laut.de-Kritik

Die Adoleszenz als Manifest.

Review von

Dreht man die Hülle von "Alles Lebt. Alles Bleibt." um, sind da Beton, Glas und Stahl auf kleinster Fläche zu einer beträchtlichen Anzahl von Gebäuden angehäuft. Zwischen Wolkenkratzern und Betonkolossen kann sich das Individuum leicht verlieren.

Allen Perspektivlosen, Zerrissenen oder jenen, die einfach zur Gattung der Denkenden gehören, wird das Album aus dem Herzen sprechen. Denn was die Musik an Feinfühligkeit und Innovation vermissen lässt, das macht der lyrische Teil des Albums wieder wett. Nach dem nervösen und preschenden Beginn des Openers "Laternenmann" und dem einprägsamen Gitarrenriff platzt ein Schrei aus Sänger Peter Löwe heraus: "Ich komme an!" Im ersten Stück klingt das noch nach erzwungenem und verzweifeltem Hilferuf, aber 48 Minuten Spielzeit später sieht das ganz anders aus.

Denn irgendwie fühlt man sich durch das Album wie in einen wohlig vorgewärmten Wattebausch gepackt. Obwohl hier keineswegs den leiseren Tönen gefrönt wird, meist sind die Gitarren mit kratzigem Overdrive-Film überzogen. Doch Löwe ist eben ein geborener Geschichtenerzähler. Man nimmt ihm so gut wie jedes Wort ab, wie das in Deutschland sonst vielleicht nur von der Hamburger Schule erwartet wird. Ein Album, das von der jugendlichen Selbstfindung handelt – aber ohne abgedroschene Phrasen mit "Geh deinen Weg"-Attitüde auskommt. Wow.

Die Bandbreite von Mikrokosmos23 reicht weit über stumpfen Standard-Hardcore und Screamo hinaus. Mit dem melodischen und eingängigen Singletrack "Wie Kommst Du An" knüpfen sie genau da an, wo sie auf ihrer letzten LP mit "Knightrider Generation" aufgehört haben. Die jungen Musiker behandeln ihre Gitarren jedenfalls gebührend, sogar einfache Oktav-Akkorde bilden geschickt eingesetzte Stilmittel ("Alles Gegen Wände"). Keinesfalls ein "Auf-der-Stelle-Treten", eher ein Rennen.

An poppigeren Tracks versuchen sich die vier Jungs aus Sachsen auch – "Kopfherz". Zunächst bleibt der Song mit seinen Synth-Akkorden schwach, doch eine überraschend aufgebaute Blechbläser-Wand hebt den Track zum Schluss noch deutlich vom Boden ab. Wenn die Bläserfraktion dann den Schlusspunkt des Albums in "Zusammen Zu Klein" setzt, dann besitzt das fast schon einen gebührenden Hauch von Pathos.

Wer Adolar'sche Songzeilen wie "Du hast Dürrenmatt gelesen / Ich habe Dürrenmatt gelesen" schon immer für verquer hielt, aber dennoch lyrische Texte fernab des deutschen Indiepop-Herzschmerzes und der V-Ausschnitt-Depression vorzieht, der ist im Mikrokosmos gut aufgehoben. Lediglich ihren Bandnamen sollten sie vielleicht noch einmal überdenken – sich unweigerlich auftuende Assoziationen zu Punk- und Popbands haben die Dresdener nämlich nicht nötig.

Trackliste

  1. 1. Laternenmann
  2. 2. Wie Kommst Du An
  3. 3. Alles Gegen Wände
  4. 4. Luftsprung
  5. 5. Orte Ohne Boden
  6. 6. Kopfherz
  7. 7. Alles An
  8. 8. Mit Offenen Augen
  9. 9. Dürfen, Müssen, Können & Sollen
  10. 10. Reisegäste
  11. 11. Die Paar Meere
  12. 12. Zusammen Zu Klein

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