laut.de-Kritik

"Gaza is calling": Der Folk des Aktivisten bleibt bittersüß.

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"Gaza is Calling" laut der Titel eines der Stücke auf Mustafas neuem Album "Dunya". Der in Toronto geborene Sohn sudanesischer Einwanderer ist ein tatkräftiger Aktivist. Im Juli hat er ein Benefizkonzert veranstaltet, das darauf abzielte, das Bewusstsein für die humanitären Katastrophen in Gaza und im Sudan zu schärfen und Spenden zu sammeln. FKA Twigs, Blood Orange, Yasiin Bey, Nicolas Jaar, King Krule, Earl Sweatshirt und Clairo folgten Mustafas Ruf, die Einnahmen erreichten eine Höhe von fast 750.000 Dollar.

Vor diesem Hintergrund könnte man also denken, dass es sich bei einem Lied mit dem Namen "Gaza is Calling" um einen Protestsong handelt. Das stimmt aber nicht, vielmehr thematisiert Mustafa darin eine zerbrochene Freundschaft: "Gaza is Calling is about my first experience with heartbreak in friendship. I was 11 when I met this boy from Gaza. We were inseparable. With him I shared one of the deepest loves I've ever known, he grew up alongside me in a housing project in Toronto", sagt er über den Song, in dessen Musikvideo Supermodel Bella Hadid eine Hauptrolle spielt.

Zerbrochen sei die Freundschaft schließlich an der Gewalt, der die beiden ausgesetzt waren - in Toronto, wo zahlreiche Freunde und Bekannte von Mustafa Opfer von Bandenkriminalität wurden, und in Gaza: "Not even this love was a match for the violence we were up against; the one in our new home, the one that followed him from Gaza like a cold wind. In the end it was all the bloodshed between us that didn’t allow us to see each other without tears appearing, and one of the last notes he sent to me was about how we would continue on in another life."

Inhaltlich erlaubt der Songwriter einen tiefgreifenden Blick in seine Gedanken und seine Vergangenheit. Musikalisch erweckt "Gaza is Calling" innerhalb des Albums am meisten Aufmerksamkeit. In Zusammenarbeit mit Nicolas Jaar ist hier ein ziemlich einzigartiges Stück Musik entstanden, das mit einem futuristisch klingenden Instrumental-Breakdown heraussticht. Kontrastiert wird dieser Sound mit dem Einsatz der Oud, einem traditionellen arabischen Instrument, das unter anderem in Palästina und im Sudan beheimatet ist.

Es sticht auch deswegen heraus, weil "Dunya" ansonsten ziemlich homogen klingt. Akustische Gitarren in verschiedenen Formen sind Mustafas Allzweckwaffe, die er sehr effektiv einsetzt. Beim ersten Hören mag das wie Einheitsbrei wirken, nach mehreren Durchgängen entfalten sich jedoch die einzelnen Merkmale und Unterschiede.

Wobei Mustafa viel mehr als die Begleitung einer Gitarre eigentlich gar nicht braucht. Auf "Beauty, end" ist neben seiner sanften, fast schon flehend klingenden Stimme und der Gitarre so gut wie nichts zu hören. Dank des feinen Gespürs für Melodien, kommt trotzdem keine Langeweile auf, wenn man sich wirklich darauf einlässt und die Musik nicht zu Hintergrundbegleitung degradiert.

Textlich weckt Mustafa, der zu Beginn seiner Karriere mit Poesie statt mit Musik Aufmerksamkeit erregt hatte, immerzu den Anschein, als wäre jedes Wort weise gewählt und als stecke es voller Bedeutung. Diese Bedeutung zu entschlüsseln, ist allerdings gar nicht so einfach. Mustafa erzählt persönliche Anekdoten, verarbeitet Trauma und Verlust, stellt tiefgreifende spirituelle Fragen. Aufgrund des biografischen Charakters der teilweise abstrakten Texte ist es dabei nicht immer leicht, zu folgen.

Wenn Mustafa etwa im bittersüßen Intro "Name of God", das in Zusammenarbeit mit Aaron Dessner von The National entstanden ist, die Frage aufwirft, in wessen Namen Gewalt ausgeübt wird, könnte das auf den ersten Blick als Kritik an religiösen Fanatikern interpretiert werden. Ob diese Interpretation nun zulässig ist oder nicht: Laut dem Künstler sei das Lied tatsächlich ein Tribut an seinen Bruder, der letztes Jahr in einem Auto in Toronto erschossen wurde.

Trauer und Melancholie schwingen ob dieser nicht aufhören wollenden Schicksalsschläge immer ein wenig mit. Selbst wenn er etwa auf "Imaan" im Refrain eine euphorische Melodie singt, klingt sie - gesungen von Mustafa - ein wenig melancholisch. Die Gäste, darunter Rosaliá, Clairo, JID und Daniel Caesar, fügen sich sehr geschmackvoll in das Gesamtbild ein, passen sich der Stimmung an und fallen kaum auf. Selbst die von Flamenco-Rhythmen begleiteten Vocals von Rosaliá ("I'll Go Anywhere") wollen in diesem Kontext keine Euphorie verströmen.

Es ist Mustafa von Herzen zu wünschen, dass die Schicksalsschläge enden, die er auf "Dunya" und dem Vorgänger "When Smoke Rises" thematisiert hat. In der Musik hat er ein kreatives Ventil gefunden. Hoffentlich kann er bald auch wieder fröhlichere Ereignisse verarbeiten.

Trackliste

  1. 1. Name of God
  2. 2. What Happened, Mohamed?
  3. 3. Imaan
  4. 4. What good is a heart?
  5. 5. SNL
  6. 6. I'll Go Anywhere
  7. 7. Beauty, end
  8. 8. Old Life
  9. 9. Gaza is Calling
  10. 10. Leaving Toronto
  11. 11. Hope is a knife
  12. 12. Nouri

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