laut.de-Kritik
Grandioser Prog-Funk aus den Alpen.
Review von Josef GasteigerDie Spatzen pfiffen es vom Goldenen Dachl: Drei stürmische Groovegiftmischer aus Tirol zerlegen mit viel Rock und Groove reihenweise Clubs und linsen dabei tiefer in die psychedelische Farbstrudel, als die Geschmackspolizei normalerweise erlaubt. Zeit, genauer hinzusehen.
Das Trio aus Innsbruck hat auf dem ersten Lebenszeichen in Langspielplattenform nicht vor, sich zurückzunehmen. "Creation's Finest" versammelt zwölf Tracks und macht deutlich, warum die Herren der Schöpfung sich langsam aber sicher in der österreichischen Bandszene den Ruf als mörderisch tighte Rockband sicherten.
Um grob einen Rahmen des hier gebotenen Sounds zu zeichnen, denkt man an progressiven, psychedelischen Funk, an urbrünstige 70er-Vokalisten wie Plant oder Gillian, an Groovekaiser wie Rage Against The Machine, an Bühnenviecher wie Mother Tongue. Wahrlich große Schuhe, klar.
Dabei möchte "Creation's Finest" einfach nur eine große Jamsession sein, von drei Gleichgesinnten, die gemeinsam auf die Jagd nach den Grenzen der Populärmusik gehen. Passt auch zur Bandhistorie, da Mother's Cake quasi zum Kennenlernen The Mars Volta-Songs zockten. Eine gewisse Vorliebe für Odd Time-Signatures und eine dementsprechend Ablehnung des gängigen Vers-Chorus-Schemas lässt sich nach den ersten Tracks ebenso wenig leugnen wie perfekte handwerkliche Qualitäten an den Instrumenten.
Schon mit der unverschämt coolen Rhythmusverschiebung gleich zu Begin des Openers "Creation's Finest" zaubern Mother's Cake ein Lächeln in jedes Musikliebhabergesicht, das sich ohrenscheinlich bald zu einer begeisterten Fratze verziehen wird. Denn ab jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Die Songs sind hörbar für die Bühne gemacht, mit langen Intros, viel Platz für Riffspielereien, sogar Platz für ausladene Soli und psychedelische Wolken. Große Gesten in die Richtung der Anfangsstunden des Hardrock, auf modernen Anspruch getrimmt und fast fahrlässig schneller und härter gemacht. Trotz unzähliger Stolpersteine und Hackenschläge brennt jedoch der Funkrock-Groove immer lichterloh. Je tiefer man sich in die zugegebenermaßen umfangreichen Songstrukturen und rhythmischen Illusionen eingräbt, desto fetter schmeißt das Tiroler Trio mit Riffs um sich.
Instrumentalfreaks kommen hier auf ihre Kosten, gibt es doch genug Material, um die Gehirnwendungen für Wochen zu beschäftigen. Doch immer, wenn man glaubt es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Song daher. Nach langen Jampassagen und nachdem sie die letzte sonische Grenze ausgelotet haben ("Runaway"), schaut plötzlich eine lupenreine Hendrix-Nummer vorbei ("Night And Day"), sicher die zugänglichste Nummer des Albums.
Nachdem sie mit Taktarten Mikado spielen, ist erst mal Zeit für ein jazziges Basssolo ("Realtricked Me"). Wenn Sänger Yves Krismer dann aber zum Mic tritt, gelingt auch stimmlich der Drang nach vorne. Halbherzig geht die Band nicht ans Werk, genauso auch bei den Vocals, wenngleich die gesungen Hooks lange nicht so zünden wie das zugrundeliegende instrumentale Feuerwerk.
Mother's Cake sind eine Band, die größer, erfahrener und etablierter klingen, als sie es tatsächlich sind. Was diese Kuchenbäcker an Ideenreichtum in ihr tolles Debüt packen, sammelt sich bei anderen Bands in zwanzig Jahren nicht an. Unvorstellbar, was hier noch kommen könnte. Das macht "Creation's Finest" zu einem ganz großen Ausrufezeichen in der hiesigen Rockszene.
1 Kommentar
Fantastische Platte. Besonders "Runaways" ... dieses Riff. Dieser Bass!!