laut.de-Kritik
Heute bestimmt nicht: Noch mal einspielen, bitte.
Review von Jens BrüggemannAuf diesem Album findet man, was einem Freitagabends aus Jugendzentren im Münsterland entgegen dröhnt. Man hat sich vorher mit Freunden getroffen und einige Bier gestutzt, dann drei Euro Eintritt latzen und man ist drin. Sofort wummert einem ungeschliffener und roher Punk-Rock Sound entgegen. Dazu darf natürlich rotziger Gesang nicht fehlen, getragen durch deutsche Texte mit Anspruch auf Tiefgang.
Die akustische Gesamterscheinung, die so tut, als wäre sie die Produktion, ist das Fürchterlichste an dem Album. Das Promo-Begleitschreiben verrät, die Band habe sich erstmals in ihrer Geschichte wirklich in den Proberaum vergraben, um dort neue Lieder zu schreiben. Vielleicht hätten sie im Proberaum etwas mehr proben sollen. Die Musiker rocken zwar extrem bemüht durch das klangliche Spektrum des ihnen Möglichen, und auch Sänger Nagel gibt alles. Aber das ist wenig.
An "Ernte 23 Dankfest" sei beispielhaft erklärt, was mir für den Rest der Songs symptomatisch scheint und warum die Ernte nicht komplett eingefahren werden kann. Zunächst heißt den Hörer wenig innovatives Einstiegsgeschrammel über die Saiten willkommen. Beim Refrain schlägt das Ganze in herbere Riffs um, fällt danach aber immer wieder zurück, wie auch bei "Placebo Domingo" oder "Am 5. Oktober, wie Jedes Jahr". Das ist manchmal schön, aber nicht immer. Das "Dankfest" feiert sich dann selbst mit unglaublich nebensächlich klingenden Drums weiter. Mir die ganzen 54 Minuten ist kein Song mit bemerkenswert körnigem Gedresche aufgefallen, echt nicht. Woher Bass-Mann Shredder seinen Namen hat, bleibt ebenso verborgen, wie auffallende Bass-Läufe hinter dem Geschredder seiner Erntehelfer. Zwar gibt es musikalisch vereinzelte Lichtblicke wie "Vom Streichholz und den Motten" oder "Bis zum Mond", aber diese sind nur spärlich gesät.
Hervorzuheben ist Sänger Nagel, der gesanglich eine ziemlich rostig-raue Sense auspackt. Da kann man sich die teilweise mit Wortspielen verwitzelten Texte, die sicher manchmal eines gewissen Anspruchs nicht entbehren, durchaus geben: "und du fragst wohin wir gehen / sollen" oder "in diesen Häusern hinter Mauern sterben Leben / so war und ist es eben". Das Timbre des in manchen Schrecksekunden auftauchenden weiblichen Backgrounds wie im "Dankfest" oder auch "Schwester Im Rock" knickt die Ähren wie auch den Rest meiner Contenance. Normalerweise verlässt man genau an dieser Stelle den kleinstädtischen Jugendtreff und genießt das Draußen mit seinen Freunden und Bier.
Letzten Endes möchte ich den Jungs aber doch noch Respekt erweisen. Hier wird Kraft des vorhandenen Talents versucht, gute Musik zu machen. Es wird nicht zum Star gesearcht, sondern mit Instrumenten, Motivation und wenigstens textlicher Kreativität an den Wurzeln einer Karriere angesetzt. Viele Schritte haben sie zwar noch nicht gemacht, aber vielleicht klingt die Musik gerade deswegen, trotz aller Schwächen, doch wenigstens ehrlich.
1 Kommentar
Hier scheint wohl jemand ein Problem mit Punkrock zu haben.