laut.de-Kritik
Eine Brise Leichtigkeit hat noch niemandem geschadet ...
Review von Kai Kopp"Ich musste darüber nachdenken, wie wir mit zunehmendem Alter desillusionierter im Bezug auf Dinge werden, denen wir als Kind vertrauten - Eltern, Schule, Medien, Politiker. Aber gerade durch diesen Prozess erfahren wir, wer wir sind." Mit "Human" liefert der Brite indischer Abstammung bereits sein sechstes Album. Seit jeher benutzt er die Musik als Vehikel, um persönliche Erfahrungen, Gefühle und Gedanken möglichst authentisch zum Ausdruck zu bringen. "'Human' steht für eine Idee aus der hinduistischen Philosophie: Je besser du dich ausdrücken kannst, desto einfacher machst du die Dinge."
Sein Auto fährt damit zwar nicht unbedingt in die Charts, aber das ist ihm eh schnuppe! Unbeirrt erzählt er in "Say Hello" und "Falling" seine Geschichten über die Schwierigkeiten, als einziges Kind asiatischer Herkunft eine Schule zu besuchen, die von Neonazis der englischen National Front dominiert war. Musikalisch greift er dabei auf ambient-wehmütige Balladen und groovebetontere Kompositionen zurück. Die Vereinigung der Kulturen, die mit der Globalisierung zwangsweise einher geht, thematisiert "Fragile Wind" mit zerbrechlichem Gesang und akustischer Klampfe im Trip Hop-Gewand. Im Gegensatz zur Kulturkampftheorie (Huntington) träumt Nitin Sawhney von einer besseren Welt, in der die Kulturen sich bereichern statt zerstören.
Um seine Visionen über Politik, Religion und kulturelle Identität in vielfältigen Farben zu malen, bittet er eine stattliche Riege Gäste ins Studio. Darunter Matt Hayles von Aqualung und Kevin Mark Trail von The Streets, aber auch ein Streichquartett und das 150-köpfige 'South Indian Full Harmonic Orchestra" bereichern seine Ausdruckskraft.
Seine intime, ernsthafte und textlastige Auseinandersetzung mit der Welt ist musikalisch eingebettet in unaufdringlich-moderne Clubbeats. Flamenco, Brazil, Trip / Hip Hop, Ambient und indische Raags liefern dafür die Zutaten. Trotz allem dominiert eine zerbrechlich-tragische Stimmung den Gesamteindruck von "Human". Nicht, dass der Ernst des Lebens es nicht nötig hätte, besungen zu werden. Eine Brise Leichtigkeit hat indes noch niemandem geschadet. Von ihr kündet der Opener "The River", der zwischen modernem R'n'B und Hip Hop von der Zeit vor der Geburt erzählt und als einzige Nummer im Arsch und nicht im Herz wirkt. Damals war die Welt halt noch in Ordnung?!
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