laut.de-Kritik
Wie Schläge eines Fallhammers.
Review von Manuel BergerSchafft euch schon mal ein bisschen Zeit. Ihr werdet sie brauchen. Meshuggah halten einmal mehr das Versprechen, das ihr Name auf einem Plattencover macht. Aus ihrer Nische lugen die Schweden auf ihrem neunten Studioalbum - wie der Titel schon schon nahelegt - zwar keinen Millimeter heraus; innerhalb dieser faszinieren sie aber nach wie vor. Vor allem dann, wenn man der gleich zu Beginn von Jens Kidman gebellten Anweisung folgt: "Focus!". Tut man das, macht "Immutable" riesigen Spaß.
Vielleicht mehr denn je reichen Meshuggah ihren Hörer:innen dabei die Hand, um sie durch das erbaute Labyrinth zu führen, statt sie – wie teilweise in der Vergangenheit – darin allein verzweifeln zu lassen. Den Opener "Broken Cog" gestalten sie für ihre Verhältnisse geradezu spartanisch. Statt sofort den Polyrhythmus-Presslufthammer auszupacken, präsentieren sie ein Puzzleteil nach dem anderen und schlüsseln so quasi auf, woraus sich ihre Songs zusammensetzen. Erst das Gitarrenmuster, dann die Leads, dann die metrische Einordnung durch Tomas Haake und so weiter. Gab es in der Vergangenheit auch schon, kommt hier aber noch ein Stückchen zugänglicher rüber. Ehe man sich versieht, steckt man schon mittendrin im tiefschwarzen Meshuggah-Tunnel und ist bereit für das Gewitter von "The Abysmal Eye".
Später leitet "They Move Below" die zweite Hälfte des Albums auf ganz ähnliche Weise ein. In dem fast zehnminütigen Instrumental dröseln Meshuggah geduldig die Basis ihres Sounds auf – und zeichnen dabei einen sofort klar erkennbaren und nachvollziehbaren kompositorischen Spannungsbogen, inklusive melodischer Komponente. Das ist immer noch zu 100 Prozent Meshuggah, Vergleichbares hörte man zuletzt dennoch eher selten im Kosmos des Quintetts.
Es ist nur Spekulation, aber möglicherweise resultierte diese Richtung aus der Absenz Fredrik Thordendals beim Songwriting. Der Gitarrist stieß diesmal nur für die Aufnahmen der Soli zur Band. Seine unverkennbaren, dissonanten Ornate ranken sich seltener als sonst um die Stücke, überraschend häufig finden sich dagegen fest ins Songgerüst integrierte Melodiebausteine – neben "They Move Below" zum Beispiel auch in "Light The Shortening Fuse", mit prominent platziertem, zweistimmigen Harmoniepart. Schade eigentlich, dass Meshuggah das letztlich nur angedeutete Post Black Metal-Experiment "Black Church" bei einem etwas lieblos hingeklatschten Interlude belassen, statt weiterzudenken.
Eher cringe als cool sind die vereinzelt eingestreuten, cleanen Sprechvocalpassagen. Auch in "The Faultless" verfallen Meshuggah in den Duktus und wollten dadurch wohl zusätzliche Spannung aufbauen. Anders als etwa in "The Exquisite Machinery Of Torture" von "Chaosphere" wirkt es hier allerdings vor allem aufgesetzt. Dafür treffen Jens Kidmans brachial-kontrollierte Godzilla-Shouts noch immer voll ins Schwarze. Zusammen mit dem monumentalen Gitarren- und Basssound entsteht eine Klangkulisse wie ein Bergmassiv. Einschüchternd. Oder um es mit dem Albumtitel ausdrücken: Unumstößlich. Man höre nur einmal "Ligature Marks", wo die Staccato-Riffs donnern wie Schläge gewaltiger Fallhämmer. Mein Beileid an die beiden Mischer Rickard Bengtsson und Staffan Karlsson, die diesen Kräften vermutlich über Wochen hinweg ausgesetzt waren, um Feinabstimmungen vorzunehmen.
Man braucht etwas Zeit, um durch die vordergründig monotone Schicht zu dringen, die Meshuggah in den dreieinhalb Jahrzehnten ihrer Existenz errichtet haben. Was beim Nebenbeihören klingt wie immer dieselbe Masche, entpuppt sich tatsächlich als elf recht unterschiedliche Stücke (plus angesprochenes Interlude und Outro), in denen Meshuggah die Facetten ihres Schaffens auffächern. "The Faultless" groovt mit übersichtlichem, chromatischem Riff fast schon straight. In "Phantoms" webt Mårten Hagström eine endlos anmutende Riffkette aus Variationen des grundlegenden Motivs. Bei "I Am That Thirst" verzahnen die Rhythmen sich mit prägnanten Tremolo-Salven. "Armies Of The Prosperous" deutet die thrashigen Wurzeln der Band an. "God He Sees In Mirrors" dominiert Tomas Haake mit rastlosem Drumming, dazu liefert Jens Kidman eine seiner beeindruckendsten Vocal-Performances ab, samt punktuellem Layering. Der Track erinnert an ein in die Enge gedrängtes Tier, das ausschlägt und um sich beißt – bevor plötzlich der Gnadenschuss fällt.
"Immutable" bedeutet übersetzt unveränderlich oder unumstößlich. Beide Interpretationen des Titels passen zum Album. Meshuggah verändern ihre Marke nicht, exerzieren diese so kompromisslos wie nur irgend möglich. Erneut bleibt kein Zweifel daran, wer die Vormachtstellung im technischen Metal hält.
15 Kommentare mit 8 Antworten
Nicht zu laut hören - man könnte ein weiteres Schwarzes Loch in der Milchstraße erschaffen.
Die jungen Herren sollten mal darüber nachdenken, Jesus Christus in ihre Leben zu lassen.
XD
Hab irgendwie das Gefühl JHWH ist denen näher als der liebe Gott...
Schon arg öde
Ganz OK. ✌️
Die neue AAL gefällt mir besser.
Was ich krass finde bei Meshuggah ist, dass man beim Hören wie in so ne Trance reinfällt durch die Rhythmen und den Sound von denen. Wie ne Massage für die Ohren. xD