Anton Newcombe macht seinem schlechten Ruf alle Ehre: In Melbourne beleidigt er das Publikum, entlässt einen Gitarristen und prügelt sich dann mit ihm.
Melbourne (dr) - Wer glaubte, die wilden Zeiten der Psychedelic Rocker The Brian Jonestown Massacre seien vorbei, irrte sich. Im Forum Theatre in Melbourne legt die Band am Abend des 21. November einen denkwürdigen Auftritt hin. Hörenswert ist der Gig nicht, sehenswert allemal.
Als die Musiker mit gesenkten Köpfen und glasigen Augen auf die Bühne schlurfen, schwant einem Teil des Publikums Übles – zu Recht, wie sich bald herausstellt. Auf dem neunten von zunächst geplanten zwölf Konzerten ihrer Tour durch Australien machen die Bandmitglieder von Beginn an nicht eben einen professionellen Eindruck. Ihre instrumentell ohnehin nicht sonderlich komplizierten Songs präsentieren sie in – wohlwollend betrachtet – minimalistischen Versionen.
Redseliger als Bono
Collin Hegna scheint an jenem schicksalsträchtigen Abend keine Lust zu haben, sich seinem Bass zu widmen, und betrachtet zeitweilig lieber das Publikum. Währenddessen lallt Newcombe seine Lyrics in Spelunkensängermanier herunter. Und auf die Frage, warum die Band mit drei E-Gitarristen auf der Bühne steht, drängt sich an jenem Abend eine Antwort auf: Wenn ein Gitarrist zu stoned ist, um dem Song zu folgen, gleichen die beiden anderen das aus. Die Rechnung geht am 21. November jedoch nicht auf: Zwei von drei Gitarristen – darunter Frontmann Newcombe – beweisen, dass ein Akkord mitunter schon einer zu viel sein kann, wenn man sich zuvor zu lange in Nebelschwaden hüllte und darauf das ein oder andere Mal zu oft anstieß. Einzig Gitarrist Ryan Van Kriedt macht einen halbwegs zurechnungsfähigen Eindruck – was ihn im weiteren Verlauf des Abends teuer zu stehen kommt.
Andere Künstler präsentieren sich auf Konzerten notorisch wortkarg oder lassen das Publikum wissen, wie sie die Welt retten wollen. Beides liegt nicht in der Natur Anton Newcombes. Er ist im Forum Theatre zwar noch redseliger als Bono, äußert sich aber nur bedingt humanistisch: Den Teil des Publikums, der die fragwürdige Performance seiner Band mit Buhrufen begleitet, bezeichnet er als "cancer". Kein Song folgt direkt auf den nächsten. Stattdessen versucht sich Newcombe zwischendurch immer wieder mit schwankender Stimme an offenbar improvisierter Lyrik. Sätze wie "My perception is an autistic child" – manche Zuhörer wollen auch anstelle eines "autistic child" ein "artistic child" gehört haben – fallen. Hohe Kunst oder wirres Zeug? Das Publikum entscheidet sich via Aufforderungen an Newcombe, den Schnabel zu halten und weiterzuspielen, geschmackssicher für zweitgenannte Kunstrezeption. Der Sänger revanchiert sich mit homophoben Beleidigungen.
WWE-würdige Schlägerei auf der Bühne
Gitarrist Van Kriedt mit seiner vergleichsweise vorbildlichen Berufseinstellung reißt der Geduldsfaden. Er nimmt sich Newcombe zur Brust und stellt ihm die Frage "Anton, what do you want to play?". Der Frontmann weiß keine Antwort und reiht anstelle einer solchen interpretationsbedürftige Sätze aneinander. Van Kriedt hat daraufhin den Anstand, sich bei allen Ticketkäufern zu entschuldigen – zu viel für Newcombe. Denn wenige Minuten später haben Van Kriedts Worte ein Nachspiel: "Cut off this guy's mic, put down my guitar!", fordert Newcombe und wirft seinen jahrelangen Mitstreiter mit den Worten "Party's over, Captain!" aus der Band. "We actually don't need you", lässt Newcombe Van Kriedt wissen.
Der frisch entlassene Gitarrist lässt keinen Zweifel daran, dass es für ihn keine Bandrückkehr geben wird: "This is forever!", verkündet Van Kriedt, ehe er sich aufmacht, die Bühne zu verlassen. Dazu kommt es aber zunächst nicht: Nach einem Wortgefecht der beiden Streithähne umfasst Newcombe seine Gitarre und holt zum Schlag gegen Van Kriedt aus. Reaktionsschnell verhindert dieser, dass der Korpus sein Gesicht trifft. Auch der Geschasste ist kein Kind von Traurigkeit, wie sich danach zeigt: Van Kriedt rennt dem ans andere Ende der Bühne flüchtenden Newcombe hinterher, bringt diesen mit einem behänden Griff in den Nacken zu Fall und liefert sich auf dem Bühnenboden eine WWE-würdige Schlägerei mit seinem ehemaligen Arbeitgeber.
Am Ende des eigenwilligen Auftritts – lediglich sechs Songs wurden gespielt – steht Newcombe allein auf der Bühne, verabschiedet sich mit den Worten "God bless this country!" und gewährt dem Publikum, das er wenige Minuten zuvor noch wüst beschimpfte, einen Knicks. Doch noch ein Abgang mit Stil? Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen es anders, quittieren das Ende der Show mit lautstarken Buhrufen und Becherwürfen.
Dank der Arbeit des Users "thesickest12" kann eine Sammlung der – je nach Betrachtungsweise – High- oder Lowlights des Konzertes auf YouTube begutachtet werden:
Ein heute auf dem Instragram-Account der Band gepostetes Schwarz-weiß-Foto der Bühne des Forum Theatre, auf dem Instrumente zu sehen sind, aber keine Musiker, lässt Interpretationsspielraum hinsichtlich der Zukunft der Band offen. Die Tour durch Australien ist jedenfalls vorzeitig beendet. Auf den Websites der Veranstalter der geplanten weiteren drei Konzerte war bereits am vielzitierten Morgen danach kein Hinweis auf die Gigs mehr zu finden.
Während die Band zu den Gründen für den Tourabbruch schweigt, gab das Theatre Royal in Castlemaine, das als Austragungsort für das Folgekonzert am 22. November eingeplant war, "medizinische Gründe" an. In diesem Sinne: Gute Besserung!
6 Kommentare
Das Musikerleben ist ein hartes, insbesondere auf Tour. Totzdem...peinlich, peinlich.
"The Dandy Warhols are better!";
"You've got a capo on, dude! Fuck!"
Definitiv ganz großes Kino, aber erst die in den Raum gebrüllten Kommentare aus dem Publikum machen es zum wahren Comedy-Juwel!
Schön, dass sie nach all den Jahren immer noch die Klassiker im Programm haben.
Hey, ich weiß es is von ner anderen Band, aber wenn's passt:
Guess who just got back today?
Them wild-eyed boys that had been away
Haven't changed, had much to say
But man, I still think them cats are crazy
They were askin' if you were around
How you was, where you could be found
I told 'em you were livin' downtown
Drivin' all the old men crazy
The boys are back in town (the boys are back in town)
I said (the boys are back in town)
(The boys are back in town)
The boys are back in town
(The boys are back in town)
The boys are back in town
(The boys are back in town)
Live mitunter eine eher anstrengende Band. Bei dem Gig, den ich von ihnen letztes Jahr gesehen habe, haben sie die ersten paar Songs ohne längere Pausen dazwischen gespielt, dann aber onstage einen durchgezogen und ab dann nach jedem Song immer ca. fünf Minuten über den nächsten Song diskutiert. Kann man entweder authentisch finden oder unprofessionell, je nach Blickwinkel.
Alles nur ein Missverständniss, zumindest der Rauswurf:
https://www.news.com.au/entertainment/musi…
Der Dude wohnt(e) aber auch in Berlin, das hat sicher seine Spuren hinterlassen.