laut.de-Kritik

Was ist Zaubern, wenn man die Tricks schon kennt?

Review von

Bei dieser neuen Nas-Ära gibt es zwei Typen von Reaktion: Die einen halten es für die große Renaissance, das spektakuläre Statement des Elder Statesman, seinen zweiten, dritten, vierten Frühling. Die anderen haben es überhaupt nicht mitbekommen. "Magic 2" ist nach drei mal "King's Disease" nun das fünfte Projekt in drei Jahren, und so langsam ebbt aber auch bei den Fans die Begeisterung für die Hit-Boy-Alben ein wenig ab. Jetzt, wo der Staub sich langsam setzt, wird es Zeit einzugestehen, wie wenig von alledem eigentlich hängen bleibt. Auch "Magic 2" ist ein Album, das weder Konzept noch Singles an den Start bringt.

Aufs erste Hören gilt, was für viele seiner neuen Tapes gilt: Es ist nicht schwer, den guten Eindruck nachzuvollziehen. Nas ist diese erzsympathische Rap-Legende, gleichalt wie das Genre selbst, wie er feststellt, und es tut der Seele gut, einen Veteran so würdevoll altern zu sehen. Er rappt über Sightseeing in Island heute und wie er Tupac den Hennessy in die Hand gedrückt hat damals. Er ist der coole Onkel, der hier und da die Geschichten von früher anschneidet.

Es gibt auch wenig gegen die einzelnen Songs einzuwenden. Von Anspielstation zu Anspielstation rappt Nas solide Flows, seine Stimme kommt natürlich, er dockt hier und da mal an eine interessante Geschichte an, auch auf diesem Album gibt es zumindest ein paar ganz nette musikalische Ideen. Die Riddim-Passage auf "Bokeem Woodbine", die leichten Trap-Anleihen auf "Abracadabra" oder dem 21 Savage-Feature "One Mic, One Gun" und die hier und da verstreuten Soul-Samples.

Trotzdem ist es bei "Magic 2" wie bei den letzten vier Alben extrem schwer, sich wirklich an Songs zu erinnern. Wer hat wirklich noch "Wtf Smh", "Queensbridge Woman", "Ugly", "Moments", "Joy" oder "The Cure" im Kopf? Du, alle? Das glaube ich kaum, denn zwei davon habe ich mir ausgedacht, aber ich sage jetzt nicht, welche. Der Punkt ist: Mochtest du den slightly nostalgischen, warmen, aber ein bisschen angriffslustigen BoomBap-Song über Nas' Status? Glückwunsch! Du mochtest nahezu jeden Song.

Und dabei kommt lyrisch dann auch ein bisschen weniger herum, als es sollte. Viele Songs dippen ihre Füße in Themen, finden aber keine richtig diegetische Story. "Black Magic" wechselt seinen Fokus gefühlt vier mal in zwei Parts und macht wirklich schwer nachzuvollziehen, um was es eigentlich gehen soll. "Earvin Magic Johnson" redet über das Leben als Business-Mann, kommt aber aus Plattitüden nicht heraus. Dazu fällt es echt nicht schwer, in dreißig Minuten Laufzeit haufenweise Füllerlines zu identifizieren: "I keep it ghetto like the hood before they gentrified it", "have you jammed up like what you spread on toast", "they gonna try me, they on my body, no Illuminati".

Es sind diese angebappten Nonsens-Reime, der hundertste Verweis darauf, dass Nas wirklich eine Legende ist. Und dazu noch: Die Hit-Boy-Beats. Die sind auch alle so okay auf eine grauenhaft uniforme Art und Weise. Objektiv machen sie alles richtig, haben klassische Grooves, typische, aber schöne Samples; aber weder gehen sie je wirklich hart oder entfalten wirklich Atmosphäre. Die besten Songs hier sind wahrscheinlich "Pistols On Your Album Cover" und "What It All Really Means", weil da ein bisschen staubige Stimmung aufkommt.

Aber sonst? Ich verstehe, wie man mit "Magic 2" sympathisiert, aber es erschließt sich nicht, wie man davon wirklich beeindruckt wäre. Das größte Argument dafür ist, dass Nas mit fünfzig an einem komfortablen Punkt in seinem Leben angekommen ist und trotzdem total viel Lust hat, zu Rappen.

Das ist toll. Aber am Ende des Tages fehlt all diesen Alben jeder Sinn für die künstlerische Errungenschaft. Nas fordert sich darauf nicht heraus, Hit-Boy fordert sich darauf nicht heraus, es sind schlicht zwei eingespielte Veteranen, die dreißig Minuten lang Standard-Programm abspielen. Das Album hat keine übergeordneten Themen oder musikalischen Pläne, dafür aber auch keine Standout-Singles. Es ist Drivel, den Leute nur so hoch hypen können, weil sie genau wissen, dass die Leute, die dem widersprechen würden, es eh nicht hören werden.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Abracadabra
  3. 3. Office Hours (feat. 50 Cents)
  4. 4. Black Magic
  5. 5. Motion
  6. 6. Bokeem Woodbine
  7. 7. Earvin Magic Johnson
  8. 8. What This All Really Means
  9. 9. Slow It Down
  10. 10. Pistols On Your Album Cover
  11. 11. One Mic, One Gun (feat. 21 Savage)

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9 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 9 Monaten

    Hab's nun auch einmal durchgehört und finde es ebenfalls recht schwach. Da bleibt so gut wie nichts hängen. Ich habe definitiv mehr erwartet.
    Trotzdem Daumen runter an die schwachen Versuche des Autors, die miese KD3 Review zu rechtfertigen.

  • Vor 9 Monaten

    Ich finde die Review passt und der Schlag gegen Nas Spätwerk sitzt. Unabhängig von seinem Legendenstatus ist Nas einer meiner Lieblingsrapper, was Stimme, Flow und Technik angeht, aber auch ich könnte aus den letzten 5 Projekten nur eine Handvoll Songs aufzählen die mir im Gedächtnis geblieben sind. Die Musik ist grundangenehm, kann perfekt im Hintergrund laufen, aber große Kunst ist das nicht.

    Kann aber jeden verstehen, dem das reicht und der sich die Sachen aus Nostalgie oder Mangel an Alternativen gern gibt.

  • Vor 9 Monaten

    Nas Songs der letzten Jahre in meiner Dauerrotation:´

    Replace me
    All Bad
    The Definition
    Full Circle
    Wave Gods
    Meet Joe Black
    40-16 Building
    Dedicated
    Til my last Breath
    Thun
    30
    Recession Proof
    Reminisce
    One Mic, One Gun
    Michael & Quincy
    Spicy
    27 Summers

    Ich fühle mich gut bedient. Aber ja, Magic 2 schwächelt etwas.

  • Vor 9 Monaten

    Ich finde, Yannik, hat mit der Review so ziemlich alles auf den Punkt gebracht. Hier wird solide abgeliefert. Rap-technisch kann nach wie vor niemand Nas das Wasser reichen. Aber die Beats sind schon so ausgelutscht. Ich mag diese Hit Boy Produktionen nicht. Sogar als Feature Gast tritt Nas die letzten 3 Jahre nur mit Hit Boy auf. Sie werden immer zu zweit eingeladen. Wenn Nas aber so viel Spaß am Rappen hat, wie würde er auf Premier, Large Pro und Pete Rock Beats klingen? Das wäre genial und wahrscheinlich ein Album für die Ewigkeit. So aber sind die Sterne Vergaben von mir vom ersten KD Album (nach der ersten Euphorie) kontinuierlich nach unten gesunken. Für diese Album gibt es für mich nur noch einen Stern.

  • Vor 8 Monaten

    KD1 war definitiv ein gutes Spätwerk, das ich immer noch regelmäßig auflege, alle die seitdem gekommen sind, habe ich nur noch so 1-2 Mal durchgehört. Ich denke, es hätte Nas nicht geschadet, wenn er die besten Songs von KD2, KD3 und Magic 1 und 2 genommen und das auf 1,5 Stunden eingedampft hätte. Bei so viel Output tritt irgendwann einfach eine gewisse Sättigung ein und natürlich sind da auch einige Filler dabei. „Wave Gods“ ist für mich aber definitiv einer der besten Hiphop-Songs der letzten Jahre, Premier, Nas und Rocky haben haben da echt einen tollen Track im Oldschool-Gewand erschaffen, der genau das hält, was er verspricht.

  • Vor 8 Monaten

    Also 2/5 ist natürlich sehr polemisch. Losgelöst betrachtet ist das eine solide 3.5 mit Tendenz zu 4/5. Hier ist nichts für die Legendenbildung dabei, aber immer noch deutlich besser als der Wettbewerb.

    Dabei teile ich die Kritik eigentlich. Mit Hitboy bleibt Nas eben Musik für den Riesling zum Sonnenuntergang. Interessante Erzählungen, grundsolide Beats, stimmige Werke. Aber er fällt eben kaum noch aus dieser Elder Statesman Rolle, außer vielleicht mal bei Thun oder dem ersten Teil von Magic, das noch etwas mehr Kanten hatte.

    Wobei dieses Phänomen, dass so wenig im Kopf bleibt, eben auch stark an dem Hitjungen liegt. Das ist zwar alles für ein 1 Producer Album relativ abwechslungsreich, immer handwerklich einwandfrei, aber doch irgendwie regen sich bei diesen Beats nie die großen Emotionen oder Atmosphären.

    Vielleicht sollte Nasir doch noch mal das ewig angekündigte Premier Album angehen.