In der Domstadt feierten Papst Emeritus IV und seine Ghouls ihr ganz eigenes Osterfest.
Köln (rnk) - Sehr heilig: Der Kölner Dom. Nicht ganz so heilig: Das Konzert von Ghost in der Lanxess Arena. Ein netter Zufall, dass die Band um den Anti-Papst genau nach dem höchsten Fest des Christentums die okkulte Messe für ihre Fans abhält. Die stehen sich teilweise schon ab Mittag die Füße platt und können immerhin das wirklich schöne Wetter draußen genießen. Hier im grellen Sonnenlicht erblickt man eine relativ bunt gemischte Menschenschar, wie man sie vom handelsüblichen Metal-Festival kennt. Die Garderobe schwarz, der Altersdurchschnitt reicht vom ergrauten Maiden-Fan bis zum Millennial. Die lange Wartezeit bis zum Einlass um 18 Uhr erschwert die wirklich, wirklich fürchterliche Jazz-Kaufhaus-Musik. Wer immer dies für eine gute Idee hielt, sollte im Fegefeuer schmoren.
Oder auch der Typ, der diese monströse Arena erbaut hat und wahrscheinlich kein Musikfan war. Der Sound der Vorgruppe Twin Temple schallt bereits matschig auf die Unterränge (die Oberränge blieben geschlossen). Für das E-Werk sind Ghost mittlerweile zu groß. Platz eins in den Charts verlangt nach einer ebenbürtigen Konzerthalle. Und hier ist das nun mal die Arena. Die Pandemie und die immer noch hohen Inzidenzzahlen dürften auch viele Spontan-Ticketkäufer abgeschreckt haben. Mit Tausenden Menschen Aerosole auszutauschen ist nun einmal nicht gerade die risikofreieste Abendbeschäftigung. Doch irgendwann muss es zurückgehen ins Leben, und warum nicht mit okkulter Rockmusik?
Zurück ins Leben gehen - mit okkulter Rockmusik
Twin Temple erscheinen wie aus einem blasphemischen Siebzigerjahre-Streifen und führen ein satanisches Ritual mit Schwertern und wirklich schön gestickten Umhängen auf. Hier hat jemand das große Vorbild Ghost und natürlich deren Einflüsse genau studiert. Als satanischen Doo-Woop bezeichnet die Band ihren Sound und es gibt wohl viele Kapellen, die länger durch siffige Clubs tingeln mussten, um einmal vor so vielen Menschen zu spielen. Der poppige Metal-Sound und das Image könnten das Ehepaar Alexandra und Zachary James vielleicht auch eines Tages als Headliner zurückbringen.
Weniger spannend und exzentrisch dagegen Uncle Acid & The Deadbeats. Eine generische Doom-Kapelle, die ohne viel Show und knochentrocken ihren Doom runterspielt. Wer es nicht zu hittig und tanzbar mag und den frühen Tagen von Ghost hinterher trauert, bekommt wahrscheinlich genau die richtige Dosis Härte ab. So wirken die Engländer trotzdem auf der großen Bühne etwas verloren. Der Metal-Fraktion im Publikum scheint es trotzdem zu gefallen, und so brandet zum Schluss Applaus auf. Es ist überhaupt eine der nettesten Crowds. Wer schon mal Tool-Fans erlebt hat, die sämtliche Vorgruppen ausbuhen, den erfreut die Respektsbekundung. Zumal: Der Anteil weiblicher Ghost-Fans ist erfreulich hoch.
Endlich: 21 Uhr!
Um 21 Uhr künden die düster folkloristischen Klänge des schwedischen Jazzmusikers Jan Johannson die Ankunft des Gegen-Papsts im Erzbistum Köln an. Der schrieb übrigens auch den Pippi Langstrumpf-Song, doch als der Vorhang fällt, stehen hier kein Haus, kein Affe und kein Pferd auf der Bühne. Es sind die Ghouls, diesmal nicht mit einfachen Dämonen-Masken, sondern im Videogame-Steampunk-Look, die Identität immer noch geheim. Tobias Forge hingegen konnte lange sein wahres Ich hinter Make-Up geheim halten, gab aber abseits der Bühne das Versteckspiel auf.
An diesem Abend sieht man nun schon die vierte Reinkarnation des Papa Emeritus, im Laufe des Konzerts tauchen auch die früheren Versionen auf. Das Bühnenprogramm wurde noch mal mit ordentlich Feuer und Knall aufgewertet. Es wird auch deutlich, was Ghost mittlerweile für ein großes Hitrepertoire auf der Pfanne haben. Dass man immer wieder Zitate von Metal- und Rockgöttern erkennt, spielt keine Rolle. Das ist einfach großes Entertainment und ein großer Spaß. Die Selbstironie der Band trägt zudem immer dazu bei, alles nicht so ernst zu nehmen. Und so streckt man wie damals im Kinderzimmer die Faust nach oben, spielt Luftgitarre und schreit lauthals "Kaisarion" mit.
Die übergroße Comic-Band
Die Älteren denken an Kiss und Alice Cooper, die Jüngeren bekommen ihre übergroße Comic-Band. Ein Image, das seit Jahren die Fanschar vergrößert und immer mehr treue Fans bindet. Die bekommen sogar einen kurzen Saxophon-Einsatz von Papa Nihil inmitten von "Miasma" geliefert, einer der vielen Päpste in der Ghost-Historie. Der wirkt anfangs noch ziemlich tot, bis er aufschreckt und den Security-Mensch zombie-like angeht. Einfach herrlicher Horror-Blödsinn wie in einer dieser trashigen 80er-Streifen, die Tobias Forge so liebt.
Nach so vielen verschobenen und abgesagten Konzerten ist überhaupt viel Freude zu spüren: Forge ergreift auch irgendwann das Wort und bedankt sich bei den Menschen, die trotz verständlicher Ängste den Weg zum Konzert gefunden haben. Es hat so unfassbar gefehlt. Zartbesaitete steuerten vielleicht nicht gerade den Circle Pit vor der Bühne an, doch gerade hier zeigt sich noch einmal die Diversität des Publikums: Nicht nur Freunde der großen Metal-Oper erfreut die Setlist, auch Stiernacken haben ihren Spaß, ihre massiven Körper einmal quer durch die Menge zu schubsen.
17 Songs dauert es bis zum Zugabenteil, drei Tracks kommen noch oben drauf. Das nette, aber auch nicht sehr nötige Cover von "Enter Sandman" bringt noch mal Schwung in die langsam müden Gesichter, auch "Square Hammer" holt den letzten Rest heraus. Unter der Atemschutzmaske ein gar nicht so leichtes Unterfangen, obwohl sie in der Arena keine Pflicht war. Sollte man sich die mittlerweile fast unausweichliche Covid-Infektion einfangen haben, so passierte es wenigstens bei lohnenswertem Blockbuster-Entertainment. Am Ende stehen auch Ghost erschöpft auf der Bühne, verneigen sich zu "Sorrow In The Wind" von Emmylou Harris und verlassen eine glückliche Arena. War die Ghost-Show in den kleineren Hallen charmanter? Ein wenig schon, aber diese Messe ist auch keine mehr für Insider, sondern eine Würdigung für die Musik und ihre Kraft.
6 Kommentare mit 9 Antworten
Lame Schockrockhampelband.
Mit Schockrock hat das ja eigentlich herzlich wenig zu tun.
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
Radiohead diffamiert sich selbst als Otto.
Gute Rezi, schlechte Corona-Anspielungen. Lasst's endlich hinter euch...
Warum? Ob es einem nun passt oder nicht: Das Virus ist noch da! Ich würde auch nicht von "Killervirus" sprechen, aber uns wurde damals im Studium beigebracht, dass Viren, aufgrund ihrer permanenten Mutationen, Wundertüten sind. Ich finde, dass das Thema Corona in diesem Artikel ausgesprochen gut behandelt wurde. Man sollte Covid 19, zur Zeit (! wer weiß, was noch kommt...) nicht überbewerten aber eben auch nicht unterschätzen. Letztendlich ist jeder selbst für seine Risikobewertung verantwortlich.
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
ja bruder ich denke sehr grosse gefahr ist in moment omirkon
würde ich gern mal live sehen. Setlist wäre gut gewesen, letztes Album ist leider so gar nicht mein ding
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
Die setlist war ein schönes Potpouri aus allen Alben. Ich versuchs mal noch aus der Erinnerung hinzukriegen:
Kaisarion
Rats
From the Pinacle to the pit
Mary on a cross
Devil Church
Cirice
Hunters Moon
Faith
Spillways
Ritual
Call me little sunshine
Helvetesfönster
Year Zero
Spöksonat
He Is
Miasma (mit Papa Nihil am Sax, der vorher defibriliert wurde... und dann zum frisch gereichtem Sax griff)
Mummy Dust
Kiss the gogoat
Enter Sandman (welches aus karitativen Gründen gespielt wird)
Dance Macabre
Square Hammer
Ein Jammer, dass es nicht ganz ausgebucht war - Ich tippe so auf 60%. Was der Stimmung aber nicht geschadet hat. Der Sound war bei den Vorbands eher meh... gerade bei Uncle Acid sogar ziemlich schlecht, aber bei Ghost war er in Ordnung. Gefallen haben die kleinen Mätzchen zwischen den Ghulen und Papa sowie dem Publikum.
Kleine Korrektur übrigens: der aktuelle Papa ist erst der der vierte (zu Prequellezeiten war er ja noch Cardinal), es sei denn, man zählt Papa Nihil mit - der ja ein recht begabter Saxofonist ist...
Ich würde Papa Nihil auch dazu zählen, aber offiziell ist Papa Emeritus IV. Da hast du vollkommen recht. Danke!
Ja, das Cover war von dem Blacklist-Album von Metallica und hätte ich noch ergänzend als Info anfügen können.
Ich persönlich fand es auch trotz dem guten Zweck eher nur nett und ich habe einfach zu häufig irgendwelche Enter Sandman-Cover gehört. Das DM-Cover von Waiting For The Night finde ich da spannender!
Mein erstes Konzert nach 2 Jahren Pause. Endlich wieder. Tausend Dank an alle, die das ermöglicht haben. Ein großer Dank an Ghost (alle Musiker!) dass sie das Wagnis auf sich genommen haben. Völlig egal ob Stadionrock oder Deathmetal im Club. Hauptsache verzerrte Gitarren. Das erste Konzert mit meiner 14 jährigen Tochter. Jetzt ist sie konzertmäßig völlig verzogen! Was soll's.
Battek war da!