Eine neue Studie lässt das Ende des Hip Hop-Hypes befürchten.

London (sco) - 2020 ist in vielerlei Hinsicht bisher ein ziemlicher Tiefpunkt, doch das Durchschnittstempo und die Positivität von Pop-Songs erreichen unerwartete Höhen, wie die BBC meldet. Ein Vergleich der jeweils 20 erfolgreichsten Songs der letzten Jahre zeigt, dass die Pop-Musik seit 2017 schneller und fröhlicher wird, zumindest in den UK-Charts. Damit wird ein länger anhaltender Trend beendet, den die University of California, Irvine 2017 in einer Analyse von knapp 500.000 Songs ermittelt hat.

Demnach haben Wissenschaftler zwischen 1985 und 2015 ein Absinken der Attribute "happiness" und "brightness" in Pop-Songs festgestellt, dafür einen Anstieg von "sadness". Gleichzeitig klinge moderne Musik tanzbarer und mehr nach Party. Als Paradebeispiel für einen damit beschriebenen "sad banger" nennt die BBC Robyns Hit "Dancing On My Own", der seit seinem Erscheinen 2010 von zahlreichen Pop-Künstlern als Meilenstein des Genres betrachtet wird.

In konkreten Zahlen kann man die neuen Funde nun so vermitteln: lagen die durchschnittlichen beats per minute 2017 bei 104, sind es 2020 starke 122. Positivität lässt sich nun nicht ganz so einfach messen, aber der Musikjournalist Mark Savage hat sich Spotifys Musik-Kategorisierungen zunutze gemacht, um auch hier eine vage Statistik zu liefern. Eine der Kategorien, in denen Spotify einzelne Songs beziffert, lautet "valence", was auf Deutsch schlicht "Wertigkeit" heißt. Von 0 bis 100 bewertet der Streaming-Dienst hier die Positivität eines Songs, "Happy" von Pharrell Williams liegt da verständlicherweise bei 96.

Nach niedrigeren Werten in den letzten beiden Jahren liegt die Durchschnittsvalenz 2020 bisher bei 57%, was erst mal befremdlich wirkt. Immerhin wütet seit Anfang des Jahres der Corona-Virus global, und erst kürzlich wurde der Welt vorgeführt, wie viele Rassismen immer noch alltäglich sind. Es gibt also wenig Anlass für Wohlfühl-Pop. Der Journalist Charlie Harding erklärt die Dominanz positiver Songs vor allem mit Eskapismus, den ein zuckriger Pop-Song in allen möglichen Krisen-Situation bieten kann. Ähnliche Hinwendungen zum Banalen und Schönen gab es wohl auch während der großen Depression oder dem zweiten Weltkrieg.

Eventuell deuten die Zahlen auch darauf hin, dass der Hip Hop-Hype der letzten Jahre abklingt, immerhin findet man derzeit wieder vermehrt klassischen Dance-Pop in den Charts. Lady Gaga und Harry Styles feiern mit Gute-Laune-Sommerpop gerade Erfolge, Dua Lipa animierte in "Physical" schon im Januar dazu ausgelassen abzuzappeln.

Und wer weiß, vielleicht überschwemmt als ja auch der hemmungslos überfordernde K-Pop die internationalen Charts noch mehr. Die deutschen Charts spielen gerade ohnehin verrückt: Vielleicht steht uns hier eine Phase bevor, in denen alte Herren mit Gitarren wieder total in werden, nachdem die Rolling Stones mit "Living In A Ghost" auf Platz 1 gerutscht sind.

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