laut.de-Kritik

Mit Jack White im Voice-O-Graph.

Review von

Im April 2013 stattete Neil Young Jack White einen Besuch in dessen Studio in Nashville ab. Eigentlich wollte er sich mit ihm über Elektro-Autos unterhalten, doch was er vorfand interessierte ihn noch viel mehr: eine Art hölzerne Telefonzelle aus dem Jahr 1947, mit der man Audiobotschaften direkt auf Vinyl pressen lassen konnte.

Es hatte White und seine Techniker ein Jahr Arbeit gekostet, das Ding mit dem griffigen Namen Voice-O-Graph wieder zum Laufen zu bringen. Young war hellauf begeistert und beschloss, es zu testen. Nicht nur für Botschaften, sondern für ein ganzes Album. Mit einer kleinen Gitarre, die Ecken mit Schaumgummi gepolstert, und einer Mundharmonika zwängte er sich in den Schrank. White drückte auf Play und übernahm sozusagen die Produktion, wobei er hier und da auch selbst Hand anlegte.

Young nutzte das intime Ambiente, um einen Gruß an seine verstorbenen Eltern zu senden, womit der Albumtitel geklärt wäre. "Hi Mom, it's great to be able to talk to you ... you should start talking to daddy again ... I will be there eventually, not for a while though, I feel like I really have to do a lot of work here", sagt er im imaginären (oder auch nicht) Gespräch mit dem Jenseits aus dem Opener.

Dass es sich bei dem Material ausschließlich um Coverversionen handelt, tut der Güte des Impromptu-Projekts kein Abbruch, im Gegenteil. Das meiste davon stammt aus Youngs Jugend oder aus den Jahren, in denen seine Karriere begann. So kommt der Opener "Changes" von Phil Ochs, der weniger bekannt ist als Bob Dylan und sein "Girl From The North Country ", aber auch eine zentrale Figur der Folk Revivals im New Yorker Greenwich Village der 60er Jahre war.

"Needle Of Death" des Schotten Bert Jansch inspirierten Young zu einem seiner bekanntesten Songs, "Needle And The Damage Done". " Early Morning Rain" und If You Could Read My Mind" stammen von Gordon Lightfoot, aus Kanada wie Young selbst.

Auch Willie Nelson ist zweimal vertreten, einmal mit "Crazy", das zweite Mal mit seinem wohl bekanntesten Song, der Young und White zu Verrenkungen zwang. "Für 'On The Road Again', bei dem Jack Piano spielt, haben wir die Tür der Box offen gelassen und das Piano in die Tür gestellt. Ich stand zwischen Jack und dem Mikro und er sang über meine Schulter. Ähnlich war es bei 'I Wonder If I Care As Much'. Nur spielte Jack da in der Türe die Gitarre", so Young.

Der erwähnte Abschlusstrack stammt von den Everly Brothers, davor kommen noch Tim Hardin ("Reason to Believe"), Ivory Joe Hunter ("Since I Met You Baby") und Bruce Springsteen ("My Hometown") zum Zuge.

Die Klangqualität ist, nun ja, historisch. Bedingt durch den Schrank und die Übertragung direkt auf Vinyl könnte man meinen, dass die Sessions noch vor dem zweiten Weltkrieg stattgefunden hätten, inklusive Kratzer, Übersteuerung und starkem Grundrauschen. Genau das dürfte dem Soundfetischisten Young besonders gefallen haben – die Authentizität und der Mangel an digitaler Überarbeitung.

Ursprünglich auf Whites eigenem Label Third Man Records nur auf Vinyl erschienen, gibt es das Album nun auch in verschiedenen Formaten für den großen Markt. Sicherlich nicht Youngs bestes Werk, aber eines, das viel Spielfreude versprüht.

Jack White hält sich sehr zurück, zu sehr, denn musikalisch könnten sich die zwei gut ergänzen. Aber was hier nicht war, kann ja noch werden. Vielleicht mit Mastertapes und dem einen oder anderen gemeinsam komponierten und eingespielten Song.

Trackliste

  1. 1. A Letter Home Intro
  2. 2. Changes
  3. 3. Girl From The North Country
  4. 4. Needle Of Death
  5. 5. Early Morning Rain
  6. 6. Crazy
  7. 7. Reason To Believe
  8. 8. On The Road Again
  9. 9. If You Could Read My Mind
  10. 10. Since I Met You Baby
  11. 11. My Hometown
  12. 12. I Wonder If I Care As Much

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8 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Wow...klingt sehr spannend. wird gehört.

  • Vor 10 Jahren

    "Die Klangqualität ist, nun ja, historisch."

    Nun, ja... Man könnte auch sagen, dass man sich kein zweites Mal antun wird. Ich bin allerdings sicher, dass sich das mit Neil in seinem Auto und seiner Pono-Anlage (ponomusic.com) super anhört.

    Meiner Meinung nach soll er einfach mal wieder gute Musik machen und nicht so eine Nerd-Kacke.

    • Vor 10 Jahren

      Ach lass doch dem alten Mann seinen Spaß.

    • Vor 10 Jahren

      Die ersten beiden Tracks fand ich auch unerträglich, aber später finde ich es sogar einigermaßen angenehm (weiß nicht ob es daran liegt, dass die ersten beiden einfach wirklich schlimmer sind als das danach oder ob ich mich einfach bei jedem Hördurchgang wieder erst daran gewöhnen muss)

  • Vor 10 Jahren

    Phuu, habs jetz zum 3. Mal versucht. Ich kann die gute Bewertung zum Teil nachvollziehen wegen der Atmosphäre und den guten emotionalen Texten aber der Klang nervt mich nach 5 Songs so dermaßen. Vor allem tue ich mir mit den Klang der Gitarre so schwer, es ist dünn und quitschig...