never Learn
  2. 2. No Rest For The Wicked
  3. 3. Just Like A Dream
  4. 4. Silverline
  5. 5. Gunshot
  6. 6. Love Me Like I'm Not Made Of Stone
  7. 7. Never Gonna Love Again
  8. 8. Heart Of Steel
  9. 9. Sleeping Alone

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9 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Krass schwacher Liveauftritt bei Halli Galli

  • Vor 9 Jahren

    Sie verweigert Eingängigkeit? Wieso hatte ich dann spätestens nach den dritten Hördurchgang sämtliche neun Lieder des Albums im Ohr?

    Ansonsten kann ich der Rezension aber im Großen und Ganzen zustimmen. "Love Me Like I'm Not Made Of Stone" ist in der Tat unglaublich ergreifend und "Just Like A Dream" ist der Wahnsinn; aber auch sonst ist "I Never Learn" durchgehend großartig geraten.

    Somit verleihe ich für das Album die klarsten 5 Sterne seit Lordes "Pure Heroine".

    • Vor 9 Jahren

      Nach dem dirtten Durchgang hat man glaub ich jeden Song im Ohr. :D
      Finde das stimmt schon das die Lieder nicht sofort jedem erschließen und einen vor den Kopf stoßen, sind keine songs von Ihr ala 'Get Some' oder 'Youth knows no pain' dabei die einen sofort im Gedächtnis bleiben, was aber nicht schlechtes ist.

    • Vor 9 Jahren

      Es gibt aber schon Songs drauf, die sich sofort einbrennen, wie etwa "Never Gonna Love Again" oder "Heart Of Steel".
      Jedenfalls sind wir uns offenbar einig, dass sowohl "Wounded Rhymes" als auch dieses Album hier ziemlich genial sind :)

    • Vor 9 Jahren

      Der einzige Song der sofort hängen geblieben ist bei mir war 'No rest for the wicked', die anderen songs sind doch nochmal etwas schwerer zu verdauen und haben etwas gedauert.
      'Wounded Rhymes' ist für sie was 'It's not me, it's you' für Lily Allen ist - ein unglaublich gutes Album das sie warscheins nicht mehr toppen kann für Ihre eigenen Standards. 'I never learn' ist aber immerhin einen erheblichen Schritt besser als das Debüt find ich.

    • Vor 9 Jahren

      wer sie auch schon als avatar drin hat, kann ja nicht objektiv werten. werde die gute jetzt beim sport durchnehmen. also ihr neues album :D...ihr schweine!

    • Vor 9 Jahren

      Ich habe sie seit drei, vier Tagen als Avatar, weil mir das Album eben so gut gefällt. Ursache und Wirkung sind daher genau umgekehrt. Vorher hatte ich übrigens das "Pure Heroine"-Cover als Avatar :)

    • Vor 9 Jahren

      Ach ja. Avatar ist mit Abstand der ueberbewerteste Film ever. Lorde ! Ich erinnere mich. Bist du eig. eine Frau und zudem Fangirl ? Wobei ich Frauen in letzter Zeit auch gerne zuhoere. Das Problem bei Saengerinnen/ Bands bestehend aus Frauen ist dass sie sich einfach zu wenig zutrauen. 70 % der Musik die von Frauen gesungen wird besteht halt aus der 08/15 Radio-Ballade. Man will halt auf Nummer sicher gehen. Auf die Kacke gehauen haben in den letzten Jahren nur Savages und Perfect Pussy. Wobei Ersteres bahnbrechend und zweiteres eher fad war. Angel Olsen hat vor kurzem nochmal Frauen-Power bewiesen. So langsam bewegen sich die Frauen Wohl oder Uebel aus der Kueche heraus :D

    • Vor 9 Jahren

      Nein, ich bin weder eine Frau und schon gar kein Fangirl.

    • Vor 9 Jahren

      Antifeminist ,du !

    • Vor 9 Jahren

      Warum das jetzt?

    • Vor 9 Jahren

      Du hast nicht leider gesagt.

    • Vor 9 Jahren

      Oh, Entschuldigung :)

  • Vor 9 Jahren

    Unglaublich gutes Album, mit der recht kurzen Spielzeit und der tollen Atmosphäre ein sehr angenehmes Hörvergnügen. 'Wounded Rhymes' bleibt leider unberührt aber trotzdem einige top Songs mit drauf.
    'No rest for the wicked' und 'Gunshot' meine Lieblinge.

  • Vor 9 Jahren

    Ging mir mit Ihr im Prinzip genau wie Baudelaire, nur dass ich noch viel später dazu gekommen bin, mich mit dem Album zu beschäftigen. Kannte auch nur den I Follow Rivers Remix, welchen ich nicht sonderlich gut fand/finde (typischer 0815 Radio-Song) und hatte mir deshalb auch nichts weiter von ihr angehört. Dann letztens durch diese "beste Songs des Frühjahres Liste" (oder so ähnlich) auf No Rest for the Wicked gestoßen, welches mich ziemlich geflasht hat. Der Rest des Albums gefällt mir aber auch fast durchgängig sehr gut. Hier stört mich auch die kurze Spieldauer nicht, finde ich eher angenehm. Insgesamt eine gute 4/5 für mich.

  • Vor 9 Jahren

    diese weinerliche stimme ist ja nicht auszuhalten! da bluten mir manchmal schier die ohren! hat sich da etwas geändert im vergleich zu den letzten alben? bis jetzt hat mich ihre stimme nie wirklich gestört! irgendwie ist das die gleiche tendenz wie bei caleb von den kings of leon. erst kürzlich das "come around sundown" zum ersten mal eingehender gehört. seine stimme ist ja nur noch nervig. für mich ist das streckenweise nur noch gejaule, da soll mir keiner mit "emotionen" kommen.

  • Vor 9 Jahren

    Da muss ich meinem Vorposter zustimmen. Mit der Stimme von der Dame kann ich gar nix anfangen. "No Rest for the wicked" klingt noch echt gut, aber das liegt halt an der Ohrwurmqualität des Songs.

    Auf Albumlänge empfinde ich diese "sägende" Stimme als Ohrenqual. Dabei sind die Songs gar nicht mal schlecht und in der Regel gefällt mir solche Musik.