Deutschland-Premiere in München: Nicolas Jack Davies' Film über die US-Post-Hardcore-Legende.
München (fbr) - "Wenn das zu verrückt wird, versprich' mir, dass wir einfach aufhören können." Ein Typ, langhaarig, mit einem engen T-Shirt am schlaksigen Leib, sitzt auf der Rückbank eines Busses, der beladen ist mit Gerümpel wie einer Snare-Drum und einem kaputten Equalizer. Er richtet seine Bitte an den Fahrer, einen Mann mit Afro und Nerd-Brille. Der Beifahrer filmt das alles, scheitert aber daran, nicht mit der Kamera zu wackeln. Es ist eine Sequenz wie aus einem drittklassigen Studentenfilm der Neunziger, als sähe man den Super-8-Film einer Kiffer-Gruppe bei einem Wochenendausflug. Was die Szene so besonders macht: Wir sehen hier Omar Rodriguez-Lopez und Cedric Bixler-Zavala auf dem Weg ins Indigo Ranch Studio in Malibu, um gemeinsam mit ihrer Band At The Drive-In aufzunehmen. Die Zeit: irgendwann 1999, ein paar Monate bevor "Relationship Of Command" erscheint, dieses glühende Meisterwerk des Post-Hardcore.
Das Material stammt aus dem persönlichen Archiv von Gitarrist Rodriguez-Lopez. Denn der eigenwillige Querkopf dokumentiert filmisch sein Leben, seit er sieben ist. Er hält die Kamera auf seine Mutter etwa, seine Geschwister im heimischen Wohnzimmer und Konzerte befreundeter Amateur-Bands. Aber auch Großaufnahmen von Raben fängt er ein, riesige Haufen von Marihuana, Nebelschwaden vor Bergspitzen. Momentaufnahmen zwischen Verrücktheit und Ernst. Zum größten Teil besteht "Omar And Cedric: If This Ever Gets Weird" aus diesen Filmen. Der britische Regisseur Nicolas Jack Davies montierte sie zu einer wilden Collage, die in ihrer Willkürlichkeit manchmal an den Nerven der Zuschauenden nagt. Zu sehen war der Film hierzulande erstmals am Samstag auf dem DOK.fest in München, einem der renommiertesten Festivals für Dokumentarfilme.
Als hätte man einen Videorekorder auf Shuffle gestellt. Erst die Interviews mit Bixler-Zavala und Rodriguez-Lopez geben Davies' Film eine Form. Aus dem Off kommentieren und erzählen sie. Über ihre Freundschaft, über kreative Entscheidungen und Heimat. Konzertaufnahmen gibt es wenige, die Studioarbeit wird zwar gezeigt, aber Davies setzt den Fokus aufs Zwischenmenschliche. Eine atypische Musikdokumentation für eine atypische Band. Tatsächlich gelingt es Davies, "Omar And Cedric: If This Ever Gets Weird" eine gewisse Eigendynamik zu verleihen. Zumindest anfangs.
Aus der wackligen Kamera, den körnigen Bildern und dem rasanten Schnitt schält sich in der ersten Hälfte der Dokumentation eine emotional aufrührende Geschichte. Sie gipfelt im Tod von Jeremy Ward, Wegbegleiter von Omar und Cedric, eine Art graue Eminenz bei The Mars Volta. Er stirbt mit 27 an einer Überdosis Heroin, keinen Monat nach der Veröffentlichung von "De-Loused In The Comatorium", dem Debütalbum der Band. Schluchzend schildert Omar die komplizierte Beziehung zwischen ihm und Ward, beschreibt ihn als eine Mischung aus spirituellem Mentor und Liebhaber. Berichtet in niederschmetternder Offenheit, wie er die Leiche seines Freundes fand. Leider verliert sich der Film mit zunehmender Laufzeit.
Der kurze Abstecher des Frontmanns Bixler-Zavala zu Scientology bekommt überraschend viel Raum, der Tod des brillanten Keyboarders Ikey Owens 2014 wird dagegen nur fußnotenhaft erwähnt. Eine erzählerische Schieflage, von der sich der Film nicht mehr erholt. Das überlange Finale ist im Prinzip nur ein Destillat der vorherigen zwei Stunden. Vielleicht hätte die Doku die eingangs erwähnte Bitte einhalten sollen: Einfach aufhören, wenn es zu verrückt wird.
Omar And Cedric: If This Ever Gets Weird, Deutschland 2023, Nicolas Jack Davies, OmU, 127 Minuten.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Ragism jubelt!
*jubel* *jubel* *freu* *freu*
Danke Ribery