laut.de-Kritik
Ein Hoch auf die Traurigkeit.
Review von Franz MauererImmer schön verwirren, denkt sich Neil: Der nicht mehr so Junge veröffentlicht hier "with" Crazy Horse, nicht "&", aber auch nicht alleine. You're not in the band, but you're not out either. Für eine auf Dauer angelegte Beziehung müssen die Formalia stimmen, fragt eure Großeltern. Die Existenz von "Toast" war bekannt, vier der Songs hatte man auch schon gehört; aber wie das halt so ist, wenn jemand wie Neil Percival, dem bei jeder Kurve ein paar Tracks aus dem spaltbreit geöffneten Beifahrerfenster fallen, entscheidet, genau dieses Werk nicht zu veröffentlichen, hat "Toast" einen Kultstatus bei seinen nicht gerade wenigen Verehrern erlangt.
2001 sei das Album zu traurig, zu deprimierend für eine Veröffentlichung gewesen. Es spricht wohl nicht für 2022, dass es jetzt ok ist, allerdings geht Young als sein eigener Sachwalter mit "Road Of Plenty" ja einen ähnlichen Weg, und überhaupt war vielleicht seine Scheidung 2014 ausschlaggebend. Der Trauerkloß in Scheiben- bzw. digitaler Form handelt von dem Zeitraum, in dem Beziehungen gescheitert sind, die Nachricht aber bei den Beteiligten noch nicht in ihrer Gänze durchdrang. Keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit also, aber andererseits: Wer ein genuin fröhliches Album von Young nennen kann, der verewige sich in den Kommentaren.
Die Schaffensphasen von Young waren ja schon immer interessanter als die von Picasso oder Hefner - und 2001 war eine ganz seltsame wie bei Johnny Cash in den 80ern. Der kultige Grunge-Onkel mochte er nicht mehr sein, die Versuche zur Weiterentwicklung versandeten aber teils brachial. Der starke Young der 2010er war weit, weit weg. "Toast" zeigt, dass der uns bekannte Young zwar da war, der Sound erinnert unmittelbar an seine spätere Zusammenarbeit mit Crazy Horse, nur wollte er das damals halt nicht. "Toast" ist als musikhistorisches verbindendes Element für den Sound Young-Poncho-Talbot-Molina von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Man kann "Toast" gottlob nicht nur einordnen, sondern auch sehr gut hören: Den stärksten Track "Goin' Home" kennt man vom seltsamen "Are You Passionate" mit Booker T., wo er damals null komm null reinpasste, hier im Gegensatz zu drei anderen Songs von "Are You Passionate" für "Toast" allerdings (zurecht) kaum verändert wurde; er reiht sich ein in den Reigen längerer Stream-Of-Consciousness-Songs des Meisters mit Crazy Horse beginnend mit "Change Your Mind" bis zum genialen "Ramada Inn", unterbrochen vom überkandidelten "Greendale" und einer Dekade Nicht-Zusammenarbeit.
Das bislang unveröffentlichte "Standing In The Light Of Love" ist gehobener Country-Rock-Standard, ohne rechten Anfang oder Ende, und war im Schrank gut aufgehoben. "Gateway Of Love", man merkt es an den Titeln, die Liebe und ihr Fehlen geben den Takt vor, ist ebenfalls ein die Zehn-Minuten-Marke passierender Jam, der im Sound jedoch überraschender ausfällt. Geradezu tanzbar flott und an Bossa Nova gemahnend schieben Bass und Hi-Hats den Song voran, Poncho arbeitet dazu filigran, Young singt dezidiert sanft. Eine solche poppige Meditation fehlt im Youngschen Kosmos bislang, der Song war nur live bekannt und aus dem Backcover von "Are You Passionate", wo er dann aber fehlte.
Das bislang unbekannte "Timberline" vereint Cavesche alttestamentarische Wucht & Schifferklavier mit einem sehr frei und gefühlt ungewohnt offen und den melodischen, komplexen Song ungewöhnlicherweise mit seinem Gesang treibenden Young. Das "who by the lord" im Refrain hallt lange nach, ein ganz interessantes Stück, ein bisschen off the field für Young und ein großer Gewinn. "Quit" war auf "Are You Passionate" ein Highlight, auf "Toast" geht es als Opener etwas unter. Zwar passt es thematisch ("don't say you love me") ins Bild, fühlt sich aber eher nach Hotellobby an und fügt sich weniger ein als die beiden anderen Bluesstücke "Boom Boom Boom" und "How Ya Doin'?", das mal "Mr. Disappointment" hieß. Es ist nach wie vor ein zartes Stück Traurigkeit, das psychotische, hundsgemeine "looks like you win again" zum Schluss lässt erahnen, dass Pegi es wohl nicht immer leicht hatte. Der Gesang Youngs ist hier noch etwas sanfter als auf "Are You Passionate", was den Track nur umso verletzender wirken lässt.
Zum Schluss macht es 13 Minuten lang "Boom Boom Boom", schaden tut der Bluesjam nicht, brauchen tut man ihn aber auch nicht. Das gilt für "Toast" nicht, das braucht man.
3 Kommentare mit 12 Antworten
wieder so eine Rezi, wo ich die vergebenen Sterne nicht mit dem Text übereinbringe...Wiederholen, leichte Veränderung, hätte es nicht gebraucht bei sieben Songs in Gänze....
Welche Relevanz hat bitte die Anzahl der Songs?
Welche Relevanz hat überhaupt eine Anzahl?
Warum existiert überhaupt irgendetwas, und nicht nichts?
Die Frage war, natürlich bezogen auf die Rezension eines Albums, durchaus ernst gemeint.
Sind Alben mit besonders vielen Tracks besser als Alben mit nur wenigen und was ist die optimale Anzahl an Tracks, um ein Album als gut zu bewerten, oder ist die Anzahl der Titel vielleicht doch völlig irrelevant, da einzelne Songs sehr unterschiedlich lang sein können?
Da hat unser #2 Erbsenzähler des Forums tatsächlich Mal ins Töpfchen gegriffen, denn es wird hier zwar fast immer die Songzahl bemängelt, wenn ein an sich gutes oder gar nahezu perfektes Album mehreren Menschen zu kurz oder zu lang ist, die Kritik bezieht sich aber strenggenommen stets auf die Spielzeit des diskutierten Albums, die mit einem Song mehr oder weniger genauso erreicht würde wie wenn die darauf vertretenen Songs mit ner Chorus- oder Pattern-Wiederholung mehr oder weniger an paar Stellen daher kämen...
...diese Erbse bekommst du aber nur ganz selten einzeln aus dem Töpfchen gefischt, da sich auf einem Album mit lauter als perfekt wahrgenommen Songs, jedoch als etwas zu lang/zu kurz bemäkelter Spielzeit wieder die Frage ergäbe, ob die Songs mit mehr/weniger Wiederholungen oder zusätzlichen/weggelassenen Parts dann von den Kritikern*innen immer noch als so perfekt wahrgenommen werden würden und es vielleicht doch besser dieser eine Song mehr oder weniger gewesen wäre, der das als gut wahrgenommene Album schließlich in der Wahrnehmung der Kritisierenden zum perfekten hätte werden lassen, statt die vorhandenen Songs unnötig zu verlängern oder verkürzen.
@soulburn
Ich kann es bei dem Album, mit seinen 52 Minuten Spielzeit, auch nicht im Verhältnis zu eben jener Spielzeit nachvollziehen, welche Relevanz die Anzahl der Songs hinsichtlich deren Beurteilung haben könnte. Vor allem da die einzelnen Tracks auf dem Album sehr unterschiedliche Längen haben.
Mir kommt das bisschen so vor als wären Gesamtspielzeit (mindestens 50 oder 60 Minuten?) und die Anzahl der Songs (mindestens 9?) für manche wichtiger als die Musik und die Texte.
Geiz ist geil und ich will was bekommen für mein Geld, oder so ähnlich.
is nich immer nur grösse es ist auch technik is wichtig
theo erzählt natürlich Quatsch. Das ein Album als zu lang beurteilt wird ist ein natürlicher Indikator für mangelnde Qualität. Wenn es vielen Hörern zu kurz ist (und nicht pathologisch kurz ist), spricht das eher für die Qualität. Dass ein längeres Album mehr fürs Geld bieten würde ist hanebüchen. Was bringt dir eine zweistündige Ansammlung mittelmäßiger Lieder, die du einmal hörst verglichen mit einer 15 Minuten EP, die du 20 mal hörst?
capslokk bruder weniger ist meer vielleicht auch mit laut commments
"Dass ein längeres Album mehr fürs Geld bieten würde ist hanebüchen. Was bringt dir eine zweistündige Ansammlung mittelmäßiger Lieder, die du einmal hörst verglichen mit einer 15 Minuten EP, die du 20 mal hörst?"
Genau das meine ich.
Weder die Länge des Albums noch die reine Anzahl der Titel darauf haben etwas mit der Qualität der Musik zu tun.
Trotzdem scheint es für manche wichtig zu sein und deshalb meine ursprüngliche Frage.
Warum das jetzt, wenn ich es schreibe, Quatsch ist, weiß ich auch nicht, aber da kann CAPSO ja noch mal drüber nachdenken.
Habe deinen Beitrag nur oberflächlich gelesen, weswegen meine Einschätzung nur eine Heuristik war, die, wie es Heuristiken nun mal tun, diesmal versagte. Mea culpa.
Alles gut.
Wow, soviele Antworten....:-)))
Darf ich noch was ergänzen? Also ich meinte es eher so, das AYP? damals aus meiner Sicht eine einzige Enttäuschung war, "Going Home" mal außen vor gelassen. Das ist ein geiler Song. Standing in ... und Gateway hab ich auf der Tour live gehört und fand ich so ok...How ya doin gabs schon mal, Quit auch und ich hätte's nicht nochmal gebraucht, der Jam am Ende ist sowas wie eine Grundlage zu she's a healer... jo...
Also für mich ist das insgesamt nix, was ich mit Jubelarien ständig hören werde, und meine Aussage war ja nur, dass ich das auch so in der Rezi lese, die aber trotzdem mit vier Sternen endet. Das hab ich nicht verstanden. Die Anzahl der Songs und die Dauer ist prinzipiell woscht....:-))
Jetzt fängt der Mauerer auch noch an mit „genuin“…