laut.de-Kritik
La-le-Luzifer: Die Verdoomung der Menschheit.
Review von Yan VogelDie Chiffren des Untergangs häufen sich zuletzt: Feuerkatastrophe, Höcke, Hanau, Flucht, Kapitalismus, Klima, Corona - das Jahr ist noch jung, das Leid hingegen groß. Ein vielleicht noch wohliges Gruseln während der Tagesschau weicht nun der Gewissheit: Ich bin mittendrin in dem Schlamassel. Die Hölle sind nicht die anderen. Wir erschaffen sie gerade gemeinsam.
Und den Soundtrack zum Untergang liefern My Dying Bride. Deren Vita war in den vergangenen Jahren nicht arm an persönlichen Tragödien und bandinternen Zerwürfnissen. Aaron Stainthorpes Tochter erkrankte an Krebs, Bandmitglieder kamen und gingen. Dies erklärt die fünfjährige Pause zwischen "The Ghost Of Orion" und "Feel The Misery", aber auch, warum das Quintett nach dem ausufernden Doppelalbum "Evinta" nach Selbstvergewisserung strebt.
Dabei greifen die Briten bei ihrem 14. Studioalben auf bewährte Patente zurück, um die Verdoomung der Menschheit voranzutreiben. Allen voran Stainthorpes Stimme, die harsch und zart gleichermaßen verkörpert. "The Solace" ist ein elektrifiziertes Traditional, in dem eine bezaubernde weibliche Stimme inmitten eines Reigens weitverzweigter E-Gitarren von Gründungsmitglied und Hauptsongwriter Andrew Craighan auftaucht.
Franz Streichquartett "Der Tod Und Das Mädchen" dürfte auch den Düsterheimern bekannt sein, findenSchuberts sich doch zahlreiche Tränen treibende Fidel-Klänge auf "The Ghost Of Orion". "The Long Black Land" raubt nicht nur den Atem, sondern schnürt in seiner vollendeten Melange aus klirrender Black Metal-Arktis und flehend-verzweifelter Doom-Melancholie direkt die Gurgel zu.
Die letzte Destination verpackt die Grufti-Gruppe in süßen Seelenschmerz. La-le-Luzifer spricht aus jeder Note. Im Wiegetakt lullt der Opener den Hörer ein und zieht ihn mit einer tieftraurigen Geige in die Schwärze.
Die letzten drei Tracks bilden eine unheilige Trinität. Piano, modale Harmonien, verhallte Sprachfetzen und cleane Gitarren staffieren den Titeltrack aus. Danach folgt mit "The Old Earth" ein zehnminütiges Epos, das majestätische Klang-Kathedralen errichtet. "Your Woven Shore" zerreißt Herzen und sprengt die Ketten zur Unendlichkeit mit Kinderchor, düsteren Celli und kleinen Piano-Figuren.
7 Kommentare
Ne, kann ich nicht nachvollziehen. Für mich kommt da diesmal gar nichts rüber und diese seltsamen Versuche die Vocals dreifach oder vierfach aufzunehmen, machen es für mich eher weniger emotional.
Eigentlich das erste My Dying Bride Album was mich enttäuscht. Wirkt wie eine angestrengte Auftragsarbeit.
Tja, leider halt ich den Gesang nicht aus.
Sehr atmosphärisches Album, fast schon eine kleine Neuerfindung. Was nach den vergangenen fünf Jahren und allem was da passiert ist wohl genau der richtige Weg ist.
Ich finde den Gesang diesmal auch nicht so passend. Trotzdem ein schönes in sich stimmiges Album, dass aber viele Durchläufe braucht, um Zu zünden. Der erste Song erinnert mich total an Icon von Paradise Lost.
Im Vergleich zu "A Map Of All Our Failures", das vor sich hin eierte und "Feel the Misery", das nur in der ersten Hälfte gut war, klingt "The Ghost Of Orion" für mich definierter und stimmiger. "The Long Black Land" und "The Old Earth" haben das Zeug zum Bandklassiker. Die Stimme nervt mich nicht, und gerade die Growls gefallen mir besser als auf den letzten Alben. Alles in allem für mich die beste Bride seit mindestens zehn Jahren.
Finde ich zu niedrig bewertet, die Platte ist toll, dunkel wie immer, aber auch zugänglich und gut produziert, gefällt mir sehr.