Vier spannende und sehr lange Tage in Benicassim sind vorbei. Kraftwerk waren da, Lou Reed, Franz Ferdinand, Pet Shop Boys, Brian Wilson, Morrisseys Band - nur einer fehlte: Morrissey.
Benicassim (mis) - An der schönen blauen Costa Azahar tobte von Donnerstag bis Sonntag die mittlerweile zehnte Festival-Ausgabe des FIB Benicassim.
Die spanische Crowd zeitigte zu jener Stunde (3 Uhr morgens) bereits erste Ermüdungserscheinungen ob des vorangegangenen Irrsinns mit der einheimischen Band Fangoria. Deren Sängerin heißt, wie die spätere Recherche ergab, tatsächlich Alaska und wird seit Ende der 80er Jahre als "Madonna Spaniens" verehrt. Der Grund indes blieb schleierhaft: 70 nicht enden wollende Minuten brachten eine wahrlich absurde Mischung aus Within Temptation und Rosenstolz ans nicht zu Unrecht längst erloschene Tageslicht.
Danach wieder Hauptbühne: Pet Shop Boys und Kraftwerk. Die Engländer mit einem rein auf Hits getrimmten 70 Minuten-Festivalset und die Düsseldorfer erneut mit stimmungsvollen Visuals und gewohnt starrer Performance. Doch dafür bewegte sich Spanien, olé.
Morrisseys Management hat mittlerweile übrigens verlauten lassen, dass alles (aber auch alles!) versucht wurde, um noch am Sonntag aufzutreten. Schöne Geschichte. Da die Benicassim-Festivalleitung die Diva seit nunmehr zehn Jahren zu verpflichten versucht, erscheint eine unkooperative Haltung der Spanier eher unglaubwürdig. In Morrissey-Fanforen kursiert außerdem das Gerücht, dass His Master's Voice aufgrund der angeblich zurückhaltenden Reaktion des Glastonbury-Publikums kürzlich bereits festivalmüde sei. Die Fanseite morrisseytour.com berichtet zudem von einer lesenswerten Begegnung mit Lou Reeds Tourmanager in einem Hotel in Valencia. Den Scissor Sisters konnte das ganze Theater nur Recht sein, ihr Auftritt zur Morrissey-Zeit brachte das Zelt nun beinahe zum Einsturz. Große Lust auf ein Disco-Brett konnten wir trotz ihres energischen Gigs leider nicht aufbringen.
Nach der Absage zeigten Belle & Sebastian mit einem eleganten Smiths-Cover ("The Boy With The Thorn In His Side"), was Spontaneität wirklich bedeutet. Lou Reed wiederum lieferte eine eher unspektakuläre Vorstellung ab, harmonierte selten mit seinem Background-Sänger und spielte zu allem Überfluss auch noch "Walk On The Wild Side". Mit einem donnernden Primal Scream-Auftritt ging auch Tag drei zu Ende. Zum Abschluss der Gaudi ließ sich Beach Boys-Legende Brian Wilson feiern, wenn auch der Auftritt selbst eher Mitleid hervor rief.
Zwei Laptops in Augenhöhe und eine sehr brüchige Stimme deuteten an, dass Wilsons Hochzeit verdammt lange her ist. Einzig die jungen Background-Sänger, die exakt nach denen der 60s-Hits klangen, retteten die leicht senile Szenerie, Wilsons Ohren scheinen wohl noch intakt zu sein. Franz Ferdinand sind live nach wie vor eine Bank, auch Spanien lag den Schotten prompt zu Füßen. Dies alles wartet noch auf Girls in Hawaii, eine belgische Newcomer-Rockband, die zu den Top-Entdeckungen des Festivals zählen dürfte.
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